Viele Solaranlagen, die in den 90er und 2000er Jahren installiert wurden, stehen vor dem Abbau – obwohl sie oftmals technisch noch voll funktionsfähig sind. Anstatt sie direkt dem Recycling zuzuführen, setzen einige Menschen auf Ideen der Kreislaufwirtschaft: Re-Use, Second-Hand oder Upcycling. Wir haben uns umgeschaut und einige inspirierende und kreative Ideen gefunden.

„Kennt ihr vom SFV nicht zufällig jemanden, der noch was mit meiner Ü20-Anlage anfangen kann?“ – so eine Anfrage landet öfter im SFV-Postfach, wenn unsere Mitglieder es zu schade finden, funktionierende Solarmodule zu entsorgen. Obwohl die Recyclingverfahren in Deutschland gut ausgereift sind und über 80 % der Materialien von PV-Anlagen wieder zurückgewonnen werden, können wir solche Anliegen verstehen. Nicht umsonst kommen in der Kreislaufwirtschafts-Rangordnung1 viele Optionen vor dem Recycling, unter anderem: Reduce (Reduzieren), Reuse (Wiederverwenden), Repair (Reparieren), Refurbe (Verbessern), und auch Repurpose bzw. Upcycling (anders weiter nutzen). Die Materialflüsse zu verlangsamen und Produkte so lange wie möglich zu nutzen, ist für einen verantwortlichen Ressourcenumgang genauso wichtig wie eine effektive Wiederverwertung der eingesetzten Ressourcen am Lebensende von Gütern. Anders ausgedrückt: Wenn Solarmodule noch funktionieren, ist es am besten, wenn sie weiterlaufen oder in ihrer Form einen anderen Nutzen finden. Also ran an die Ü20-Module!?

Ganz so einfach läuft es für die Ü20er leider nicht. Ein Blick auf die Plattformen für Second-Hand Solar zeigt schnell, dass es nicht nur einen Überfluss an gebrauchten Modulen gibt, sondern auch, dass etliche Module mit nur 10 Jahren Laufzeit und weit über 200 Wattpeak verkauft werden. Und das zu Spottpreisen, da die sinkenden Preise für neue PV-Module auch die Preise auf dem Gebrauchtmarkt drücken. Fünf Euro pro 200 Wp Modul sind keine Seltenheit. Unsere heutigen Ü20- oder sogar Ü25-, Ü30-Module haben es da schwer und nennenswerte Einnahmen kann man nicht erwarten. Angesichts dieser Situation ließe sich darüber streiten, ob man nicht zuerst die jüngeren und leistungsstärkeren Module vor dem Recycling retten sollte, als die älteren Ü20-Module, aber diese Gedanken lassen wir erstmal außer Acht. Schauen wir stattdessen auf die Optionen zur Weiternutzung, die für alle gebrauchten Solarmodule gelten, egal wie alt.


1. Re-Use: Die gesamte Anlage umziehen

Einfach die Anlage weiterverschenkten?

Diese Option wäre ein "Bestcase-Szenario", weil dann nichts dazugekauft oder verändert werden muss, sofern es keinen Reparaturbedarf bei der Anlage gibt. Das zu prüfen ist leider aufwändig – es sei denn, die Solarerträge wurden regelmäßig dokumentiert und zeigen keinen Leistungsabfall. Wenn die Anlage aber funktioniert, steht lediglich der Auf-, Ab- und Wiederaufbau an und der Transport kostet natürlich Geld – aber diese Kosten würden beim Abbau der Anlage ebenfalls anfallen. Wir haben von vielen Ü20-Anlagen gehört, die umgezogen sind: innerhalb der Nachbarschaft, auf das Dach einer Kita oder – wie einige alte SFV-Module – zu einer nachhaltigen Fisch- und Pflanzenzuchtanlage in Aachen. Warum auch nicht?

Die Ü20-Anlage in Länder des globalen Südens oder Krisenregionen spenden?

Wir sehen den guten Willen hinter dieser Idee und haben als Verein bereits selbst eine Spendenaktion unterstützt. Trotzdem sehen wir auch kritische Aspekte. Grundsätzlich befürworten wir Erneuerbare Energien in jedem Land, doch mit Exporten von älteren Solaranlagen läuft man Gefahr, dass vor Ort schnell zusätzlicher Elektroschrottentsteht, für den es womöglich keine gute Recycling-Infrastruktur gibt. Die Umweltschäden, welche möglicherweise entstehen, können die Vorteile des erneuerbaren Stroms überwiegen. Unser Vorschlag: Lieber neue Module spenden, die eine wesentlich längere Lebenserwartung haben und im besten Fall ohne Schadstoffe wie Blei auskommen.

