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Biotop Solarparks kombinieren in idealer Weise drei wichtige Vorteile. Erstens wird dort sehr günstig und klimafreundlich Strom ohne CO2-Emissionen erzeugt. Zweitens stellen sie die Einnahmen von Landwirten auf eine breitere Basis und drittens bieten sie der Natur Platz sich zu entfalten. (Bild 1)

Haben wir in Deutschland ausreichend Fläche, um unser Energiesystem mit Biotop-Solarparks umzustellen? Wieviel erneuerbaren Strom benötigen wir eigentlich, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu schaffen?

Für die gesamte, sektorübergreifende Energiewende benötigen wir 1.300 bis 3.000 Terawattstunden pro Jahr. Das Energiesystem im Jahr 2050 könnte aussehen, wie in Bild 2 dargestellt.

Energiesystem 2050

Bild 2: Energiesystem 2050,      Grafik: R. Schnitzler in Anlehnung an eine Vorlage von Prof. G. Deerberg, Fraunhofer Umsicht


Dieses Ziel vor Augen, stellte ich mir die Frage, wie eine Energiewende gelingen könnte, wenn dabei folgende Kriterien eine wichtige Rolle spielen: Stromkosten, Akzeptanz, Flächen-verfügbarkeit, Klimawandel, Artenschutz, Erhöhung der Biodiversität, gute Arbeitsplätze in Industrie und Landwirtschaft, sichere Ernährung trotz Klimakatastrophe, Unabhängigkeit von Energieimporten, lokale Wertschöpfung, Bürgerbeteiligung, etc.: Diese Kriterien erfüllen Biotop-Solarparks von allen Formen der erneuerbaren Energien am besten.

Sie benötigen 1,3 bis 3 Millionen Hektar Land, um pro Jahr 1.300 bis 3.000 Terawattstunden Strom mit Solarparks zu erzeugen. Von den knapp 17 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche werden derzeit 2,3 Millionen Hektar für den Anbau von Energiepflanzen, u. a. 1 Million Hektar Maisanbaufläche für Biogasanlagen, benötigt. Allein diese Fläche würde für ca. 2.300 Terawattstunden ausreichend sein. Den Rest – falls notwendig – könnten PV-Dachanlagen und/ oder Windräder beisteuern.

Biotop-Solarparks in der Größenklasse von 10 bis 20 Megawattpeak-Leistung bieten schon heute Strom zu marktfähigen Preisen von unter 5 Cent / Kilowattstunde an. Durch den weiteren technischen Fortschritt wird Solarparkstrom zum absolut preiswertesten Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Ab 2030 werden vermutlich 2 Cent je Kilowattstunde ausreichen, damit sich Bau und Betrieb eines Solarparks rechnen. Solarparks können nach ihrer Abschreibungsdauer noch günstiger Solarstrom anbieten, denn bei extrem niedrigem Wartungsaufwand lohnt sich der Weiterbetrieb auf eigentlich unbestimmte Zeit. Für jede Art von Kraftwerk – und dazu gehören natürlich auch Biotop-Solarparks – gilt im Übrigen: „Kraftwerke werden solange betrieben, wie sie sich lohnen!“

Biotop-Solarparks haben bei dieser Langfristbetrachtung – im Vergleich zu PV-Dachanlagen – den besonderen Vorteil, dass keinerlei Gerüstbau für die Wartung notwendig ist. Auch ist die Lebensdauer eines Daches im Vergleich zu Boden sehr viel kürzer. Auf Dächern sehe ich langfristig viel mehr klimatisierte Gewächshäuser, um wettergeschützte Oasen für Urban-Farming-Projekte und Dachcafés zu bieten.

Bis zum Jahr 2050 wünsche ich mir darum ein bundesweites Netzwerk von Biotop-Solarparks. Diese könnten im Idealfall durch grüne Bänder mit einander verbunden sein. „Jeder Gemeinde ein Biotop-Solarpark“ lautet das Motto.

