Vorwort

Die Bundesnetzagentur hat am 12. Mai 2025 ein umfängliches Verfahren zur künftigen Struktur von Netzentgelten eröffnet. Das vorgestellte Diskussionspapier “Rahmenfestlegung der Allgemeinen Netzentgeltsystematik Strom (AgNes)” soll als Grundlage eines Branchendialogs dienen, dessen Ergebnis spätestens 2028 in neuen Regelungen münden soll. Dieses Papier hat bei Energiewende-Freunden bereits jetzt eine Welle der Kritik über den Vorschlag ausgelöst, künftig auch für eingespeisten EE-Strom Netzgebühren oder Baukostenzuschüsse beim Netzausbau zu erheben. Wir unterstützen diese deutliche Kritik der Branche.  

Es folgt unsere Stellungnahme, die wir am 27.6.2025 bei der Bundesnetzagentur eingereicht haben.

1. Zielbild für die Netzentgeltsystematik

a) Klimaschutz-Vorrang

Die Bundesnetzagentur diskutiert vier Dimensionen zur Zielbestimmung des Rechtsrahmens: Kostenorientierung, Anreizfunktion, Finanzierungsbeteiligung und Umsetzbarkeit. Die wesentliche Dimension - die Pflicht zum Klimaschutz - spielt in dieser grundlegenden Diskussion nur eine untergeordnete Rolle. 

In der Abwägung von Zielbildern für eine künftige Struktur von Netzentgelten ist Deutschland verfassungsrechtlich verpflichtet, dem Klimaschutz einen grundsätzlichen Vorrang einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht fasste am 24. März 2021 den Beschluss, dass der Staat die Freiheit und ihre elementaren Voraussetzungen Leben und Gesundheit gegen den Klimawandel schützen muss. Dieses Urteil war ein Meilenstein in der deutschen (und auch internationalen) Rechtsprechung zur Klimapolitik. Seither hat alle Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung den Grundrechtscharakter des Klimaschutzes zu berücksichtigen.  

Dieses Urteil basiert auf der wissenschaftlich fundierten Erkenntnis, dass das Erreichen der Klimaziele, insbesondere die Reduktion von Treibhausgasemissionen, eine präventive Maßnahme gegen irreversible Schäden darstellt. Das Überschreiten ökologischer Kipppunkte (Tipping Points) könnte kaskadierende und unkontrollierbare Folgen für Ökosysteme und menschliche Gesellschaften haben, die weit über die Grenzen des Energiesektors hinausgehen. Ein solcher Vorrang ist somit nicht nur eine ökologische, sondern auch eine ökonomische Notwendigkeit, da die Kosten der Nicht-Handlung im Klimaschutz die Investitionen in die Transformation des Energiesystems bei Weitem übersteigen dürften.

Diese Herangehensweise ist zentraler Inhalt der EU-Verordnung (EU) 2021/1119 („Europäisches Klimagesetz“) vom 30. Juni 2021, in der die rechtlich verbindliche Verpflichtung der Europäischen Union zur Klimaneutralität bis spätestens 2050 festgeschrieben ist. Die Verordnung stellt klar: 

„(11) Angesichts der Bedeutung der Energieerzeugung und des Energieverbrauchs für die Treibhausgasemissionen muss für den Übergang zu einem sicheren, nachhaltigen, erschwinglichen und gesicherten Energiesystem Sorge getragen werden – ein System, das auf dem Einsatz erneuerbarer Energien, einem gut funktionierenden Energiebinnenmarkt und der Verbesserung der Energieeffizienz beruht – bei gleichzeitiger Verringerung der Energiearmut.“ 

Ökonomische Faktoren wie Effizienz oder Marktmechanismen bleiben wichtig, dürfen jedoch nicht als übergeordnete Ziele verstanden werden. Gerade dann, wenn wirtschaftliche Überlegungen, etwa kurzfristige Kosten, dem schnellen Ausbau erneuerbarer Energien oder der Netzstabilität entgegenstehen, ist der Staat in der Verantwortung, unterstützend einzugreifen.

 

b) Regulierung von Netzentgelten: Staat in die Pflicht nehmen

Die Sicherstellung eines stabilen Stromnetzes als Rückgrat einer auf Erneuerbaren Energien basierenden Energieversorgung liegt im überragenden öffentlichen Interesse. Deshalb ist es eine staatliche Aufgabe, durch Investitionen, Förderprogramme oder regulatorische Maßnahmen den systemischen Umbau zu einer vollständig erneuerbaren Energieversorgung aktiv zu unterstützen und ggf. zu finanzieren. 

