Über Pläne zur Netzentgelt-Reform
1. Enormen Investitionsbedarf bei der Netzinfrastruktur
1. Enormen Investitionsbedarf bei der Netzinfrastruktur.
Um den wachsenden Anforderungen der Energiewende gerecht zu werden, sind in den kommenden Jahren rund 160 Milliarden Euro für den Ausbau der Übertragungsnetze sowie etwa 200 Milliarden Euro für die Modernisierung und Erweiterung der Verteilnetze erforderlich. Hinzu kommen weitere 160 Milliarden Euro, die die Übertragungsnetzbetreiber in den Aufbau von Offshore-Anbindungen investieren müssen. Diese gewaltigen Summen dürften – abhängig von der künftigen Stromnachfrage und politischen Entscheidungen zur Entlastung der Kosten – spürbare Auswirkungen auf die Netzentgelte haben.
In den kommenden Jahren soll eine Reform der Netzentgelte auf den Weg gebracht werden, um die Kosten des Netzausbaus neu zu verteilen. Dazu hat die Bundesnetzagentur ein Diskussionspapier veröffentlicht, zu dem bis zum 30. Juni 2025 Stellungnahmen abgegeben werden können. Diese sollen im kommenden Jahr in einem konkreten Vorschlag enden.
Hintergrund der Planungen zur Änderung der "Netzentgeltsystematik" ist folgendes: Derzeit zahlen Verbraucher (Haushalte, Industrie und Gewerbe) Netzentgelte hauptsächlich für den Strom, den sie aus dem Netz beziehen. Haushalte mit Solaranlagen, die weniger Strom aus dem Netz entnehmen, zahlen entsprechend weniger, da sie überschüssigen Strom einspeisen oder nur bei geringer eigener Produktion Strom beziehen. Außerdem sinkt die Netzlast in vielen Regionen. Dies führt derzeit effektiv zu einer sinkenden Zahl von Stromverbrauchern als Vollzahler bei gleichzeitig steigenden Netzkosten.
2. Was wird diskutiert?
Was wird diskutiert?
Angesichts der fehlenden politischen Verantwortung für eine konsequente Beschleunigung der Energiewende überrascht es kaum, dass nun ernsthaft erwogen wird, auch Einspeiser mit Netzkosten zu belasten. Die Parallele zu den Jahren 2014 bis 2022 drängt sich auf: Damals schadete die Große Koalition der Energiewende erheblich, indem sie die EEG-Umlage auf Eigenversorgung (“Sonnensteuer”) einführte. Ein solcher Rückschritt darf sich nicht wiederholen.
Die BNetzA stellt unter anderem zur Diskussion, Netzentgelte grundsätzlich auch für die Einspeisung von Strom ins Netz zu erheben und damit neue Finanzierungsquellen für den Netzausbau zu erschließen. Aus unserer Sicht würde ein solcher Weg ein fatales Signal mit weitreichenden Folgen für die Energiewende aussenden: Die Einspeisevergütung würde dadurch faktisch entwertet und die Wirtschaftlichkeit von Solar- und Windkraftanlagen massiv geschwächt. Zur Debatte stehen derzeit verschiedene Modelle zur Beteiligung von Erneuerbare-Energien-Anlagen an den Netzkosten. Diskutiert werden unter anderem:
- eine Umlage auf den Arbeitspreis (verbrauchsabhängig),
- eine Umlage auf den Leistungspreis (leistungsbezogen),
- ein pauschales „Grundnetzentgelt“, das unabhängig vom tatsächlichen Strombezug oder der Einspeisung für den Netzanschluss erhoben wird,
- ein „Kapazitätspreis“, basierend auf der maximalen Anschlussleistung – unabhängig von der tatsächlichen Nutzung oder
- die Einführung eines Baukostenzuschusses.
Auch Stromspeicher stehen auf der Agenda. So könnte der dringend benötigte Ausbau von Speicherinfrastruktur könnte ins Stocken geraten, wenn Speicheranlagen – in ihrer Doppelfunktion als Energieabnehmer und -einspeiser – stärker zur Finanzierung der Netzkosten herangezogen würden. Die Bundesnetzagentur argumentiert hier, dass sowohl beim Bezug aus dem Netz als auch bei der Einspeisung in das Netz eine Netznutzung stattfindet. Diese Netznutzung sei "grundsätzlich genau wie jede andere Nutzung eines vermögenswerten Gutes auch zu bezahlen", heißt es in dem Diskussionspapier der Bonner Behörde. Das ist nicht korrekt, denn damit wird die Stromübertragung doppelt bezahlt. Der Empfänger des Stroms bezahlt ja schon die Netzgebühren, und zwar für die volle Strecke. Wenn der Einspeiser auch noch bezahlt, wird die Stromübertragung doppelt bezahlt. Wir fordern deshalb eindringlich: Keine doppelten Netzgebühren!
3. Für die Energiewende unverhältnismäßig.
3. Für die Energiewende unverhältnismäßig.
Es ist zu befürchten, dass der Ausbau der PV- und Windanlagen noch weiter zurückgedrängt wird, insbesondere bei privaten Einfamilienhäusern, Mehrfamilienhäusern und kleinen Gewerbedächern. Ohne sichere Finanzierungsgrundlagen wird der dezentrale EE-Ausbau zum Erliegen kommen. Eine zusätzliche Netzabgabe für eingespeisten PV-Strom konterkariert nicht nur den finanziellen Vorteil der PV-Anlagenbetreiber, sondern auch den politischen Willen, der hinter der gesetzlichen Einspeisevergütung steckt.