Biotop-Solarparks verändern, im Gegensatz zu Agrarphotovoltaik, die bisherige Form der Landnutzung. Aus Ackerland wird ein artenreicher Magerrasen-Standort mit besonderen Habitaten für geschützte, seltene und vom Aussterben bedrohte Arten. Agrarphotovoltaik dagegen will die bisherige Landnutzung nicht verändern, sondern weiter ermöglichen oder sogar intensivieren. Da die industrielle Landwirtschaft ein Hauptverursacher von Artenschwund, Bodenerosion, Überdüngung und Pestizidproblemen ist, scheinen mir Biotop-Solarparks erheblich sinnvoller als Agrarphotovoltaik.
Im Rahmen des „New Green Deals“ der EU wird Landwirtschaft für Umweltschutz künftig mehr Agrarförderung erhalten (Grundzüge der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) 2. Säule). Biotop-Solarparks könnten auch als Umweltprojekt in der Landwirtschaft bewertet werden, damit Landwirte diese im Rahmen ihre Privilegierung im Baurecht einfacher umsetzen können. Biotop-Solarparks, geplant, gebaut und betrieben von Landwirten in der Rechtsform der Genossenschaft sind meine Wunschvorstellung. Daran können sich Stadtwerke, Kommunen, Umweltschützer und Bürger beteiligen. So bleibt die Wertschöpfung in der Region und die Akzeptanz bei allen Beteiligten steigt.

Biotop-Solarparks bieten vielfachen Nutzen:

  • Kostengünstige Energiewende durch sehr preiswerten Strom
  • Natur- und Umweltschutz durch ein bundesweites Biotop-Netzwerk

Klimakatastrophen-resiliente Nutzung von Ackerland und Schaffung von Arbeitsplätzen auf dem Land sowie ausreichend Energie für kommende Bioökonomie-Projekte. Zum Beispiel: Vertical- und Indoor Farming, Nahrungsmittel- und sonstige Kohlenwasserstoffproduktion mit Bioreaktoren inkl. CO2-Reduzierung.

Um eine 100-%ige Energiewende allein mit Solarstrom zu stemmen, bedarf es natürlich einer Kurz-, Mittel-, und Langfrist-Energiespeicherung. Speicher (p2x, x2p) sind die Bausteine, damit ein weiterer Zubau von volatilen erneuerbaren Energieformen überhaupt technisch funktioniert. Schon heute ist das Stromnetz in großen Teilen Deutschlands überlastet und freie Kapazität für die Netzeinspeisung ist der Engpass bei Solarparks.
Da wir schon jetzt bei 2 Grad Klimaerwärmung sind, ist die schnelle Umstellung der sektorübergreifenden Energieversorgung auf 100 % erneuerbare Energien dringend geboten und abhängig von einer nun ebenso notwendigen sicheren Rendite für die Energie-Speicher. Strom-, Wärme- und Gasnetze sollten künftig immer zusammen geplant und betrieben werden, um die bei allen Umwandlungsprozessen anfallende Abwärme sinnvoll zu nutzen.

Zum Schluss drei Fragen:

  • Ist die Klimakrise nicht viel bedrohlicher als ein Virus?
  • Ist es nicht höchste Zeit für eine ernsthafte Energiewende?
  • Schaffen wir es, ab sofort jedes Jahr 60 Gigawattpeak Biotop-Solarparks zu bauen, um im Jahr 2050 ca. 1.800 Terawattstunden Solarstrom zur Verfügung zu haben?

Verweise:

[1] Viel mehr Details finden Sie auf meiner Website in zwei Artikeln.
„Sun for Future - Solarparks auf landwirtschaftlich genutzten Flächen“ blickt aus der Gegenwart in die Zukunft.

„Sun for Future II - Ausblick 2050“ nimmt die Perspektive einer gelungenen Energiewende im Jahr 2050 ein und zeigt einen Weg auf, wie wir dahin gekommen sind.

[2] Ein Besuchsbericht über den Solarpark Frauendorf

[3] Fotos aus dem Biotop-Solarpark Frauendorf

[4] Naturtalk FÜNF VOR ZWÖLF! - Artenvielfalt durch Biotopverbünde Ein Interview mit Prof. Dr. Berthold. 54 Minuten, die sich lohnen. Berthold spricht zwar nicht einen Satz über Solarparks, aber wie er sich ein bundesweites Biotop-Netzwerk vorstellt, hat mich bei meiner Idee sehr inspiriert.

[5] BUND: Das Grüne Band

[6] Deutscher Wetterdienst: Klimastatusbericht 2019, Seite 12


Zum Autor:
Ralf Schnitzler ist Projektentwickler für Biotop - Solarparks in Deutschland bei der Bejulo GmbH in Mainz. Erste Erfahrungen mit Solarparks machte er von 2009 bis 2012 bei der Juwi Solar GmbH als Teamleiter EPC Projekte Deutschland. Nach seiner Ausbildung zum Landwirt studierte er Agrarwissenschaften in Bonn und später Philosophie in Köln.