Heute bedeutet Engagement vor allem, nicht aufzugeben – auch wenn die Nachrichten manchmal schwer auf uns lasten. Genau in solchen Momenten wissen alle, die sich engagieren, dass der Weg aus Frust und Ärger am besten gemeinsam funktioniert. Wir möchten die Geschichten derjenigen erzählen, die ihre Visionen und Hoffnungen teilen und mutig voranschreiten – und in ganz Deutschland sind das ziemlich viele!

„Machen ist wie wollen, nur krasser.“ Dieses Zitat von dem Autor Hans-Uwe L. Köhler bringt auf den Punkt, was echtes Engagement bewirken kann. Oft überwältigen und frustrieren uns die Nachrichten und politischen Schlagzeilen. Manchmal möchte man einfach die Decke über den Kopf ziehen und alles ausblenden. Doch Frust weicht, wenn man ins Handeln kommt. Denn genau hier liegt die Chance: Statt nur zu wollen oder zu hoffen, können wir aktiv werden und die Veränderung selbst in die Hand nehmen.

Es gibt so viele, die das längst erkannt haben. Ehrenamtliches bietet uns die Möglichkeit, unsere Werte in die Tat umzusetzen und aktiv zur Gemeinschaft und zur Demokratie beizutragen. So können wir auch über das Ehrenamt in Rollen schlüpfen, die uns erfüllen – als Helferin, als Vermittler, als Anwältin für wichtige Themen, als Brückenbauer zwischen den Menschen. Und das auf allen Ebenen: Vom Sportverein und der Feuerwehr über Selbsthilfegruppen bis hin zu den Bewegungen für Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit. Die Kraft liegt in der Graswurzelarbeit auf der Mikroebene. So hätte es zum Beispiel ohne engagierte Visionäre das EEG nicht gegeben, wie der SFV in warmer Erinnerung an seinen Gründungsvater zu berichten weiß. Ohne motivierte Bürger und standhafte Bürgerinnen hätte die Photovoltaik politische Hürden nicht überwunden und den Angriffen der fossilen Lobby nicht standgehalten. Die Klimaklage hätte 2021 keinen Erfolg gehabt, wenn nicht überzeugte Aktive für ihr Recht eingetreten wären. Ohne Druck und Engagement von unten, wäre die dezentrale Energiewende niemals da, wo sie heute ist: 

Deutschland hat die Marke von fünf Millionen Photovoltaikanlagen geknackt – ein starkes Zeichen für den Ausbau der Solarenergie. 104 GW Photovoltaik-Leistung sind insgesamt installiert und davon rund 38 % auf Dächern von Eigenheimen. Die Idee der kostendeckenden Einspeisevergütung hat den privaten Betrieb möglich gemacht und ist über das Aachener Modell zum bundesweiten Anwendungsfall und Gesetz geworden. Nachbarschaftskonzepte für PV-Informationen sind heute längst deutschlandweit verbreitet, wie zum Beispiel die „packsdrauf-Solarpartys” des SFV. Komplementär zur Photovoltaik wächst die Windenergie in Bürgerhand mit einer steigenden Zahl an Bürgerenergiegemeinschaften und Genossenschaften.

In Deutschland engagieren sich über 29 Millionen Menschen freiwillig und unentgeltlich für das Gemeinwohl, viele davon aktiv im Kampf gegen die Klimakrise. Dieses Engagement ist ein wirksames Mittel – nicht nur für das Klima, sondern auch gegen Politikverdrossenheit. Es zeigt, dass jede und jeder Einzelne etwas bewirken kann – und dass gemeinsames Handeln die stärkste Antwort auf Frustration und Ohnmacht ist. 


Wir wiederholen uns – seit fast 40 Jahren!

