In den nächsten drei Beiträgen von Health for Future Koblenz geht es um das Gesundheitssystem in der Klimakrise. Sie belegen in der Zusammenschau, dass sowohl hinsichtlich der “Mitigation” (der Abbremsung der Erderwärmung) als auch hinsichtlich der “Adaption” (der Anpassung an das heißere Klima) große Aufgaben vor den Kliniken liegen. Dies ist symptomatisch für sehr viele institutionelle Bereiche, in denen Antworten auf die Klimakrise gefunden werden müssen.

Institutionen ändern! Krankenhaus und Klimakrise

 

Die Klimaprognosen sagen eine deutliche Zunahme der Hitzebelastung in Deutschland und Mitteleuropa schon in den kommenden Jahrzehnten voraus. Dabei sind auch Extremwetterlagen möglich, mit Heißwochen von deutlich über 40Grad, die Säuglingen, Kleinkindern und Betagten vor allem in Hitzeinseln der Städte das Leben kosten können. 

Die Hitze stellt für unsere Gesundheit eine große Herausforderung dar, da wir unsere Körpertemperatur in engen Grenzen konstant halten müssen; ansonsten drohen Erkrankungen vom Hitzeerschöpfung über -kollaps bis zum lebensbedrohlichen Hitzschlag. Außerdem besteht in Hitzeperioden ein erhöhtes Risiko der Verschlechterung oder Dekompensation chronischer Erkrankungen, insbesondere von Herz und Lungen. Dabei dürfen wir uns als reiche und entwickelte Gesellschaft nicht in Sicherheit wiegen: die Weltgesundheitsorganisation sieht hohe Risiken gerade für alternde Gesellschaften mit hohem Urbanisierungsgrad (städtische Wärmeinseln) und typische Folgeerkrankungen des westlichen Lebensstils, die bei uns weit verbreitet sind. Diese Erfahrung hat bspw. Kanada gemacht. 

Deshalb müssen wir aus einer medizinischen Perspektive die weitere Erderhitzung dringend stark begrenzen. Außerdem sind effektive Maßnahmen zur Anpassung, durchzuführen. Die Verantwortung für Katastrophenmanagement liegt bei den Kommunen - im Rahmen der Gesundheitsvorsorge haben sie die Aufgabe, Hitzeaktionspläne zu erstellen. Hier müssen alle relevanten Akteure wie Krankenhäuser, Altenheime, DRK, Technisches Hilfswerk und Gesundheitsämter und Praxen einbezogen werden. Es müssen öffentliche Kühlräume geschaffen werden, Trinkbrunnen, es sind klare Notversorgungsroutinen  zu schaffen für die Erstversorgung, und in Heißzeiten müssen Pfleger und Ärztinnen wissen, was zu beachten ist.  

Gibt es in Ihrer Stadt oder Gemeinde schon einen Hitzeaktionsplan? Und im Krankenhaus oder Altenheim? Sonst fragen Sie mal nach und fordern Sie es ein, denn schon der nächste Sommer kann bedrohlich heiß werden.

 

― Moritz Schad &  Dr. Thomas Bernhard

Emissionsarmes Krankenhaus

 

Mit einem Anteil von 5,2 % des bundesweiten CO₂-Ausstoßes liegt unser Gesundheitssektor nur knapp hinter der Stahlindustrie. Das besagt ein Gutachten des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie. Darin werden zehn konkrete Maßnahmen genannt, die Kliniken umsetzen müssen, um überhaupt das Ziel „Klimaneutral bis 2045“ erreichen zu können. Konkret geht es um direkte (Heizung, Fuhrparks, Narkosegase) und indirekte (Strom/Fernwärme) Emissionen der Kliniken, um die Mobilität von Mitarbeitenden, Patienten und Besuchern sowie um alle Warenketten. Folgende Maßnahmen können die größten Effekte erzielen: Gebäudehüllen sanieren, Photovoltaikanlagen installieren, Umstellen auf LED-Beleuchtung, Austausch von Lüftungsanlagen und von Heizungspumpen, möglichst autofreie Mobilität, Substitution von Narkosegasen durch alternative Anästhesieverfahren, sowie die Reduktion von Verbrauchsmaterialien (vgl. auch Deutsches Ärzteblatt, 20.5.2022.)

Mit einem Anteil von 5,2 % des bundesweiten CO2-Ausstoßes liegt unser Gesundheitssektor nur knapp hinter der Stahlindustrie.

― Dr. Dieter Helling

Es gibt Beispiele dafür, dass eine solche Umstellung möglich ist: Das anthroposophisch orientierte Krankenhaus Havelhöhe in Berlin (www.havelhoehe.de), eine Klinik mit 400 Betten und 950 Mitarbeitenden, will bis 2030 das erste Zero-Emission-Hospital in Deutschland werden. Seit 25 Jahren wird dort schon Klimaschutz betrieben: die Emissionen konnten inzwischen um 72 % verringert werden. Die letzten 28% seien die schwierigsten, sagt der Projektleiter Dr. med. Christian Grah. Um das 1,5-Grad-Ziel als Grenze der Erderwärmung bis 2030 einzuhalten, plant die Klinik die Umstellung auf Photovoltaik- und Biogas-Energie sowie spezielle Projekte für Wärmeschutz und Energiesparen.

Christian Grah und die Gruppe Health for Future Havelhöhe wollen sich konkret und regional für den Klimaschutz einsetzen und über die Zusammenhänge von Klimawandel und Gesundheit aufklären: „Es geht um um unsere Gesundheit, ja tatsächlich um das Leben auf der Erde. Konkret wollen wir zeigen, wie man ein Krankenhaus so organisieren kann, dass eine ökologisch nachhaltige Umgebung für kranke Menschen geschaffen wird, die gleichzeitig auch der Entwicklung des Klimawandels entgegenwirkt.