Die Lösung von Zielkonflikten in der Energiepolitik erfordert eine strategische Neuausrichtung der Betrachtung und Finanzierung der Stromnetzinfrastruktur. Diese sollte grundsätzlich als elementarer Bestandteil der staatlichen Daseinsvorsorge und Vorsorgepflicht begriffen werden, analog zu anderen kritischen Infrastrukturen.

Vor diesem Hintergrund ist es aus unserer Sicht unerlässlich, die Thematik der Netzentgelte nicht länger ausschließlich als originäre regulatorische Aufgabe der Bundesnetzagentur zu verstehen. Vielmehr bedarf es dringend einer politischen Intervention und Neuordnung durch den Gesetzgeber, idealerweise noch vor dem Jahr 2028. Die Sicherstellung stabiler und robuster Netze ist von prioritärer Bedeutung für die Beschleunigung der Energiewende.

Infolgedessen müssen (klima)politische Zwecke in Entscheidungen zur Kostentragungspflicht der Netzentgelte explizit Berücksichtigung finden. Dies bedeutet eine Abkehr von einer rein kostenorientierten Allokation hin zu einer verursachergerechten und anreizbasierten Verteilung, die die externen Kosten internalisiert und den systemischen Nutzen unterschiedlicher Energiequellen berücksichtigt.

 

c) Berücksichtigung fossiler Kraftwerke

Es liegt auf der Hand, dass unflexible, fossile Kohlekraftwerke in besonderem Maße an der Finanzierung von Netzgebühren beteiligt werden sollten. Ihre Betriebsweise und ihre Rolle im Stromsystem sind zunehmend inkompatibel mit den Anforderungen einer dezentralen und volatilen erneuerbaren Energieerzeugung. Deren hohe Emissionen und die Notwendigkeit von Netzausbau zur Integration flexiblerer Alternativen rechtfertigen eine höhere Kostenbeteiligung.

Ebenso ist der wirtschaftliche Betrieb fossiler Gaskraftwerke im zunehmenden Ausbaustadium Erneuerbarer Energien (EE) nicht mit der EE-Einspeisung kompatibel. Während Gaskraftwerke kurzfristig zur Netzstabilität beitragen können, insbesondere als Back-up für Erneuerbare Energien, sind ihre Emissionen weiterhin hoch. Eine höhere Beteiligung an den Netzkosten bei der Durchleitung von fossilem Gas-Strom ist daher verursachergerecht und verstärkt zudem den Anreiz zur Umstellung auf Wasserstoff oder andere emissionsfreie Technologien. Dies schafft eine stärkere finanzielle Anreizstruktur für die Transformation des Energiesystems hin zu klimaneutralen Lösungen.

 

d) Mangelnde Honorierung dezentraler und klimafreundlicher Erzeugung

Es ist inakzeptabel, wenn Erzeuger, die regional klimafreundlichen Strom in das Netz einspeisen, keine adäquate Entlastung erfahren, sondern mit den gleichen Netzentgelten wie andere Marktteilnehmer belastet werden. Diese Akteure tragen maßgeblich zur Entlastung und Resilienz der lokalen Netze bei, da Erzeugung und Verbrauch aufeinander abgestimmt werden können. Dieser Umstand sollte entsprechend honoriert werden. Es fehlt bislang eine zielgerichtete Lenkungswirkung, die klimafreundliche Technologien und netzdienliche Verhaltensweisen – wie den netzdienlichen Eigenverbrauch und den netzdienlichen Betrieb von Speichern – finanziell belohnt. Das gegenwärtige System versäumt es, Klimaschutz und die Resilienz des Energiesystems adäquat in die Verteilungslogik der Netzentgelte zu integrieren.

