1. Worum geht es?

 

Eine „7 x win-Geschichte“! Wie? siebenmal gewinnen? Gibt’s doch sonst nur im Lotto - mit Zusatzzahl. Wie soll das gehen? Es geht sogar ganz einfach:

Mit einer PV-Anlage auf dem Dach einer Schule, errichtet von einer Energiegenossenschaft.

 

  1. Aktiver Klimaschutz: Die Schule bekommt sauberen Solarstrom vom eigenen Dach.
  2. Kosteneinsparung: Der Solarstrom ist günstiger als der verdrängte Strom aus dem Strommix vom Versorger. Das kommunale Gebäudemanagement spart viel Geld.
  3. Planungssicherheit: Eine langfristig fest vereinbarte Pacht schützt vor jährlichen Überraschungen beim Strompreis – 20 Jahre lang.
  4. Zusatzerlöse: Nicht verbrauchter Solarstrom wird ins Netz eingespeist und verdrängt an anderer Stelle fossilen Strom. Dafür erhält das kommunale Gebäudemanagement die Einspeisevergütung nach EEG.
  5. Keine Investition der öffentlichen Hand: Die Kommune muss keine eigenen - meist extrem knappen - Haushaltsmittel investieren. Die Energiegenossenschaft investiert und bezahlt alles.
  6. Praktische Teilhabe an der Energiewende im Unterricht: Der Physikunterricht bekommt einen sehr praktischen Bezug vor Ort zum Anfassen und Selbermachen. Energieerzeugung und -effizienz sind weniger abstrakt und werden praktisch erlebbar.
  7. Klimaschutz mit Dividende: Die Genossenschaft erzielt mit den Pachteinnahmen eine risikoarme, langfristige angemessene Verzinsung der Genossenschaftsanteile, die diese Art der Bürgerbeteiligung auch finanziell attraktiv macht.

 

Fazit: Das Beispiel Schule sollte Schule machen. Fridays for future stellt nicht nur Forderungen, sondern zeigt, wie es geht und macht aktiv mit.

Gibt es auch Verlierer? Ja!

Die fossile Versorgungswirtschaft. Jede neue Solaranlage verdrängt deren Strom und ist ein Sargnagel für sie. Und das ist gut so.

 

2. Grundkonzept der praktischen Umsetzung

 

Die Energiegenossenschaft errichtet Solaranlagen auf geeigneten kommunalen Dächern und verpachtet sie an die kommunale Gebäudewirtschaft für 20 Jahre zu einem festen Pachtpreis.

Warum kommunale Dächer?

Diese sind weit weniger von Insolvenzrisiken der Dacheigentümer betroffen als z.B. private Unternehmen. 20 Jahre sind eine lange Zeit, in der viel passieren kann. Da ist es risikoärmer - und damit kostengünstiger - langfristige Verträge bevorzugt mit Partnern einzugehen, die nur ein sehr geringes Insolvenzrisiko haben.

Warum Verpachtung?

Die Schule bzw. das kommunale Gebäudemanagement wird auf diese Weise Betreiber der gepachteten Anlage und kann den Strom als Eigenverbrauch mit nur 40%-iger EEG-Umlagebelastung (sogenannte „Sonnensteuer“) nutzen. Beim Bezug des Stromes von Dritten, auch von der Genossenschaft, werden 100% EEG-Umlage fällig. Es muss eine sogenannte „Personenidentität“ zwischen Stromerzeuger und Stromverbraucher bestehen, um nur die ermäßigte EEG-Umlage abführen zu müssen.

Beides, sowohl die „Sonnensteuer“ als auch die „Personenidentität“, sind von der fossil indoktrinierten Politik bewusst gesetzte rechtlich-regulatorische Hindernisse, um den weiteren Solarausbau auszubremsen - und beide entsprechend heftig juristisch umstritten. Die „Sonnensteuer“ ist mutmaßlich grundgesetzwidrig.

Warum 20 Jahre Vertragslaufzeit?

Wegen der Fristenkongruenz. Die Einspeisevergütung für den nicht selbst verbrauchten ins Netz eingespeisten Überschussstrom läuft auch 20 Jahre. Dann läuft auch der Pachtvertrag ab und es ist über einen Folgevertrag zu verhandeln.

 

Pacht

Abb. 1: Strompreisentwicklung versus Pacht , Datenquelle: Statistisches Bundesamt

 

 

3. Wirtschaftlichkeit

 

Die Wirtschaftlichkeit der Anlage ist umso größer, je höher der Eigenbedarfsanteil am erzeugten Solarstrom ist.