― Dr. Dieter Helling

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Abb. 1 — Noch viel zu wenige Krankenhäuser haben eine eigene PV-Anlage auf dem Dach, z.B. hier das Krankenhaus in Koblenz.  •

Überlastung des Gesundheitswesens

 

Nach einer Auswertung von Daten der 10 Millionen Mitglieder des BKK Landesverbandes Nordwest hat sich die Zahl der Hitzetage von 2010 bis 2019 fast verdoppelt. In diesem Zeitraum stieg die Zahl der hitzebedingten Erkrankungen ähnlich stark auf das 1,9-fache, die Zahl der Krankenhauseinweisungen in den Sommermonaten wegen hitzebedingter Erkrankungen wie Dehydration um 32 %. Besonders betroffen waren Säuglinge, Kinder und Ältere. Die Zahl der hitzebedingten Arbeitsunfähigkeitstage stieg in Berufen, die im Freien ausgeübt werden, wie Straßenbau oder Spargelstechen, auf das 17fache. Aber sie stieg auch stark bei Pflegekräften. Erklärt wird dies mit dem Zustand der Gebäude. Die Realität sieht bei einer Hitzewelle so aus: zu wenige Altenpfleger*innen pflegen an Hitzetagen besonders empfindliche Alte mit erhöhter Aufmerksamkeit, Krankenpfleger*innen und Ärzt*innen versorgen 30 % mehr Patienten mit Hitzekollaps, werden dafür ggf. wegen Arbeitsunfähigkeit der Kolleg*innen ohne Erholung, teilweise erschöpft, aus dem "Frei" gerufen. Die bereits prekäre Personallage in den Pflegeberufen wird durch hitzebedingte Ausfälle zusätzlich verschärft.

Die Arbeit erfolgt wegen unzureichender Klimaanlagen bei Temperaturen über 35 Grad, wo nach Arbeitsstättenrichtlinie ein Arbeitsplatz geschlossen werden müsste. Dabei wird Schutzkleidung und wegen Infektionsgefahr auch FFP2-Maske getragen. Andere Versorgungen wie z.B. Operationen und geplante Therapien müssen immer öfter wegen Überlastung abgesagt werden. Die Prognose: es wird immer heißer, die Belastung wird weiter zunehmen. Gesundheitseinrichtungen sind nicht vorbereitet und unterfinanziert. In Deutschland wurden zu wenig Pfleger und Ärztinnen ausgebildet, also wird im Ausland rekrutiert, wo diese dann – im Balkan, in Afrika und Südamerika – fehlen. Gleichzeitig wird es dort noch heißer. Aus gesundheitlichen Sicht droht in Deutschland und woanders schon bald der Kollaps für eine Versorgung, wie wir sie kannten Klimaschutz ist deshalb unmittelbarer Gesundheitsschutz. Und ohne Gesundheit ist alles nichts!

https://www.bkk-dachverband.de/innovation/planetary-health/klimawandel-macht-krank 

 

― Dr. Thomas Bernhard

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Abb. 2 — Aktion der Health for Future in Aachen bei dem bundesweiten Klimastreik von Fridays for Future 2022 •

Hitze — Vorsicht bei Risikogruppen und Medikamenten

 

Direkte Folgen von Hitzeeinwirkung können Hitzeerschöpfung durch Austrocknung, später auch Hitzekrämpfe bei Elektrolytverschiebung, Kollaps oder lebensbedrohlicher Hitzschlag bei zentraler Körpertemperatur über 40 Grad sein. Die Gefahr vergrößert sich, wenn Hitzetage anhalten.

Bei Hitzewellen sind manche Personen gesundheitlich besonders gefährdet. Das sind Säuglinge und Kleinkinder sowie Hochbetagte, die Belastungen des Herz-Kreislauf-Systems nicht  gut ertragen. Aber auch Menschen mit erhöhtem Unterstützungbedarf, also Pflegebedürftige, Menschen mit Behinderung oder auch in sozialer Isolation. Sie können für sich selbst nicht ausreichend sorgen.  Dazu kommen psychisch Kranke, Menschen mit Gedächtnisstörungen sowie Alkohol- und Drogenabhängige.  Auch Arbeiter:innen oder Sportler:innen im Freien unterschätzen häufig das Risiko, einen Hitzschlag oder Kollaps zu erleiden. Beim Trinken ohne ausreichende Elektrolytzufuhr drohen z. B. potentiell tödliche Herzrhythmusstörungen.

Generell sind Menschen auch durch manche Standardmedikamente bei gleichzeitiger Hitze bedroht. Dazu zählen gängige Blutdruckmittel, weil sie das Durstgefühl mindern, Medikamente mit sedierender Wirkung, Betablocker, weil sie den notwendigen Anstieg der Herzfrequenz verhindern, oder Opiatpflaster, die bei Wärme zu viel Wirkstoff abgeben. Dies sind nur einige Beispiele aus einer langen Liste, mit denen auch wir Ärzte noch nicht  vertraut sind.

Alle genannten Personen zählen zu den vulnerablen Gruppen, die besonders beobachtet und behandelt werden müssen, wofür in den nächsten Jahren strukturelle  Maßnahmen getroffen müssen – und dennoch mit erhöhten Komplikationen bis zur Todesfolge zu rechnen ist.

 

— Dr. Mareike Bernhard