Dieser Missstand ist gravierend, da die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende maßgeblich von Rahmenbedingungen abhängt, die Anreize für dezentrale, nachhaltige und netzstabilisierende Lösungen schaffen, anstatt sie durch unnötige Kosten zu belasten. Die aktuellen Vorschläge im Diskussionspapier wirken in diesem Zusammenhang kontraproduktiv, denn sie fördern eine solche Dezentralität nicht. Wir fordern deshalb eine umgehende Reform der Netzentgelte in Hinblick auf die dezentrale Energiewende. Diese Reform muss Transparenz mit einer echten Energiewende-Gerechtigkeit verbinden. Dabei dürfen die Lasten nicht zu Lasten der Erneuerbaren gehen, damit der zwingend notwendige Umbau und die Stabilisierung unseres zukünftigen Energiesystems zu fördern. Eine solche Reform sollte Anreize für eine stärkere Nutzung und den Ausbau dezentraler Erneuerbarer-Energien-Anlagen sowie für netzdienliches Verhalten schaffen und damit aktiv zur Effizienz und Resilienz des gesamten Systems beitragen.

2. Anpassungsoption - Beteiligung der Einspeiser

Im Diskussionspapier wurde als einer der Gründe, warum eine Beteiligung von Einspeisern bei den Netzentgelten begründet sei, dargelegt, dass damit ein monetärer Anreiz bestehe, Netzanschlussbegehren von EE-Anlagen schneller umzusetzen.

Nach § 8 Abs. 1 EEG 2023 sind Netzbetreiber allerdings schon jetzt gesetzlich verpflichtet, Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien unverzüglich und vorrangig an einem Netzverknüpfungspunkt anzuschließen, der hinsichtlich der Spannungsebene geeignet ist und die kürzeste Luftlinienentfernung zum Standort der Anlage aufweist. Wenn Netzbetreiber nur aufgrund finanzieller Anreize oder drohender Strafen schneller und verlässlicher beim Netzanschluss agieren würden, käme das einer strukturellen Verweigerungshaltung gleich. Der Anschluss ans Stromnetz sollte nicht von ökonomischen Anreizen getrieben sein, sondern ist in erster Linie eine gesetzlich verankerte Pflichtaufgabe. Schließlich müssen alle Akteure der Energiewende – von großen Industrieanlagen bis hin zu kleinen Photovoltaikanlagen auf Einfamilienhäusern – an das Netz angeschlossen werden, um ihren Beitrag zur Energieversorgung leisten zu können.

In der Praxis erleben wir jedoch häufig, dass die Erfüllung dieser Pflicht mit erheblichen Verzögerungen und mangelnder Transparenz einhergeht. Das führt zu Frustration, zu materiellen Nachteilen und unnötigen Hürden für diejenigen, die in erneuerbare Energien investieren wollen.

In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass Betreiber von EE-Anlagen gemäß § 52 EEG 2023 mit empfindlichen Pönalen rechnen müssen, wenn sie Melde- oder technische Vorgaben nicht fristgerecht erfüllen. Oft trifft dies energiewirtschaftliche Laien, die sich mühsam durch komplexe Vorschriften kämpfen. Diese einseitige Bestrafung offenbart eine strukturelle Ungleichbehandlung.

Die entscheidende Frage ist daher: Sollte der Gesetzgeber nicht vielmehr gefordert sein, eine klare Handhabe gegenüber Netzbetreibern zu etablieren? Wir schlagen daher außerhalb der Netzentgelt-Regulierung vor, deutliche Pönalen und die Übernahme von Ertragsausfällen für verspätete oder mangelhafte Netzanschlüsse festzuschreiben. So sind inzwischen Fälle bekannt, wo Anlagenbetreiber mehr als ein Jahr lang vergeblich mit dem Netzbetreiber kommunizieren, um eine korrekte Erfassung von Einspeise- und Verbrauchswerten und deren Übermittlung an den Stromanbieter zu erwirken. Eine solche Regelung würde sicherstellen, dass die Lasten und Verantwortlichkeiten im Energiewendesystem gerechter verteilt sind und alle Akteure gleichermaßen zur schnellen und zuverlässigen Umsetzung beitragen.