Immer wieder greift der SFV das Thema ehrenamtliches Engagement und die Wirkung der Bewegung an der Graswurzel auf. Doch in letzter Zeit machen sich Frustration und Verunsicherung spürbar breit. Die Politik weiß zwar längst, dass die Klimakatastrophe sofortiges Handeln erfordert, tut es aber nicht. Neue Gesetze schaffen keine Erleichterungen, sondern verkomplizieren private Solaranlagen und verunsichern bei Investitionsentscheidungen. Gleichzeitig wird alles, was die Wissenschaft seit über 50 Jahren zu erklären versucht, durch einseitige Berichterstattung in den Medien und politische Entscheidungen ignoriert oder heruntergespielt. Der aktuelle Koalitionsvertrag von CDU / CSU und SPD beschreibt neue Umwege, um die längst überfälligen Veränderungen in den Sektoren Verkehr und Gebäude, gefällig zu umschiffen. Das Schlimmste sind neue Investitionen in Gaskraftwerke, wie sie die neue Wirtschaftsministerin Katherina Reiche bei Amtsantritt zügig angehen möchte
 

Dorfspaziergang in Lützerath

Abb 1 — Die klimapolitischen Fehlent­scheidungen lassen sich lediglich dadurch erklären, dass die Fossil-Lobby und ihr Einfluss weiterhin immens ist. • 

Diese neuen klimapolitischen Fehlentscheidungen lassen sich lediglich dadurch erklären, dass die Fossil-Lobby und ihr Einfluss weiterhin immens ist. Die Klimakatastrophe wird nicht als das drängendste Problem unserer Zeit erkannt – obwohl es schon seit 2021 ein einschlägiges Urteil des obersten Verfassungsgerichts in Deutschland für klare politische Ziele und Maßnahmen zur Minderung der Treibhausgasemissionen gibt. Schlimmer noch ist, dass die Klimakatastrophe gar nicht erst als solche erkannt werden soll. Christian Stöcker hat dieses Dilemma eindrucksvoll in seinem Buch „Männer, die die Welt verbrennen“ belegt. In Deutschland und weltweit wissen es ultrareiche Fossilplayer, die mit unermesslicher Finanzkraft in einem unvorstellbaren globalen Netzwerk, zu verhindern, dass die notwendige Transformation kommt. Es bleibt, wie Stöcker schreibt, „die Gier gegen die Gerechtigkeit, die Zerstörung gegen die Nachhaltigkeit und der Zynismus gegen die Empathie“.

 

Die Politik sieht Deutschland auf „Klimakurs“

Das inzwischen alte Bundesministerium für Wirtschaft und Klima­schutz schrieb noch im April 2024, dass Deutschland auf „Klimakurs“ sei. Am 15.5.25 veröffentlichte der Expertenrat für Klimafragen einen neuen Prüfbericht. Gemäß seinem gesetz­lichen Auftrag prüft der Expertenrat die Berechnung der Emissions­daten des Vorjahres sowie den in den Projektionsdaten dargestellten Emissionspfad bis zum Jahr 2030. Dabei stellt er fest, ob die Summe der Jahresemissionsgesamtmenge unter- oder überschritten wird.  Im aktuellen Bericht wird die Aussage des ehemaligen BMWK bestätigt, gleichzeitig  fordert der Rat die neue Bundesregierung auf, die Reduktion der Treibhausgas-Emissionen (THG) entschlossener voranzutreiben. Zwar bekenne sich die neue Regierung im Koalitionsvertrag zu den bisherigen klimaschutzpolitischen Zielen, es gehe aber kein nennenswerter positiver Impuls für die im Klimaschutzgesetz festgelegten Ziele aus. So bliebe die Regierung eine Antwort schuldig, wie die THG-Minderungen konkret erreicht werden sollen. Bis spätestens Ende September müssen die Ministerien belastbare Maßnahmen vorschlagen. Aus Sicht des SFV reichen selbst die im Klimaschutzgesetz genannten Ziele nicht aus. Deutschland verfügt über kein Treibhausgasbudget mehr. Die Klimawissenschaft fordert ein sofortiges, deutlich entschlosseneres und massiv beschleunigtes Handeln – halbherzige Maßnahmen sind keine Option mehr. Deshalb hat der SFV 2024 erneut Klage vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht.