Die geplante Abrechnung von Netzentgelten würde – wie schon einst bei der sogenannten Sonnensteuer – den administrativen, technischen und bürokratischen Aufwand massiv erhöhen. Bereits heute sind die Kontrollvorgaben und die Androhung von Pönalen für Betreiber erneuerbarer Anlagen kaum zumutbar. Eine weitere Verschärfung der Bürokratie ist weder praktikabel noch vertretbar.
Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs zur Kundenanlage bremst zudem technisch und ökologisch sinnvolle Lösungen wie gemeinschaftlich genutzte Quartierspeicher in privaten Netzen zusätzlich aus. Werden für die Einspeisung von Solarstrom in solche Speicher Netzgebühren erhoben, ist die wirtschaftliche Tragfähigkeit dieser Projekte nicht mehr gewährleistet.
Darüber hinaus ist es völlig inakzeptabel, dass die Einspeisung von Strom aus Erneuerbaren Energien künftig mit Netzentgelten, Grundentgelten, Kapazitätspreisen oder ähnlichem belastet werden soll, während fossile Kohle- und Gaskraftwerke weiterhin kostenfrei einspeisen dürfen. Diese Schieflage konterkariert jede glaubwürdige Klimapolitik.
4. Der SFV schlägt folgende Maßnahmen vor
Für die dezentrale Energiewende sind Investitionen in leistungsstarke Verteilnetze unerlässlich. Netzbetreiber in Regionen mit hohem Anteil an Erneuerbaren Energien, die bisher hohe Netzentgelte zahlen, müssen dringend entlastet werden. Wir begrüßen deshalb den Vorschlag, die entstehenden Mehrkosten bundesweit auf alle Stromverbraucher umzulegen. Die prognostizierten Mehrkosten von unter 10 €/Haushalt/Jahr sind moderat.
Zusätzlich schlagen wir vor:
Betreiber von fossilen Kraftwerken sollen deutlich am Ausbau der Stromnetze finanziell beteiligt werden. Die Einspeisung von zentralen Großkraftwerken verursacht einen höheren Verteilaufwand als dezentrale Netzstrukturen.
Netzgebühren sollten sich an der tatsächlichen Transportdistanz des Stroms orientieren. Das bislang praktizierte „Briefmarkenprinzip“, bei dem die Entfernung vom Erzeuger zum Verbraucher keine Rolle spielt, ist überholt. Wir fordern deshalb eine gezielte Entlastung für regional erzeugten Strom, der auch im jeweiligen Netzgebiet verbraucht wird – das ist fair, effizient und stärkt die regionale Energiewende. Die Entfernung des Stroms vom Erzeuger zum Verbraucher sollte eingepreist werden - je näher, desto günstiger.
Alle verfügbaren Flexibilisierungspotenziale müssen konsequent genutzt werden. Dazu zählt der flächendeckende und bürokratisch entschlackte Aufbau einer Speicherinfrastruktur, die nach dem Prinzip der “Zellulären Energieversorgung” zur Versorgungssicherheit und Netzresilienz in den Regionen beiträgt. Intelligente Heimspeicher, bidirektional nutzbare Speicher in der Elektromobilität, Großspeicher für die Primärregelung sowie Sekundärspeicher zur Stabilisierung in Dunkelflauten sind zentrale Bausteine einer zukunftsfähigen Energiewende. Netzentlastendes, die Netzsicherheit stützendes Verhalten muss honoriert werden, Flexibilitäten sollten mit negativen Netzentgelten belohnt werden.
Die Digitalisierung ist das Nadelöhr, um Flexibilitäten zu nutzen. Der Rollout intelligenter Messsysteme in Deutschland soll erst 2032 flächendeckend abgeschlossen sein. Bereits jetzt liegt die Umsetzung hinter dem Zeitplan zurück, insbesondere bei kleineren Messstellenbetreibern. Der Smart-Meter-Rollout muss deshalb dringend beschleunigt werden.
Deutschland hätte bis Ende Mai 2025 die zentralen Vorgaben der überarbeiteten EU-Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III) in nationales Recht überführen müssen – darunter auch die Einführung von „Energy Sharing“. Diese neue Vermarktungsform für erneuerbaren Strom kann maßgeblich zur besseren Abstimmung von Erzeugung und Verbrauch beitragen und gleichzeitig die Verteilnetze entlasten. Der SFV hat bereits vor zwei Jahren mit dem Konzept des „Solaren Nachbarschaftsstroms“ einen konkreten Vorschlag vorgelegt, der nahtlos an die Regelungen zur gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung anschließt. Ebenso gibt es einen weitreichenden Vorschlag vom Bündnis Bürgerenergie e.V., Solar- und Windparks inklusive Speichern in regionale Vermarktungsoptionen des Energy Sharings einzubeziehen. Es ist höchste Zeit, diesen Ansatz gesetzlich zu verankern.
Diese Vorschläge werden wir bei der Bundesnetzagentur in einer Stellungnahme zum Diskussionspapier einbringen.
Die Energiewende braucht keinen Rückschritt, sondern klare politische Weichenstellungen für Dezentralität, Fairness und Zukunftsfähigkeit. Statt neue Hürden zu errichten, muss die Bundesregierung den Ausbau von Solar- und Windenergie, Speichern und regionalen Versorgungsmodellen entschlossen vorantreiben. Wer Einspeiser mit Netzgebühren belastet und fossile Erzeuger verschont, handelt nicht nur energiepolitisch falsch. Die zwingend notwendige Reduktion der Treibhausgase wird behindert.