3. Anpassungsoption - Beteiligung der Einspeiser: Einspeiseentgelte

a) Keine Netzgebühren für die Einspeisung dezentraler Erzeugungsanlagen 

Die Wirtschaftlichkeit von Photovoltaikanlagen wird heute maßgeblich durch den Eigenverbrauch des erzeugten Stroms bestimmt. Der finanzielle Anreiz hierfür ist evident: Wer seinen Strom selbst nutzt, vermeidet die hohen Netzentgelte, die beim Bezug aus dem Netz anfallen. Diese Ersparnis ist ein entscheidender Pfeiler für die Rentabilität von PV-Anlagen. Entsprechend würden Einspeiseentgelte – also Gebühren für die Einspeisung von erzeugtem Solarstrom ins Netz – die Gesamtwirtschaftlichkeit systematisch untergraben. Besonders gravierend wäre dies im Segment der PV auf Mehrparteienhäusern, wo die Schaffung von Eigenverbrauchsgemeinschaften ohnehin schon komplex ist. Ein derartiges Signal würde den dringend benötigten Ausbau dezentraler Solaranlagen, insbesondere im Segment bis 1 MW, deutlich ausbremsen sowie negative Auswirkungen auf die Wärmeversorgung mithilfe unterstützender Solarstromerzeugung generieren. Bereits der Start eines Branchendialogs und vorgestellte Idee zur Festlegung von Einspeise-Netzentgelten hat öffentlichen Protest ausgelöst und zu spürbarer Verunsicherung geführt: Aus Angst vor rückwirkenden Kürzungen zögern Investoren, was den PV-Markt bereits jetzt belastet.

 

b) Hände weg vom Bestand!

Bestehende Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien müssen aus Gründen des Bestandsschutzes grundsätzlich unangetastet bleiben. Diese wurden seinerzeit auf Grundlage der Regelungen des jeweils gültigen Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), dem dort festgeschriebenen 20-jährigen Vergütungsanspruch und der vom Netzbetreiber vereinbarten Netzanschlusszusage investiert. Es ist daher nicht gerechtfertigt, die Betreiber dieser Anlagen bei zukünftigen Risiken zur Kasse zu bitten, da dies eine unzulässige rückwirkende Belastung darstellen würde.

 

c) Doppelte Belastung unzulässig

Die aktuelle diskutierte Neustrukturierung der Netzentgelte in Deutschland wirft auch eine kritische Betrachtung bezüglich der doppelten Belastung von Stromerzeugern und insbesondere Speichern auf. Eine Beteiligung der Einspeiser an den Netzentgelten käme einer doppelten Abgabe auf dieselbe Sache gleich. Denn für den eingespeisten Strom werden ja vom Empfänger des Stroms Netzentgelte entrichtet. Einer solchen doppelten Abgabe ist allein aus Gründen der allgemeinen Gerechtigkeit eine entschiedene Absage zu erteilen.

Denn konkret bedeutet dies, dass Einspeiser wie Betreiber von Photovoltaikanlagen für den ins Netz eingespeisten Strom Netzentgelte zahlen, und dass derselbe Strom dann beim Abnehmer erneut mit diesen Gebühren belegt wird. Noch gravierender stellt sich die Situation für Stromspeicher dar, da hier eine mehrfache Belastung droht: einmal beim Bezug des Stroms aus dem Netz zur Speicherung und dann erneut beim Ausspeichern ins Netz und beim Endabnehmer.

Die rechtliche Zulässigkeit dieser doppelten Abgabe muss dringend erörtert werden. Aus einer energiewirtschaftlichen Perspektive wäre diese Regelungs besonders kontraproduktiv, gerade wenn man die Dringlichkeit der Integration netzgeführter Stromspeicher in unser Versorgungsnetz betrachtet. Speicher sind essentiell, um die schwankende Natur Erneuerbarer Energien auszugleichen und die Netzstabilität zu gewährleisten. Eine zusätzliche finanzielle Bürde durch doppelte Netzentgelte würde die Wirtschaftlichkeit solcher Anlagen erheblich mindern und somit Investitionen in diese unverzichtbare Technologie ausbremsen. Das stünde im direkten Widerspruch zu den Zielen der Energiewende, die eine schnellere und effizientere Einbindung von Speichern erfordert. Daher ist es unerlässlich, eine faire und zukunftsfähige Lösung für die Netzentgeltsystematik zu finden, die Anreize schafft statt Hemmnisse aufbaut.

Vor diesem Hintergrund lehnen wir die Einführung eines Einspeise-Arbeitspreises, eines Grundpreises oder eines Kapazitätspreises für eingespeisten Strom aus erneuerbaren Energien ausdrücklich ab. 

 

d) “Briefmarken-System” bei Berechnung der Netzgebühren weiterentwickeln

Solange keine regional differenzierten und netzbezogenen Preissignale existieren, können die aktuellen Einspeiseentgelte keine sinnvolle Lenkungswirkung entfalten. Das Problem ist, dass es derzeit an transparenten Informationen darüber mangelt, wo die Netzinfrastruktur tatsächlich überlastet ist oder wo zusätzliche Einspeisung netzstabilisierend wirken würde.