Unsere Tipps: Interessierte für die Ü20-Anlage finden

Im Bekanntenkreis und Nachbarschaft fragen, Aushänge machen und Plattformen nutzen!

www.nebenan.de | www.secondsol.com | www.kleinanzeigen.de


2. Re-Purpose: Dachanlage in Steckersolargeräte umbauen

Das ist eine Lösung, wenn man die Anlage nicht vollständig weiter nutzen kann oder möchte. Der Vorteil: Balkon- bzw. Steckersolaranlagen lassen sich quasi überall unterbringen und es gibt zahlreiche kreative Umsetzungsmöglichkeiten: Vom Gartentisch, über das Kaninchenstall-Dach bis zum Sichtschutzelement. Alle können neben ihrer sonstigen Funktion Strom produzieren. Ganz ohne Aufwand funktioniert die Umwandlung der Ü20-Anlage jedoch nicht, denn an die Steckersolaranlage muss ein passender Mikrowechselrichter angeschlossen werden und die Module müssen womöglich neu verkabelt werden. Weiterhin sollten die Komponenten die Anforderungen der neuen Steckersolar-Norm DIN VDE V 0126-95 erfüllen. Das braucht ohne Zweifel eine Portion technisches Know-How und handwerkliches Geschick. Der Verein Balkon.Solar e. V. bietet hier hervorragende Unterstützung. Im Handbuch „Balkonkraftwerk selbst bauen“ wird detailliert und mit Hilfe etlicher Fotos erklärt, wie aus einzelnen Modulen ein Steckersolargerät gebaut wird.

Unsere Tipps: Steckersolar

Die detaillierte Anleitungen vom Balkon.Solar e.V. nutzen und gemeinsam mit anderen Steckersolargeräte bauen.

www.balkon.solar/balkonkraftwerk-selbst-bauen

Workshops für Balksonsolar ausfindig machen: Womöglich besteht hier auch Interesse an Ü20-Modulen

www.climatehub.earth | www.climateconnect.earth

Event: Upcycling Workshops

Wer sich alleine nicht traut, mit Wechselrichtern und Solarmodulen zu hantieren, kann die Augen nach Solar-Upcycling-Workshops aufhalten (zum Beispiel auf der Plattform Climatehub). Hier werden gemeinsam neue Balkonkraftwerke zusammengeschraubt. Beim "Balkonien 2025" wurden von 700 Teilnehmenden aus fünf Städten insgesamt 1174 Solarmodule zu neuen Balkonkraftwerken umgebaut. Unter den verbauten Modulen, die kostenfrei zur Verfügung gestellt wurden, stammen viele von ausgeförderten Ü20-Anlagen. Sollte in Deiner Stadt in naher Zukunft kein Event stattfinden, könnten lokale Repair-Cafés angesprochen werden. Der Balkon.Solar e. V. bietet ebenfalls Upcycling-Workshops an, bei denen alte Solarpanels in neue Balkonkraftwerke umgebaut werden können!


3. Re-Purpose: Ü20-Anlagen als Bildungsmaterial
nutzen

Es gibt verschiedene Initiativen, die Solarbildung an Schulen voranbringen und dafür auch Ü20-Module nutzen (zum Beispiel die Infostellen des SFV - siehe Seite 40). Entweder werden Ü20-Module genutzt, um die Solarenergie verständlich zu machen, oder aber die Solarmodule werden gemeinsam mit Schüler:innen auf dem Schulgelände verbaut und genutzt. Die Infostelle Köln plant 2026 Unterstellplätze aus Holz mit Schüler:innen zusammen zu bauen um dort alte Solarmodule zu montieren. Aufgrund des Alters der Module ist das Diebstahlrisiko gering. Normalerweise haben Schüler:innen wenig mit Solar zu tun, aber eine Bauaktion mit Chillplatz und USB-Lader sowie Soundbox klingen gar nicht schlecht.


4. Re-Purpose: Als Baumaterial nutzen

Auch wenn ein Solarmodul nicht mehr funktioniert, gibt es nützliche Anwendungen für das Panel. Beispielsweise kann man es als Beistelltisch für Pflanzen, als Sonnendach für die Sandkiste, oder für Wände eines Foodsharing-Fairteilers im Quartier nutzen – da sind der Kreativität wirklich keine Grenzen gesetzt! Bei polykristallinen Modulen sieht das schimmernde Blau besonders schick aus.

PV-Module als Baumaterial