Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich beziehe mich auf Worte, die Rolf Martin Schmitz uns in seinem Bericht heute früh mit auf den Weg gegeben hat: "Unsere Eigentumsrechte müssen gewahrt bleiben." In der Tat sind wir hier zu einer Hauptversammlung zusammengekommen, d.h. es geht um die Wahrung der Rechte der Aktionäre als Eigentümer der RWE AG. Über das Eigentumsrecht stehen einige interessante Bestimmungen im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. In Art. 14 (2) heißt es "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Und in Abs. (3) Satz 1 desselben Artikels: Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig".
RWE ist ja Expertin für Enteignungen. (Anders als für Erneuerbare Energien, um nur diese Bemerkung zum hier so viel besprochenen "Deal" zwischen RWE, Eon und Innogy einzuflechten.) Wer im Rheinland das Pech hatte, auf einem Haus oder Hof zu leben, worunter Braunkohle lagerte, sah sich mit der Drohung, oder gar der Durchführung, einer Enteignung seines Grundbesitzes konfrontiert - immer mit dem Hinweis, die Förderung der Braunkohle diene dem Wohle der Allgemeinheit, es gehe ja um die Sicherheit der Stromversorgung im Land.
Nun befinden wir uns aber im Jahr 2018. Für die Sicherheit der Stromversorgung ist Braunkohle nicht nur verzichtbar - gibt es doch eine Reihe anderer, gut entwickelter Stromerzeugungsarten mit großem, unerschöpflichen Potenzial: die Erneuerbaren Energien. - Nein: Braunkohle ist geradezu schädlich für die Sicherheit der Stromversorgung, denn sie behindert den Ausbau der Erneuerbaren Energien, die überwiegend volatil anfallen und als "Partner" in einer Übergangszeit nur solche Fossilkraftwerke gebrauchen können, die gut regelbar sind. Das ist bekanntlich bei Braunkohlekraftwerken nicht der Fall - ebensowenig wie bei Atomkraftwerken, dem zweiten Standbein des RWE-Kraftwerksparks. (Dies sei heute am Tschernobyl-Jahrestag auch erwähnt, wenn wir über die Frage des Gemeinwohls reden.)
Schon technikimmanent verstößt RWE also gegen Art. 14 (2) des Grundgesetzes. Der Gebrauch des Eigentums von RWE dient schon seit Jahren nicht dem Wohle der Allgemeinheit, sondern schadet diesem.
Hinzu kommt nun die enorme klimaschädigende Wirkung der Verbrennung von Kohle. Die Weltgemeinschaft hat beim Pariser Klimaschutzabkommen Ende 2015 die Notwendigkeit einer raschen Dekarbonisierung der globalen Energieproduktion zu einem vordringlichen Ziel erklärt; und tatsächlich müsste bei einer Abwägung verschiedener Gemeinwohl-Ziele der Klimaschutz alle anderen Aspekte in den Schatten stellen - wenn diese nicht ohnehin in dieselbe Richtung weisen würden: Zerstörung dörflicher Gemeinschaften und erstklassigen Ackerbodens, Ausbringung von gesundheitsschädlichen Giften, Grundwasser-Manipulationen, die Vernichtung des FFH-Gebietes "Hambacher Wald". Das Braunkohlegeschäft ist in jeder Hinsicht schlechthin gemeinwohlschädigend.
Und Sie wissen genau, dass die Klimaziele der Bundesregierung nicht ausreichend sind, um das Pariser Übereinkommen zu erfüllen!
In diesem Zusammenhang möchte ich eine Frage an den Vorstand und an den Aufsichtsrat von RWE richten: Wie können Sie es der Menschheit gegenüber - aber auch Ihren Aktionären gegenüber - rechtfertigen, in einem ständigen Zustand des Bruchs des Grundgesetzes zu operieren? Was sagen Sie Ihren Anteilseignern, wenn Sie demnächst für die von Ihnen mitverursachten Klimaschäden haftbar gemacht werden? Schon hat das Oberlandesgericht Hamm am 30.11.2017 die - völlig berechtigte - Klage des peruanischen Bauern Saul Luciano Lliuya gegen RWE angenommen, dessen Dorf Huaraz durch die Gletscherschmelze in den Anden bedroht ist. - Was sagen Sie Ihren Anteilseignerinnen, wenn der deutsche Rechtsstaat das tut, was er längst hätte tun müssen, nämlich den Art. 14 (3) auf RWE anzuwenden und den Konzern zu enteignen? Dem "Wohle der Allgemeinheit" würde dies dienen, sofern dann rasch aus der Braunkohle ausgestiegen würde. Warum kommen Sie dem nicht zuvor? Warum achten Sie nicht endlich das Grundgesetz und lassen die Kohle im rheinischen Boden?