Ökostromhandel lebt von der Illusion und verstärkt sie sogar noch, man könne Atom- und Kohlestrom durch eine Art Kaufboykott in die Knie zwingen. Auf Seiten der Umweltbewegung war es die Hoffnung, auch ohne grundlegende gesetzliche Maßnahmen die Energiewende erreichen zu können. Auf Seiten der Atom- und Kohlebetreiber war es das Ziel, genau solche grundsätzlichen gesetzlichen Maßnahmen zu vermeiden. Die RWE brachten Mitte 1996 den Ökostromhandel in die Diskussion. Ihren "Umwelttarif" boten sie mit der Anmerkung an: Wer eine umweltfreundliche Stromerzeugung wünscht, solle dafür auch bezahlen.

Der Vorteil des EEG gegenüber dem Ökostromhandel

Vier Jahre später, im Jahr 2000 wurde das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) erlassen. Der entscheidende Unterschied gegenüber dem Ökostromhandel lag darin, dass nicht nur die Idealisten, sondern die Gesamtheit aller Stromkunden GEMEINSAM die notwendigen Kosten tragen sollten, die für eine umweltfreundliche Stromerzeugung unerlässlich seien. In einer Sonderausgabe des Solarbriefs, Solarbrief 1/02 vom 19.12.2001 erläuterte der SFV seine Einwände gegen den Ökostromhandel.

Kaufboykott trifft nicht die zu boykottierenden Stromerzeuger

Am 16.04.2011 bestätigte und vervollständigte der SFV seine Einwände und zeigte zusätzlich auf, wie unzuverlässig und lückenhaft die Zertifizierung mancher "Ökostromsorten" war. Sogar ein Ökostromanbieter mit Beteiligung an einem Atomkraftwerk erhielt damals die Zertifizierung.

Der Ökostromhandel stellt den Versuch dar, sozusagen aus der Position des Stromverbrauchers, z.B. eines Waschmaschinen-Betreibers heraus, Kohle- und Atomkraftwerke abzustellen. Es handelt sich um einen umständlichen (und unzuverlässigen) Umweg, denn die Umweltschäden entstehen nicht durch den Einsatz der Waschmaschinen, sondern durch die Gewinnung des Brennstoffs und den Einsatz der Kohle- und der Atomkraftwerke. Die Waschmaschine des Verbrauchers richtet nicht mehr oder weniger Umweltschäden an, ob sie nun mit Braunkohlestrom betrieben wird, oder mit Strom aus Sonnen- und Windenergie.


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Kritik am Ökostromhandel

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Ökostromhandel erschwert eine sachgemäße Diskussion der Energiewende, weil ein großer Teil der Ökostromanhänger von der irrigen Ansicht ausgehen, man könne - ähnlich wie beim Telefon - bestimmte Stromkunden mit bestimmten Erzeugungs-Anlagen verbinden und dann von ihnen versorgt werden. Da jedoch Ökostrom und konventioneller Strom das selbe Stromnetz benutzen und sich darin zur völligen Unkenntlichkeit vermischen, kann der Stromverbraucher nicht erkennen, ob er tatsächlich Ökostrom erhält. Er kann es auch nicht kontrollieren.

Ob Versprechen eingehalten werden, dass bei Bezug von Ökostrom neue Solar- oder Windanlagen errichtet werden, lässt sich ebenfalls nicht kontrollieren. Schöne Bilder von Wind- und Solaranlagen, die im Internet als Beweis angeboten werden, sind kein Beweis. Niemand kann erkennen, wer mit Strom aus diesen Anlagen versorgt wird. Aber wenn es um viel Geld geht, sind fehlende Kontrollmöglichkeiten ein fruchtbarer Nährboden für Betrug im großen Maßstab.

Zum Vorwurf der "Rosinenpickerei"

Auch wenn der Stromverbraucher den Stromfluss lenken könnte, wenn er also tatsächlich sicher sein könnte, nur Ökostrom zu erhalten, so würde wegen seiner persönlichen Entscheidung für den Bezug von Ökostrom kein Gramm Kohle weniger verbrannt werden. Der normale Stromkunde erhält den üblichen Strommix mit in Deutschland derzeit ca. 30% regenerativen Anteil.
Wenn nun ein gewisser Anteil der Stromkunden explizit Ökostrom beziehen möchte, dann wird der Strommix fiktiv aufgeteilt, den Ökostrom-Kunden wird Strom aus den o.a. 30% verkauft - und dem Rest wird ein Strommix mit einem entsprechend verringerten regenerativen Anteil verkauft. Die Entscheidung von Kunden für sog. Ökostrom führt nur zu einer fiktiven Umverteilung des Strommixes an die Kunden: die Ökostrom-Kunden erhalten rein rechnerisch 100% Ökostrom und die Nicht-Ökostrom-Kunden erhalten rein rechnerisch einen entsprechend "schmutzigeren" Strom.

Da der explizite Verkauf von Ökostrom an Stromkunden die Erzeugung des Stromes nicht beeinflusst, muss man ihn wohl als "bewusste Irreführung" ansehen.

Leider glauben viele Zeitgenossen, dass der explizite Bezug von Ökostrom eine umweltpolitisch sinnvolle Maßnahme wäre.

Viele Unternehmen werben auch mit dem Bezug von Ökostrom, beispielsweise die Deutsche Bahn. Die Reisenden im ICE sollten sich darüber im klaren sein, dass sie nur deshalb (rechnerisch) mit Ökostrom fahren "dürfen", weil der Güterzug, den sie gerade überholen mit "schmutzigem" Fossilstrom angetrieben wird. Das Ökostrom-Angebot der Deutschen Bahn führt bewusst in die Irre.