Eine undifferenzierte Erhebung von Entgelten nach dem “Briefmarken-System”, bei dem unabhängig von der lokalen Netzsituation und der Netzentfernung eine Abrechnung erfolgt, verfehlt ihr Ziel daher grundlegend. Sie schafft keinen Anreiz für ein standort- oder betriebsbezogen netzdienliches Verhalten. Im Gegenteil, sie kann Investitionen in Erneuerbare Energien an netztechnisch sinnvollen Standorten sogar unattraktiv machen.

Um hier eine effektive Lenkungswirkung zu erzielen, schlagen wir vor, dass die Netzgebühren mit zunehmender Entfernung zwischen Erzeugung und Verbrauch steigen sollten. Dieses Prinzip würde dazu führen, dass regionale Nähe belohnt wird: Strom, der nah am Verbrauchsort erzeugt wird, würde geringere Netzentgelte verursachen. Dies fördert den Ausbau dezentraler Erzeugungsanlagen dort, wo der Strom auch tatsächlich gebraucht wird, und reduziert Transporte über weite Strecken. Investitionen in Erneuerbare Energien in netzschwachen oder netzfernen Regionen, die eine aufwändige Netzanbindung erfordern, würden sich über höhere Netzentgelte widerspiegeln. Um die Netzanbindung für Verbraucher und erneuerbare Energieanlagen zu verbessern, die Nutzung von Ökostrom in Industriegebieten voranzutreiben und integrierte Kraftwerke (Wind, Freiflächen-PV und Speicher) zu entwickeln, sollte der Staat Finanzierungshilfen anbieten. 


e) Statt Belastung: Flexibilität als Schlüssel zur Netzstabilität und Energiewende

Ein zentraler Baustein hierfür ist der flächendeckende und bürokratisch entschlackte Aufbau einer Speicherinfrastruktur. Diese sollte dem Prinzip der „Zellulären Energieversorgung“ folgen. Dabei handelt es sich um ein Konzept, bei dem dezentrale Energieerzeugung, -speicherung und -verbrauch in kleineren, flexiblen Einheiten (Zellen) organisiert werden, die sowohl autark als auch vernetzt agieren können. Dies trägt maßgeblich zur Versorgungssicherheit und Netzresilienz in den Regionen bei, indem es lokale Überschüsse speichert und Engpässe abfedert.

Speicherlösungen:

Intelligente Heimspeicher: Diese ermöglichen den Eigenverbrauch von selbst erzeugtem Solarstrom und können bei Bedarf auch netzdienlich eingesetzt werden, indem sie Strom speichern, wenn das Netz überlastet ist, und abgeben, wenn er benötigt wird (Fraunhofer ISE, 2024, HTW Berlin, 2025). Diese Betriebsweise sollte gefordert werden.

Bidirektional nutzbare Speicher in der Elektromobilität: Elektrofahrzeuge mit Vehicle-to-Grid (V2G)-Fähigkeiten können ihre Batterien nutzen, um Strom ins Netz zurückzuspeisen oder aus dem Netz zu ziehen, je nach Bedarf. Sie stellen somit eine immense mobile Speicherressource dar, die zur Netzstabilisierung beitragen kann. 

Großspeicher für die Primärregelung: Batteriegroßspeicher können innerhalb von Millisekunden auf Frequenzschwankungen im Netz reagieren und sind damit essentiell für die Aufrechterhaltung der Netzstabilität.

Sekundärspeicher zur Stabilisierung in Dunkelflauten: Längerfristige Speicherlösungen, wie z.B. Power-to-Gas-Anlagen mit Wasserstoffspeicherung oder Redox-Flow-Batterien, werden benötigt, um längere Perioden mit geringer Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen (sogenannte Dunkelflauten) zu überbrücken und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Hierzu wird ein entsprechendes Markanreizprogramm gefordert.

Aus unserer Sicht ist es zwingend, bundesweite (Anreiz-)Regelungen für den netzdienlichen Betrieb von  Speichern festzuschreiben. 