Im Januar und wiederholt im April konnte man im EU-Copernicus-Report die dramatischen Entwicklungen nachlesen: 2024 war das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen und das erste Jahr, in dem die globale Jahresdurchschnittstemperatur 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau lag. Die Erwärmung des europäischen Kontinents ist seit den 1980er Jahren doppelt so schnell vorangeschritten, wie der globale Durchschnitt und insgesamt nehmen Häufigkeit und Schwere der extremen Wetterereignisse zu. Damit ist belegt, dass wir das Pariser Klimaziel, die Erderwärmung auf 1,5 °C zu beschränken, längst überschritten haben. 


Bürgerenergiewende und lokales Engagement stärken 

Es wäre vermessen zu glauben, dass allein unser lokales und kleinteiliges, ehrenamtliches Engagement eine reale Chance gegen die globalen klimatischen Entwicklungen oder auch die politischen Machtstrukturen sowie finanzstarke fossile Lobby-Gruppen hätte.

Allein die Bürgerenergiewende ist sicherlich nicht ausreichend und auch lokales Engagement für eine schnelle Abkehr von fossiler Mobilität, Strom- und Wärmeversorgung braucht dringend stabile und förderliche politische Rahmenbedingungen auf der Makroebene. Die Energiewende muss in allen Sektoren des Klimaschutzgesetzes von Wirtschaft und Politik gleichermaßen vorangetrieben und prioritär behandelt werden. 

Und dennoch ist es unerlässlich und erheblich, an der Graswurzel am Ball zu bleiben: Gemeinsam müssen wir weiter der Desinformation zum Thema Klimakatastrophe entgegenwirken und Leugnern entschieden widersprechen. So beschreibt es auch Kerstin Lopau in ihrem Artikel zur Klimakommunikation in diesem Solarbrief. Der Abwertung wissenschaftlicher Fakten und dem kippenden öffentlichen Diskurs mit der Botschaft: „Klimaschutz nervt, kostet, bedroht unseren Lebensstil“ müssen wir entgegnen, dass nicht nur unsere Kinder und Enkel die Leidtragenden der Klimakrise sein werden – auch wir spüren die Folgen längst selbst: Extremwetter, Dürren, Überschwemmungen, Ernteausfälle, Waldbrände. Für dieses Jahr warnen Forschung und Medien vor Dürre und Hitze im kommenden Sommer in Deutschland. Wer hier immer noch nicht bereit ist, die Ursachen zu bekämpfen handelt grob fahrlässig. Wie aber machen wir das gemeinsam Herrn Merz, Frau Reiche und den anderen klar? Die Klimakrise ist kein Zukunftsszenario mehr – sie ist Gegenwart. Und sie ist global. Es hilft nichts, mit dem Finger auf andere zu zeigen – auf Indien, China, die USA. Die Verantwortung beginnt vor der eigenen Haustür. In der eigenen Gemeinde. Im eigenen Alltag.

Diesen Solarbrief widmen wir all jenen Menschen, die den Kopf aus dem Sand ziehen, trotz aller Herausforderungen aktiv werden und den Unterschied machen.

Stefanie Könen

Die Bürgerenergiewende lässt sich nicht stoppen. Fünf Millionen Solaranlagen und fast eine Million Balkonkraftwerke zeigen deutlich, wo es lang geht. Die Bürgerinnen und Bürger sind längst zu Treibern der Energiewende geworden – selbstbewusst und unabhängig. Die Politik macht es ihnen schwer, aber aufzuhalten sind Photovoltaikanlagen und Speicher im privaten Bereich nicht mehr! Diesen Solarbrief widmen wir all jenen Menschen, die den Kopf aus dem Sand ziehen, trotz aller Herausforderungen aktiv werden und den Unterschied machen. Wir bedanken uns bei allen Engagierten, die nicht nur wollen, sondern machen! Danke, dass Ihre Erfolgsgeschichten die Leserinnen und Leser anregen und inspirieren! Wir haben die Erfahrung gemacht und sind überzeugt, dass wir in der Dimension „Graswurzel“ noch viel beeinflussen können, das sich ausbreiten und weitreichende Folgen haben kann. 

Karte mit Energiewende-Aktivitäten

© SFV Abb 2 — Die Karte zeigt diverse Orte, an denen fürs Klima demonstriert, oder eine Genossenschaft gegründet oder eine Solarparty stattgefunden hat.