vom 10.01.2002 (überholt)

Naturstrom AG verpasst Chancen

SFV beklagt unökologisches Verhalten der Naturstrom AG
Stellungnahme des Vorstands

"Warum müsst ihr denn immer auf der Naturstrom AG herumhacken?" so werden wir manchmal gefragt. Diese Frage soll nicht unbeantwortet bleiben:

Vor vier Jahren stellte der Solarenergie-Förderverein seinen Lesern im Solarbrief 2/98 die Naturstrom AG und ihre Ziele vor. Der Beitrag enthielt viel Vorschusslorbeeren. Einige Sätze zur Erinnerung:

Naturstrom AG organisiert Versorgung mit erneuerbaren Energien
Umweltfreunde gründen ein eigenes EVU
"Wir begrüßen die Idee (...)
Wir unterstützen die Naturstrom AG (...)ideell.
(...) Wir beobachten kritisch. (...)
Die Naturstrom AG darf sich auf keine ökologisch bedenklichen Kompromisse einlassen. (...)
Wir informieren unsere Mitglieder."

Der gesamte Vorstand des SFV hat damals diesen Artikel unterzeichnet, um die besondere Bedeutung herauszustellen.

Auf diesen Artikel hin - und im Vertrauen darauf, dass der SFV gerade DIESE Stromhandelsgesellschaft unter Beobachtung behält - sind viele Solarbrief-Leser Kunden der Naturstrom AG geworden. Der SFV seinerseits hat damals eine weitgehende Verpflichtung zur kritischen Berichterstattung übernommen, aus der wir uns nun nicht einfach wegschleichen können.

Die später gegründeten "Ökostrom-Handelsgesellschaften" oder später eingerichteten "Ökostromtarife" wie z.B. Naturenergie, Naturstrom Rheinland-Pfalz, Lichtblick, Energreen, Aquapower, Greenpeace-Energy, Unit[E] und andere sind von uns nie empfohlen worden. Sie fielen vielmehr unter unsere zunehmende Kritik am Ökostromhandel. Unsere Leser konnten daraus den Schluss ziehen, dass die Naturstrom AG der letzte wirklich ökologische Stromhändler sei.

Vor diesem Hintergrund wirkt eine Mitteilung der Naturstrom AG vom 20. Dezember 2001 an ihre Kunden besonders enttäuschend. Das Schreiben finden Sie weiter unten. Vorab unser Kommentar:

  • Die Umweltbewegung fordert seit Jahren, den Grundpreis bei Strom und Gas wegfallen zu lassen, um Sparanreize zu geben.
    Die Naturstrom AG jedoch hat nicht nur die Chance verpasst, einen Stromtarif ohne Grundpreis einzuführen, sondern führt jetzt eine "deutliche Anhebung des monatlichen Grundpreises bei nur geringfügiger Erhöhung des Arbeitspreises pro Kilowattstunde" durch. Je höher der Grundpreis ist, desto weniger lohnt sich das Stromsparen. Die Naturstrom AG praktiziert das Gegenteil von dem, was ökologisch geboten ist.
  • Die Stromwirtschaft versucht seit Monaten, den Ruf des Erneuerbare-Energien- Gesetzes und des Kraft-Wärmekopplungsgesetzes und damit den Ruf der Bundesregierung zu beschädigen, indem sie völlig übertriebene finanzielle Auswirkungen auf den Strompreis behauptet.
    Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) hat durch ein renommiertes Institut, die Aachener Ingenieurgesellschaft BET, berechnen lassen, dass die beiden Fördergesetze sich seit ihrer Einführung im letzten Jahr nur mit 0,37 Pfennig pro Kilowattstunde auf die Preise der Stromkunden im kommenden Jahr auswirken.
    Die Naturstrom AG jedoch übernimmt ohne weitere Erläuterung die dreifach übertriebene Preisangabe der Stromwirtschaft und spricht von einer "weiteren Belastung von rund einem Pfennig".
  • Jeder Stromhändler, der Strom aus dem deutschen Verbundnetz entnimmt, muss anteilig einen prozentual gleichen Teil des nach EEG eingespeisten Stroms aus Solar-, Wind-, Biomasse- und Klein-Wasserkraftwerken übernehmen und dafür anteilig bezahlen. Diese begrüßenswerte Regelung ist in Paragraph 11 des EEG enthalten und führt dazu, dass die Kosten bundesweit umgelegt werden. Das EEG sieht auch eine Ausnahmeregelung für solche EVU vor, die mindestens 50 % Strom aus Erneuerbaren Energien liefern (Paragraph 11 Abs. 4, 2. Satz).
    Diese Ausnahme-Bedingung wird von der Naturstrom AG bei weitem nicht erfüllt, trotzdem möchte sie für sich eine Ausnahme erwirken. Dies passt nicht in das von der Naturstrom AG vertretene Konzept. In ihren Geschäftszielen erklärt die Geschäftsleitung, sie möchte die Einspeisevergütung für die mit ihr in Vertrag stehenden Anlagenbetreiber über die Mindestvergütung hinaus verbessern, in der Geschäftspraxis dagegen ist sie nicht einmal bereit, den Anteil mitzutragen, der sich aus der Mindestvergütung ergibt.
  • Die Umweltbewegung fordert eine lückenlose Anwendung der Ökologischen Steuerreform in allen Bereichen und wehrt sich gegen Ausnahmeregelungen.
    Die Naturstrom AG dagegen beklagt die Anwendung der Ökosteuer (Stromsteuer) auf den von ihr verkauften Strom und fordert eine Freistellung. Anstatt ihren Kunden die positiven Auswirkungen der Ökosteuer auf Verminderung des Energieverbrauchs, auf Verminderung der Ressourcenverschwendung und auf Verbesserung der Arbeitsmarktbedingungen zu erläutern, stimmt die Naturstrom AG in das allgemeine Jammern und Mießmachen gegen die Ökosteuer ein.
Damit kein Missverständnis entsteht: Wir haben nichts gegen eine Preiserhöhung. Aber wir haben den Eindruck, dass die Naturstrom AG über dem Tagesgeschäft vergisst, mit welchem Ziel sie eigentlich gegründet wurde.