 

f) Energy Sharing: Lokale Vermarktung ausbauen

Auch Energy-Sharing, sofern richtig genutzt, kann die Stromnetze maßgeblich entlasten. Die Elektrizitätswerke Schönau (EWS) haben in einer Studie vom Dezember 2024  herausgearbeitet, dass lokale Stromgemeinschaften Anreize für netzdienliches Verhalten schaffen, indem sie Erzeugung und Verbrauch regional besser aufeinander abstimmen. Dies funktioniert besonders gut, wenn auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie reine Verbraucher teilnehmen und ein enger Lokalitätsbezug besteht. Wird Energy Sharing mit zeitvariablen Netzentgelten kombiniert, so EWS, steigt die Netzdienlichkeit signifikant an. Dies führt zu einer effizienteren Verteilung von Überschüssen und entlastet höhere Netzebenen.

Modelle für Nachbarschaftsstrom nach SFV-Vorschlag und das Modell von BBEn und DRGV zum Energy Sharing sind demnach ebenso geeignet, zur Entlastung der Netze beizutragen, die Netzstabilität zu erhöhen und die Bürgerbeteiligung anzukurbeln. Entscheidend hierfür sind intelligente Steuerung, flexible Tarife und ein konsequenter Ausbau von Speichern. 

Der Gesetzgeber ist dringend aufgefordert, Energy Sharing in deutsches Recht zu überführen. Die Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU (RED II) hat das bereits 2019 festgeschrieben.
 

g) Anreiz: Netzausbau durch netzentlastendes Verhalten reduzieren

Netzentlastendes und die Netzsicherheit stützendes Verhalten müssen finanziell honoriert werden. Das aktuelle System der Netzentgelte schafft hier noch keine Anreize. Wir brauchen eine Reform, die nicht nur die Kosten von Netznutzung berücksichtigt, sondern auch den Nutzen für das System, den einzelne Akteure generieren.

Hierzu zählt die aktive Förderung von Speicherkapazitäten. Dies geht über eine reine Entlastung bei Netzentgelten hinaus: Betreiber von Speichern, die ihre Flexibilität dem Energiesystem zur Verfügung stellen, sollten nicht nur von Netzentgelten befreit, sondern finanziell dafür entlohnt werden. Konkret bedeutet das: Wenn das Stromnetz aufgrund eines Überangebots an Erneuerbaren Energien überlastet ist und die Strompreise ins Negative fallen, können Speicher den Überschuss aufnehmen. Anstatt die überschüssige Energie abzuregeln, könnte dieser Speichereinsatz vom Netzbetreiber vergütet werden. Auch Lasten, die ihren Verbrauch flexibel an das Angebot anpassen können (z.B. große Industrieprozesse, die sich bei viel Windstrom hochfahren lassen), sollten für diesen Beitrag zur Netzstabilisierung belohnt werden.

Ein solches System würde einen starken Anreiz schaffen, in flexible Technologien zu investieren und diese netzdienlich zu betreiben. Dies macht die gesamte Energiewende effizienter und kostengünstiger, da teure Netzausbauten teilweise vermieden und bestehende Infrastrukturen optimaler genutzt werden können.

4. Anpassungsoption - Beteiligung der Einspeiser: BKZ für Einspeiser

Wir lehnen es ab, EE-Erzeugern grundsätzlich Baukostenzuschüsse (BKZ) aufzubürden. Die Annahme, ein BKZ könnte ein wirksames Preissignal zur Begrenzung der nachgefragten Netzanschlusskapazität setzen, greift zu kurz und verkennt die klimapolitischen Notwendigkeiten des EE-Ausbaus. Eine solche Maßnahme würde den Ausbau der Erneuerbaren Energien, der für das Erreichen der Klimaziele essentiell ist, unnötig einschränken und verteuern.

Ein BKZ orientiert sich in aller Regel an der Anschlussleistung und nicht an der tatsächlichen Netzbeanspruchung im laufenden Betrieb. Daher fehlt ein wirksamer Anreiz für eine flexible, netzdienliche Betriebsweise, beispielsweise durch den Einsatz von Speichern, intelligenter Steuerung oder marktgestützter Einspeisung (negative Strompreise). Selbst eine regionale Differenzierung von BKZ würde keine netzdienliche Allokation sicherstellen. Der Hauptgrund hierfür ist, dass Erzeuger keine verlässlichen und transparenten Informationen über den Netzzustand, verfügbare Kapazitäten oder Engpässe erhalten. Ohne diese Informationen können rationale Entscheidungen über den optimalen Standort und die Betriebsweise einer Anlage kaum getroffen werden.

