Das Urteil ist ein Meilenstein in der deutschen Rechtsprechung und eine schallende Ohrfeige für die klimapolitische Untätigkeit der Bundesregierung. Aber es ist dennoch nur ein Teilerfolg. So legt die Feststellung des Gerichts, dass der Staat eine „objektivrechtliche Schutzverpflichtung auch in Bezug auf künftige Generationen“ habe, einen wichtigen Rahmen fest, der in Zukunft aber noch mit Inhalten gefüllt werden muss. Denn die Einschätzung des Gerichts zu der Frage, ob die derzeitige Klimagesetzgebung zu einer Verletzung grundrechtlicher Schutzpflichten führe, ist noch inkonsistent. 

Das BVerfG argumentiert im Hinblick auf das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit: „Die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgende Schutzpflicht des Staates umfasst auch die Verpflichtung, Leben und Gesundheit vor den Gefahren des Klimawandels, etwa vor klimabedingten Extremwetterereignissen wie Hitzewellen, Wald- und Flächenbränden, Wirbelstürmen, Starkregen, Überschwemmungen, Lawinenabgängen oder Erdrutschen, zu schützen.“ Dann bekennt es aber: „Eine Verletzung dieser Schutzpflichten lässt sich angesichts des dem Gesetzgeber bei der Erfüllung zukommenden Spielraums nicht feststellen.“ Dies ist angesichts der Häufung von klimawandelbedingten „Natur“-Katastrophen in den letzten 20 Jahren nicht überzeugend.

Das BVerfG hat außer Betracht gelassen, welche Beeinträchtigungen der Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2, 2 GG) oder auf Eigentum (Art. 14, 1 GG) schon heute durch die anthropogene Erderhitzung stattfinden. Der zugrunde gelegte Gedanke eines „CO2-Budgets“ unterstellt, dass noch beträchtliche Mengen an Kohlendioxid ausgestoßen werden dürfen. Diese Annahme ist jedoch durch die Entwicklung des globalen Klimas überholt. Positive Rückkoppelungen wie die Methanfreisetzungen durch auftauende Permafrostböden oder die Albedo-Verringerung durch schmelzendes Inlandeis zeigen, dass die Lage wesentlich dramatischer ist, als das BVerfG in seiner Urteilsbegründung annimmt.

Die Rechtsprechung bedarf also auch jetzt noch der Weiterentwicklung. Der Teilerfolg des heutigen Tages gibt uns aber Ansporn, die juristische Auseinandersetzung als wichtiges Element unserer Bemühungen um Klimarettung weiter zu forcieren. Daneben gibt das Urteil auch Rückenwind für unsere Aktivitäten auf der parlamentarisch-politischen Ebene. Im September wird ein neuer Bundestags gewählt. Ein Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, der auf Twitter heute in völliger Loslösung von der Realität das BVerfG-Urteil als Bestätigung seiner Politik liest, sollte danach nicht mehr in einem derart wichtigen Amt verbleiben können.