Die Kommune zahlt für den Strom vom Dach aber keinen Preis in Cent/kWh, sondern eine monatliche Pacht für die Anlage. Die Pacht deckt die fixen (Abschreibungen) und variablen Kosten (Wartung, Instandhaltung, Versicherung, etc.). Auf die erzeugten Kilowattstunden umgelegt ergeben sich daraus Kosten zwischen 12 und 18 Cent/kWh, je nach Anlagengröße, ihrer Ausführung, Gestaltung und Komplexität. Dazu kommt dann noch die 40%-ige EEG-Umlage („Sonnensteuer“) in Höhe von derzeit 2,6 Cent. Der wirtschaftliche Vorteil für die Bezugsstromverdrängung ist mit ca. 12-15 Cent mittlerweile stets größer als die Einspeisevergütung von max. noch bis zu ca. 9 Cent.

Da die Pacht über die 20-jährige Vertragslaufzeit konstant bleibt und nicht erhöht wird, wird der wirtschaftliche Vorteil für die Kommune bei den erfahrungsgemäß stetig steigenden Preisen tendenziell immer größer. Auf diese Weise hat die Kommune eine sehr langfristige Planungssicherheit.

In der Grafik (Abb. 1) ist das Prinzip verdeutlicht: Die Strompreise sind sowohl für Haushaltskunden (blaue Kurve, inkl. MwSt.) als auch für kleinere Industriekunden (2-20 GWh/a; schwarze Kurve, ohne MwSt.) in den zurückliegenden 10-15 Jahren um durchschnittlich ca. 3% (Haushaltskunden) bis 4% (kleinere Industriekunden) pro Jahr gestiegen. Das verrät uns das Statistische Bundesamt (1), die Daten liegen bis Mitte 2020 vor.

Diese Preissteigerungsrate von ca. 3% (hellrote gestrichelte Kurve) wird für die nächsten 20 Jahre in die Zukunft projiziert, weil aus jetziger Sicht auch kein plausibler Grund erkennbar ist, warum sich daran etwas ändern sollte.

Diese hellrote gestrichelte Kurve zeigt die Preisentwicklung eines beliebigen Kunden, dessen Preis mit ca. 20 Cent/kWh irgendwo im Mittelfeld zwischen den kleinen Industrie- und Haushaltskunden angesiedelt ist. Das ist bei den meisten Gewerbekunden und kommunalen Stromverbrauchern der Fall.

Die grüne durchgezogene Kurve zeigt den Strompreis, der sich aus der Pacht ergibt, wenn diese auf die selbstverbrauchten kWh umgelegt wird. Im Beispiel ist sie genau so hoch, wie der Strompreis im ersten Jahr 2021. Ein wirtschaftlicher Vorteil ergibt sich in diesem Jahr nur aus der Einspeisevergütung für den Überschussstrom.

Wie sich der wirtschaftliche Vorteil in den Folgejahren bis 2040 entwickelt, ergibt sich aus der dunkelroten gestrichelten Kurve ganz unten rechts. Er steigt von Jahr zu Jahr in dem Maße, wie der Strompreis am Markt steigt.

 

4. Ausblick

 

Bei weiter steigenden Strompreisen und weiter sinkenden Einspeisevergütungen tritt im derzeitigen rechtlich-regulatorischen Rahmen daher eine Entwicklung ein, die sich immer stärker zugunsten der reinen Eigenbedarfsoptimierung auswirkt und damit einer Ausnutzung möglichst der gesamten nutzbaren Dachflächen entgegenwirkt.

Daraus folgt ja auch, dass die Anlage - dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechend - möglichst nur auf die Deckung des Eigenbedarfes hin optimiert wird.

Bei größeren Dachflächen ist das unglaublich viel verschenktes Potenzial. Von der Politik im Interesse der fossilen Lobby aber leider ganz bewusst so gewollt und gesteuert. Das ist das genaue Gegenteil von Klimaschutz. Es geht auch anders, wenn die Politik das will und konstruktiv im Sinne der Energiewende entscheiden würde.

 

Quellen: 

[1] Energiemarktdaten: https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Preise/Energiepreise/Energiepreisentwicklung.html  (dann „Daten zur Energiepreisentwicklung“)

[2] www.bbeg.de

[3] https://www.youtube.com/watch?v=U5r6OvQhg8g

 

 

Zum Autor:

Gunnar Harms  arbeitete fast 30 Jahre lang in einem Großunternehmen der chemischen Industrie im Energiebereich. Er hat umfassende Erfahrung in nahezu allen Bereichen der industriellen Energiewirtschaft und Energiepolitik und ist branchenübergreifend sehr gut vernetzt. Aufgrund der ausgeprägten Kenntnisse und Erfahrungen im Bereich der Marktentwicklungen und Preisstellungen für Strom und Gas wurde er seit 2009 mehrfach mit entsprechenden Fachgutachten beauftragt. Er verfügt über ein breit gefächertes Verständnis der kontroversen Akteursinteressen und -positionen sowie der jeweiligen Hintergründe und Argumentationslinien.

Nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Berufsleben 2019 unterstützt er die Energiewende als Vorstand der Bergischen Bürger-energiegenossenschaft bbeg eG in Wuppertal und seit 2020 auch als Vorstand des Bündnis Bürgerenergie e.V. sowie in einer Reihe weiterer Organisationen.