Die Regeln des Marktes sind einfach und wirksam - aber sie sind zukunftsblind

Der Handel mit Strom aus Erneuerbaren Energien ist seit 2008 immer mehr zu einem organisatorischen Monstrum aufgebläht worden mit hunderten von Sonderbestimmungen, die den Zweck verfolgen, dem Erzeuger von Solar oder Windstrom möglichst wenig Gewinn zukommen zu lassen und die Großverbraucher mit billigem Strom aus Fossil- und Atomkraftwerken zu bedienen. Für Handelsgeschäfte ist das untypisch. Eigentlich ist Handel nach den Marktregeln von Angebot und Nachfrage über Jahrhunderte entwickelt und vereinfacht worden und verursacht organisatorisch nur noch ein Minimum an Aufwand. Die Grundregel lautet: Das billigste Produkt wird gekauft.
Dann gibt es noch eine zusätzliche Regel: Produkte, die stets verfügbar sind, werden bevorzugt.

Bedauerlicher Weise ist allerdings der billigste Strom gleichzeitig der umweltschädlichste Strom. Und unglücklicher Weise ist er auch jederzeit verfügbar.

Der sogenannte "freie Markt", d.h. ein Markt, in dem der Staat nicht die Zukunftsvorsorge durchsetzt, ist zukunftsblind. Bei den derzeitigen energiepolitischen Rahmenbedingungen würden zuerst sämtliche fossile Lagerstätten ausgebeutet und verheizt und die verbliebenen Atomkraftwerke würden bis zum letzten Tag der ihnen zugestandenen Frist laufen. Grund dafür sind die bereits vorhandenen Stromerzeugungsanlagen der konventionellen Stromversorger, die Produktions- und Erhaltungs-Infrastruktur, die eingespielten Vertriebswege und - das ist der wichtigste Grund - die Nichtberücksichtigung der externen volkswirtschaftlichen Kosten.

Der Preis, zu dem Atom- und Fossilstrom im Großhandel angeboten wird, enthält diese externen volkswirtschaftlichen Kosten nicht und ist deshalb deutlich geringer als der Preis von Solar- und Windstrom PLUS den Kosten für deren häufig erforderliche Speicherung.

Der Strommarkt der Zukunft muss die externen Kosten berücksichtigen

Kern des hier vorliegenden Vorschlags ist es deshalb, der fossilen und atomaren Energie die externen Kosten durch eine zusätzliche Besteuerung aufzuerlegen. Wir bezeichnen sie im Folgenden als "Internalisierungs-Steuer". Sie enthält bei fossilen Energien hauptsächlich eine CO2-Steuer und bei Atomenergie hauptsächlich eine erhöhte Brennelemente-Steuer, jedoch können auch noch weitere Schadenseffekte mit berücksichtigt werden - bei Braunkohle z.B. die Folgen der Quecksilberbelastung der Abgase.

Dem Verursacherprinzip muss Geltung verschafft werden.

Internalisierungs-Steuern auf Fossil- und Atomstrom entfalten die gewünschte Wirkung am besten, wenn sie nicht beim Stromverbraucher, sondern an der Quelle, d. h. beim Lieferanten des Brennstoffs erhoben werden: Beim Braunkohletagebau, beim Kauf neuer Brennelemente, bei der Einfuhr oder Förderung von Erdgas, der Einfuhr oder Förderung von Erdöl und auch bei der Einfuhr von Strom.

Externe Kosten müssen nicht beim Endkunden sondern an der Quelle internalisiert werden

Wenn Fossil- und Atomstrom bereits mit den zu erwartenden externen Folgekosten verteuert sind, bevor sie in den marktlichen Wettbewerb eintreten, begrüßen wir die von der Bundesregierung und der Stromwirtschaft immer wieder geforderte Integration der Erneuerbaren Energien in das Marktgeschehen. Wir haben dann keine Angst vor einem preisgesteuerten Markt, wenn es vorab durch die Internalisierungs-Steuer zu einem fairen Wettbewerb kommt. Die Internalisierungs-Steuer, wenn sie sofort an der Quelle erhoben wird, belastet dann nicht alle Stromkunden, sondern nur diejenigen Stromkunden, die auf Atom- und Fossilstrom nicht verzichten wollen oder können. Wenn Fossil- oder Atomstrom teurer ist als Solar- und Windstrom PLUS den Kosten ihrer Speicherung, ergibt sich automatisch ein hoher Anreiz zur Umstellung auf Sonnen- und Windstrom und zum Bau von Stromspeichern zur Glättung des fluktuierenden Angebots und zur Überbrückung von Dunkelflauten.

Externe Kosten der Stromversorgung sind extrem hoch - lassen sich aber nicht exakt ermitteln

Externe Kosten der Stromversorgung sind solche Kosten, die durch die Stromerzeugung entstehen, die aber den Stromverbrauchern nicht mit dem Strompreis in Rechnung gestellt werden. Dazu zwei Beispiele:

Durch den CO2-Ausstoß bei der Braunkohleverstromung wird der Klimawandel beschleunigt. Extremwetterereignisse treten öfter auf. Die Kosten zur Beseitigung der Klimaschäden bis hin zu den Integrationskosten für "Klimaflüchtlinge" sind externe Kosten der fossilen Stromversorgung.

Ein zweites Beispiel: Die Behandlung von Nervenerkrankungen oder Hirnschädigungen kleiner Kinder infolge der hohen Quecksilberbelastung der Braunkohleabgase kostet Geld, das nicht von den Stromverbrauchern bezahlt wird. Diese Kosten zählen ebenfalls zu den externen Kosten der Braunkohlestromerzeugung. Der furchtbare Verlust an Lebensqualität für die Betroffenen und ihre Angehörigen lässt sich allerdings durch eine Geldleistung überhaupt nicht wieder gut machen.

Die Höhe der Internalisierungs-Steuer muss politisch entschieden werden

Die genannten Beispiele lassen erahnen, wie schwierig die Ermittlung der externen Kosten ist und welches Streitpotential sich dabei auftut. Letztlich muss der Gesetzgeber eine politische Entscheidung zur Höhe der Internalisierungs-Steuer treffen, wobei er sich daran orientieren sollte, dass sie die erwünschte Wirkung möglichst rasch erreicht. Uns bleibt keine Zeit mehr!

Weitere Überlegungen zu dieser Fragestellung finden Sie unter http://www.sfv.de/artikel/radikaler_kurswechsel_in_der_deutschen_energiepolitik.htm oder im Solarbrief 2/2016 ab Seite 6