Statt pauschaler Belastungen sollten vielmehr gezielte ökonomische Anreize für Investitionen in Speichertechnologien angeboten werden, insbesondere in Regionen, in denen eine höhere Einspeisekapazität als der lokale Verbrauch gewünscht oder notwendig ist, also insbesondere in netzschwachen oder netzfernen Gebieten. Solche Anreize würden dazu beitragen, Netzengpässe zu reduzieren und die Integration fluktuierender EE-Anlagen zu optimieren, ohne den Ausbau zu behindern.

In diesem Zusammenhang erinnern wir an § 17 Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), wonach der Netzbetreiber die Kosten der Optimierung, der Verstärkung und des Ausbaus des Netzes trägt. Zur Optimierung des Netzes zählt nach unserer Rechtsauffassung auch, Speicher im Stromnetz netzdienlich zu betreiben. Der SFV hat hierzu erstmals 2018 einen Vorschlag zum SFV-SMARD vorgestellt, der auch im Rahmen eines staatlichen Baukostenzuschusses in den Aufbau von Speicher-Infrastruktur führen kann (https://www.sfv.de/artikel/markteinfuehrung_fuer_speicher_mit_einem_neuen_speichermarkt-design_smard).

5. Anpassungsoption - Dynamische Netzentgelte

Besonders im Bereich der Großverbraucher können dynamische Netzentgelte einen Anreiz schaffen, den Verbrauch in Zeiten geringerer Netzauslastung zu verlagern. Das ist eine klassische Win-Win-Situation: Großverbraucher profitieren von günstigeren Konditionen, während gleichzeitig Lastspitzen im Netz reduziert werden. Dies führt zu einer effizienteren Nutzung der bestehenden Infrastruktur und kann teuren Netzausbau minimieren.

Für End- und Kleinverbraucher ist die Situation aktuell schwierig. Obwohl dynamische Strompreise bereits möglich sind, würden zusätzliche dynamische Netzentgelte die Stromrechnung weiter verkomplizieren. Es besteht ein hohes Risiko, dass diese Komplexität eher abschreckend wirkt, anstatt Verbraucher zu einem angepassten Verhalten zu motivieren.

Wenn man dieser Problemlage folgt, führen konstante Netzentgelte für End- und Kleinverbraucher dazu, den dynamischen Strompreis zu verwässern. Dadurch kommen die Schwankungen der Börsenpreise kaum beim Endkunden an, was die Lenkungswirkung für Flexibilitätspotenziale minimiert. Wenn die Netzentgelte jedoch diesen Schwankungen folgen würden, würde die Dynamik des Strompreises auch für den "normalen" Endkunden spürbarer und somit attraktiver für flexible Reaktionen. Wenn dynamische Strompreise und dynamische Netzentgelte gleichsam angeboten und genutzt werden sollen, muss das System allerdings transparent und zugänglich gestaltet werden. Ein zusätzlicher Aufwand von Mess- und Verwaltungskosten darf die finanziellen Anreize nicht übersteigen.

Eine vielversprechende Ausnahme bilden auch hier Speichertechnologien, insbesondere wenn sie preiswert und netzdienlich gesteuert werden können. Wenn Speicher nach einer einmaligen Parametrierung ohne weitere Nutzereingriffe mit den passenden Steuersignalen aus dem Netz arbeiten, können sie den Stromverbrauch optimal an die Netzauslastung anpassen. Für den Prosumer bedeutet das maximale Bequemlichkeit: Der Strom kommt einfach aus der Steckdose, und es müssen keine Gedanken darüber gemacht werden, aus welcher Quelle oder zu welchem Netzentgelt der Strom gerade bezogen wird. Das alles ist noch Zukunftsmusik, sollte allerdings Teil der Überlegungen zur Stabilisierung und Finanzierung der Stromnetze sein.

Unser Ziel muss es sein, die Energiewende für alle Bürgerinnen und Bürger zugänglich und einfach wie möglich zu gestalten. Dieses Ziel zu erreichen, erschließt ein beträchtliches Investitionspotenzial. Allein die Geldmenge (Bargeld und Girokonten) zeigt, welche Summen theoretisch in erneuerbare Energien und Speicherlösungen fließen könnten. Wenn wir es schaffen, diese Investments durch einfache, motivierende Prozesse optimal anzureizen und zu heben, könnte das die öffentlichen Haushalte erheblich entlasten.