Mehrfach wurden wir gefragt, wie es kommt, dass Windstrom den Strompreis an der Strombörse in Leipzig vermindern kann, obwohl doch die Einspeisevergütung für Windstrom mit rund 9 Ct/kWh deutlich höher ist als der Strompreis für Strom aus einem alten Braunkohlekraftwerk mit einem Preis von etwa 3 Ct/kWh.

Hier eine detaillierte Erklärung.

Folgende Akteure sind beteiligt: Elektrischer Strom wird von den Stromerzeugern produziert und von den Stromhändlern an die Stromkunden verkauft. Die Netzbetreiber führen den Transport durch.

Die Hauptmenge des Stroms wird von den Stromhändlern bei den Erzeugern bis zu 6 Jahre im Voraus (Terminmarkt) oder im außerbörslichen Over-the-Counter-Geschäft (OTC) eingekauft (bei solchen langfristigen Verträgen werden andere Strompreise ausgehandelt als später am Spotmarkt).

So langfristig im Voraus kann aber noch niemand genau sagen, wieviel Strom genau benötigt wird. Deshalb wird üblicher Weise nicht die gesamte Menge eingekauft.

Einen Tag im Voraus werden die letztlich noch fehlenden Strommengen (seit 28.04.2008 auch Überschussmengen) auf dem Spotmarkt für einen Liefertermin des nächsten Tages gehandelt. Die Lieferungen werden fast ausnahmslos stundenweise angeboten und gekauft. Also z.B. am 4.3.09 eine Lieferung von 50 MWh für die Zeit von 9.00 bis 10.00 Uhr am Folgetag, den 5.3.09.

Die Aufspaltung des Strommarktes in langfristige und kurzfristige Handelsverträge (Spotmarkt) hat folgenden Grund: Einen Tag im Voraus kann man die am nächsten Tag benötigten Strommengen sehr viel genauer abschätzen. Die dann noch benötigten Mengen ergeben sich aus dem Wetterbericht (wird es kalt, werden die Elektroheizungen viel Strom benötigen), ist Kurzarbeit angesagt (werden die Fabriken weniger Strom benötigen), Ist viel Wind angesagt (werden die Windräder viel Strom liefern) usw.

Am Spotmarkt gelten die Regeln einer Börse:

An der Strombörse werden zunächst die Stromangebote der verschiedenen Stromerzeuger nach ihrem Preis sortiert ("Merit order"). (Bild 1)

Merit Order - vereinfachte Darstellung

Bild 1: "Merit order" - Effekt - vereinfachte Darstellung: An der Strombörse werden die Stromangebote der verschiedenen Stromerzeuger nach ihrem Preis sortiert.

 

Dann wird geprüft, wie hoch die Nachfrage ist. Den Angeboten wird die Nachfrage gegenübergestellt. Die billigen Angebote kommen zuerst zum Zuge. Die teueren fallen weg. So ergibt sich der Börsenstrompreis. Er entspricht dem Preis des teuersten gerade noch berücksichtigten Angebots.(Bild 2)

Merit order - Es wird geprüft, wie hoch die Nachfrage ist

Bild 2: Der Börsenpreis entspricht dem Preis des teuersten noch berücksichtigten Angebots.

 

Hier liegt im Grunde die Erklärung für die eingangs gestellte Frage. Man muss sich vor Augen führen, dass die eingangs erwähnten Braunkohlekraftwerke zwar ihren Strom für etwa 3 Cent pro Kilowattstunde anbieten, dass sie aber in der Regel einen deutlich höheren Preis erhalten als die von ihnen geforderten 3 Cent.

 

Nun kommt der Windstrom ins Spiel

Wenn Windstrom ins Netz eingespeist wird, ändern sich die Verhältnisse. Windstrom muss vorrangig verbraucht werden. Dadurch verringert sich die an der Strombörse zu deckende Nachfrage. Deshalb ergibt sich ein neuer, geringerer Strompreis an der Börse. (Bild 3)

Wenn Windstrom ins Netz eingespeist wird, muss dieser vorrangig verbraucht werden.

Bild 3: Wenn Windstrom ins Netz eingespeist wird, muss dieser vorrangig verbraucht werden. Dadurch verringert sich die Nachfrage und es ergibt sich ein neuer, geringerer Strompreis an der Börse. Dieser geringere Strompreis gilt für alle berücksichtigten Anbieter

 

Der Betreiber eines Braunkohlekraftwerkes wird über die Einspeisung von Windstrom nicht glücklich sein, denn sie verdirbt ihm den erzielbaren Strompreis.

 

Die Preisdifferenz ist in Bild 4 dargestellt.
Merit Order - Wenn die Preisdifferenz größer ist als die Einspeisevergütung, vermindert sich der Strompreis

Bild 4: Die Preisdifferenz gilt für alle berücksichtigten Anbieter.

 

Entscheidend ist die Tatsache, dass sich der Börsenpreis für die gesamte gehandelte Strommenge verringert. Alle berücksichtigten Anbieter bekommen einen geringeren Preis für ihren Strom. Selbst wenn die Preisdifferenz nur klein ist, betrifft sie doch eine große gehandelte Strommenge. Die Käufer sparen am Spotmarkt die in Bild 5 rot dargestellte Geldmenge ein.

 

Bild 5: Auch bei einer kleinen Preisdifferenz ergibt sich eine große eingesparte Geldmenge (rot eingefärbte Fläche)

 

Um festzustellen, ob der Windstrom den Strompreis insgesamt senkt, vergleicht man die am Spotmarkt eingesparte Geldmenge (die rote Fläche in Bild 5:) mit der Geldmenge, die als Einspeisevergütung für den Windstrom zu zahlen ist. Letztere ergibt sich aus der gesetzlich festgesetzten Einspeisevergütung für den Windstrom - multipliziert mit der Menge des eingespeisten Windstromes. Der Vergleich fällt zu verschiedenen Stundes des Jahres unterschiedlich aus.Nicht zu jeder Stunde des Jahres, aber doch in der überwiegenden Mehrheit der Stunden eines Jahres sparen die Stromkäufer am Spotmarkt der Leipziger Strombörse mehr Geld ein, als für den gesamten eingespeisten Windstrom (plus Solarstrom) bezahlt werden muss

Die Windenergie an Land senkt also den Strompreis insgesamt.

Die Einspeisung von Windstrom führt dazu, dass die überhöhten Gewinne der Braunkohle- und Atomkraftwerke am Spotmarkt vermindert werden.

 

Eine Untersuchung des IfnE (Ingenieurbüro für neue Energien) vom 30. November 2007 im Auftrag des Bundesumweltministeriums ergibt eine Senkung des Großhandelspreises durch alle Erneuerbaren Energien für das Jahr 2006 mit einem Volumen von bis zu 5 Mrd. Euro. Zieht man davon die gesamte Einspeisevergütung nach EEG für den Windstrom und alle anderen Erneuerbaren Energien ab, so ergibt sich eine Netto-Ersparnis von ca. 2 Mrd Euro.
Der erwähnte Fachbeitrag zum Merit-Order-Effekt findet sich unter
www.erneuerbare-energien.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/eeg_kosten_nutzen_lang.pdf
Die Verfahrenasbläufe beim Stromhandel sind ausführlich erklärt unter
http://www.erneuerbare-energien.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/studie_strombezugskosten.pdf
Zu empfehlen sind in diesem Zusammenhang auch die Informationen des BMU unter
http://www.bmu.de/erneuerbare_energien/downloads/doc/39649.php

 

Leider ist den meisten Bürgern dieser positive preissenkende Effekt der Windenergie noch nicht bekannt.