Stromkreisbilanzmodell: Ein Booster für die kommunale Solarstromerzeugung

© Lambertz, Stadt Aachen | Abb 1 — Kita Sandhäuschen: 29,9 kWp Anlagengröße; 30.835 kWh Stromertrag und 17.977 kWh eigener Stromverbrauch in 2023 •
Zahlen aus Aachen
Der gesamte Stromverbrauch der Stadt Aachen beläuft sich auf etwa 24 Millionen kWh pro Jahr, verteilt auf 675 Liegenschaften und insgesamt 883 Objekte. Dabei nehmen Verwaltungsgebäude, Schulen, Schwimmhallen und kulturelle Einrichtungen einen großen Teil ein. Zusätzlich zählen Kindergärten, Feuerwehrstationen, Friedhöfe und Wohngebäude zu den Verbrauchern. Auf den Dächern dieser Objekte liegt ein enormes Potenzial für die Solarenergie. Analysen zeigen, dass bei vollständiger Nutzung der geeigneten kommunalen Flächen eine installierbare Photovoltaik-Gesamtleistung von 13.839 kWp möglich wäre. Aktuell sind jedoch lediglich 64 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 2.034 kWp in Betrieb, was bedeutet, dass die Leistung noch um mehr als das Sechsfache gesteigert werden könnte. Die potenzielle jährliche CO2-Reduktion ist beeindruckend: Mit einer installierten Gesamtleistung von 13.839 kWp könnte die Stadt Aachen jährlich rund 6.600 Tonnen CO2 einsparen. Dies entspricht etwa 8,6 % der erforderlichen jährlichen Reduktionsmenge von 76.850 Tonnen CO2, die für die Stadt Aachen angestrebt wird.

© Lambertz, Stadt Aachen | Abb 2 — Analyse und Abgleich der Daten aus Strombezugs-Lastgängen und solaren Erzeugungspotentialen der Stadt Aachen •
Zusammenspiel zwischen Solarstromerzeugung und Eigenbedarf
Der Vergleich der Daten aus dem Jahr 2019 ergab, dass der Lastgang, also die viertelstündlich gemessenen kW-Werte des Stromverbrauchs, überwiegend durch die Photovoltaik-Erzeugung gedeckt werden könnte. Würde der erzeugte Solarstrom, der vor Ort zeitgleich nicht benötigt wird, an anderer Stelle im Netz bereitgestellt, könnte eine kaufmännische bilanzielle Verrechnung realisiert werden. Die Stadt Aachen stellte sich den Herausforderungen und reichte beim Hauptzollamt einen Antrag ein, als Stromversorger anerkannt zu werden. Dieser wurde 2022 genehmigt. Dadurch hat die Stadt Aachen die Erlaubnis, Strom innerhalb ihrer Liegenschaften zu verrechnen. Für den ausschließlich erneuerbar erzeugten Strom erfolgt eine Stromsteuerbefreiung von 2,05 Cent je Kilowattstunden, wenn durch eine viertelstündliche Messung der Einspeisung und des Verbrauchs nachgewiesen wird, dass exakt die gleiche Menge Solarstrom durch das öffentliche Netz geflossen ist. Zudem reduziert sich auch die zu zahlende Umsatzsteuer auf die Stromsteuer. Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung ist, dass:
- die Verbrauchsstellen innerhalb eines Abstands von 4,5 km zur Stromerzeugungsanlage liegen,
- eine viertelstündlich genaue Bilanzierung erfolgt.
Mit steigenden Strompreisen wird die Einsparung größer und damit auch wirtschaftlicher. Zu Beginn des Projektes lag die Einsparung der Strombilanzierung bei 8,51 ct/kWh. Im Jahr 2024 ist sie auf 18,50 ct/kWh gestiegen. Für die Aachener ist neben der Wirtschaftlichkeit ebenso wichtig, dass der Klimaschutz durch diese Maßnahmen vorangetrieben wird. Denn die Stadt hat sich auf die Fahnen geschrieben, bis 2030 klimaneutral zu sein.
Die Idee des kommunalen Energy Sharing fand seit 2018 – als die Vorreiter aus dem Main-Taunus-Kreis erfolgreich waren – in vielen anderen Städten Deutschlands Beachtung. In Greifswald wurde beschlossen, das Strombilanzkreismodell zu prüfen, ebenso in Lörrach, Bad Soden, Eisenach und Kitzingen. Herr Lambertz aus Aachen erhielt Vortragsanfragen aus Bochum, Dortmund, Kiel, Hannover, Hagen, Bonn und zahlreichen weiteren Städten. All dies deutet auf eine vielversprechende Erfolgsgeschichte hin.
Es ist ausgezeichnet, dass eine gute Idee bundesweit Nachahmer findet. Allerdings trifft sie überall auf unterschiedliche Ausgangssituationen. In Aachen musste die Stadt schnell erkennen, dass viele der geeigneten Dächer zunächst saniert werden müssen, was Zeit in Anspruch nimmt. Auch die verpflichtende Ausschreibung der Elektroinstallationen für die Solaranlagen auf städtischen Gebäuden verzögert den Fortschritt. Der Fachkräftemangel trägt zusätzlich zur Verlangsamung des Prozesses bei, sodass Aachen noch lange nicht das erreicht hat, was sich die Stadt vorgenommen hat. Dennoch geht es voran, und das von den Verantwortlichen gern als neues „Aachener Modell“ beschriebene Konzept überzeugt auf ganzer Linie! Das erste „Aachener Modell“ war übrigens die Idee der kostendeckenden Vergütung für Solarstrom, die nicht minder erfolgreich war. Sie wurde von uns, dem Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV), bereits 1989 vorgetragen und 2000 im Erneuerbaren-Energien-Gesetz umgesetzt.