Georg Engelhard     Wolf von Fabeck

 

Auszug aus dem erwähnten Rundschreiben der Naturstrom AG vom Dezember 2001 an ihre Kunden:
Euro-Umstellung, Preisanpassung und Erfassung der aktuellen Zählerstände

(...)

Preisanpassung

Leider sehen wir uns aber auch gezwungen, zum Jahresanfang unsere Preise zu erhöhen. (...)

Erlauben Sie uns, Ihnen nachfolgend die Gründe für die Kostensteigerungen im Einzelnen darzulegen:

Seit Ende 1999 ist allein die Stromsteuer als Teil der Ökologischen Steuerreform um 1,5 Pfennig (0,77 Cent) pro Kilowattstunde gestiegen. Im Jahr 2002 beträgt sie 1,79 Cent/kWh zzgl.Umsatzsteuer.

Von der rot-grünen Bundesregierung wurden das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und das Gesetz zur Förderung der Kraftwärmekopplung (KWKG), das zur Zeit novelliert wird, eingeführt. Beide führen zum Erhalt und Ausbau dieser umweltfreundlichen Erzeugungsarten. Die resultierenden Mehrkosten werden bundesweit auf alle Stromkunden umgelegt. In der Summe entsteht daraus eine weitere Belastung von rund einem Pfennig (0,5 Cent) pro Kilowattstunde, die tendenziell steigen wird.
Sie können mit Recht einwenden, dass es wenig sinnvoll ist, Sie als Ökostrom- Kunden zusätzlich sowohl mit der Ökosteuer als auch mit den weiteren gesetzlichen Abgaben zu belasten - obwohl Sie ja schon für die Umwelt und für den Ausbau der Erneuerbaren Energien mehr bezahlen als "Egalstrom"-Kunden. Leider hat der Gesetzgeber aber diese - auch von uns immer wieder vorgetragene - Kritik noch nicht angenommen und wir sind daher gezwungen, diese Kosten an unsere Kunden weiterzugeben.

Netznutzungsentgelte (...)

Umsatzsteuer (...)

In unseren neuen Naturstrom-Preis sind nun nicht nur all die genannten Zusatzkosten eingeflossen. Wir haben gleichzeitig auch eine Anpassung der Gesamtkostenstruktur an die aktuellen Marktbedingungen vorgenommen. So erklärt sich die deutliche Anhebung des monatlichen Grundpreises bei nur geringfügiger Erhöhung des Arbeitspreises pro Kilowattstunde.

Hinweis auf Mitbewerber (...)

(...)

Entsprechend unserer Allgemeinen Geschäftsbedingungen weisen wir abschließend darauf hin, dass Sie diese Mitteilung über die Preisanpassung berechtigt, Ihren Vertrag innerhalb von vier Wochen nach Zugang des Schreibens zu kündigen. Andernfalls gilt die Preisanpassung als genehmigt.

(...)

Soweit das Schreiben der Naturstrom AG an ihre Kunden