5 Fragen zu nachhaltigeren Batteriespeichern
Dr. Nils Reiners zu Organic Redox-Flow-Batterien
1. Wir hören oft den Vorwurf, dass die Batterien zur Speicherung von erneuerbarem Strom genauso umweltschädlich seien wie fossile Energieträger. Was würden Sie antworten?
Die Energiewende ist ohne Speicher nicht zu schaffen. Der CO₂-Ausstoß für die Herstellung von Batterien wird weiter reduziert, je näher wir an das Ziel 100%-Erneuerbare herankommen. Auf nicht vermeidbare negative Umweltwirkungen können wir mit drei Strategien reagieren:
- Zunächst sollten so wenig Speicher wie möglich gebaut werden, aber keinesfalls weniger als notwendig. Der Bedarf an Speichern kann reduziert werden, wenn der Strombedarf insgesamt gesenkt wird. Zwar ist durch die Elektrifizierung der Sektoren Verkehr und Wärme ein steigender Strombedarf zu erwarten, aber eine intelligente Steuerung von Lasten sowie der Einsatz von E-Mobilen als Speicher, wirken sich mindernd auf den Bedarf aus.
Weiterhin müssen die Lieferketten vollständig transparent gestaltet werden. Besonders Menschenrechtsverletzungen und illegale Naturzerstörungen müssen unbedingt verhindert werden. Es ist wünschenswert, dass sehr viele unterschiedliche Speichertechnologien zum Einsatz kommen, so dass eine einseitige Abhängigkeit von Ländern und Rohstoffen nicht entsteht. - Zuletzt ist die Entwicklung von Speichertechnologien, die keine oder weniger kritische Rohstoffe enthalten, zentral. Dazu gehört auch das wichtige Argument der Reduktion der Abhängigkeit von undemokratischen Ländern. Die Forschung muss mit ausreichenden Mitteln versehen werden, um diese innovativen Systeme zu entwickeln und konkurrenzfähig zu machen. Es sollte darauf hingewirkt werden, dass die nachhaltigeren Technologien auch einen ökonomischen Vorteil haben. Dies kann entweder durch eine Einpreisung der Folgekosten für Umwelt und Mensch geschehen oder durch eine spezifische Förderlandschaft, zum Beispiel durch Förderung von Speichersystemen aus lokaler Produktion.
2. Die Forschung fokussiert sich z. B. auf Redox-Flow-Batterie. Was sind deren technische Vorteile?
Organic-Redox-Flow-Speicher können eine Alternative zu den dominierenden Lithium-Ionen-Speichern sein. Die negativen Auswirkungen des Abbaus von Lithium, Cobalt oder Nickel werden reduziert und die Abhängigkeit von autoritären Staaten vermindert. Aktuell ist die am weitesten verbreitete Technologie im Bereich der Redox-Flow-Speicher die Vanadium-Redox-Flow-Batterie. Diese ist technisch bereits sehr ausgereift und bietet eine gute Grundlage für viele Anwendungen von Heimspeicher-Lösungen bis in den industriellen Betrieb im Megawatt-Bereich. Im Vergleich dazu befindet sich die organische Redox-Flow-Batterie noch in einem früheren Entwicklungsstadium, bietet jedoch das Potenzial, langfristig kostengünstigere und nachhaltigere Lösungen zu ermöglichen.
Technisch liegt der Vorteil von Redox-Flow-Speichern in der Möglichkeit, dass die Energie und die Leistung dieser Systeme vollständig und unabhängig skaliert werden können. Prinzipiell lassen sich dadurch Systeme mit sehr langen Speicherzeiten für einen niedrigen Preis realisieren, weil es günstig ist, die getrennten Energieeinheiten hinzuzufügen. Dadurch, dass der Elektrolyt, der die Ladungen trägt, in Kanistern in flüssiger Form aufbewahrt werden kann, kann dieser prinzipiell auch sehr gut wieder aufbereitet und recycelt werden. Das System ist sicher, weil der Elektrolyt nicht brennbar ist.
3. Wo sollen sie angewendet werden und welche Rolle werden sie für die Energiewende einnehmen?
Redox-Flow-Speicher können ihre Vorteile vor allem ausspielen, wenn es um Langzeitspeicherung geht, also Strom über mehrere Tage gespeichert bzw. wieder abgegeben werden soll. Für diese Anwendungen sind Lithium-Ionen Speicher zu teuer. Durch das Prinzip der unabhängigen Skalierung von Energie und Leistung (wie oben schon beschrieben) sind Langzeitspeicher prinzipiell günstig herzustellen.
4. Wie weit sind wir von einer flächendeckenden Anwendung entfernt und welche Herausforderungen stehen uns noch bevor?
Noch sind wir von einer flächendeckenden Anwendung von Redox-Flow-Speichern entfernt, da die Produktionskosten höher sind als bei etablierten Lithium-Ionen-Batterien. Bei den Redox-Flow-Speichern ist die Vanadium-Redox-Flow-Batterie (VRFB) technisch bereits sehr weit entwickelt und wird in ersten kommerziellen Anwendungen eingesetzt.
Technisch und ökologisch gibt es Herausforderungen: In den beiden Tanks sind unterschiedliche Oxidationsstufen von Vanadium in einer Lösung zu finden. Der Einsatz von Vanadium hat einige Nachteile. Es ist potenziell umweltschädlich und unterliegt starken Preisschwankungen. Die Ressource ist begrenzt auf wenige Förderländer, vor allem China, Russland, Südafrika und Brasilien.
Die Forschung sucht nach Möglichkeiten, den Vanadium Elektrolyt durch organische Materialien zu ersetzen und so diese negativen Aspekte zu vermeiden. Organische Redox-Flow-Batterien befinden sich jedoch noch in einem früheren Entwicklungsstadium. Erste Pilotanlagen für diese neue Generation laufen an Universitäten und bei spezialisierten Unternehmen. Dort wird an den bestehenden und großen Herausforderungen gearbeitet, z. B. an der Effizienzsteigerung, der Erhöhung der Energiedichte, der Skalierung von Pilotanlagen auf industrielle Fertigung bis hin zum Aufbau von Lieferketten für neue Materialien.
5. Was ist Ihre Vision von den nächsten 5 Jahren in der Speicherentwicklung und -anwendung?
Wichtig bleibt, dass weiterhin Fördermittel für organische Redox-Flow Speicher bereitgestellt werden. Nur wenn erfolgreiche Beispiele entstehen, die die Funktionalität dieses Speichersystems erfolgreich demonstrieren können, besteht die Chance, dass es sich durchsetzt. Ein mögliches und durchaus realistisches Szenario ist, dass Redox-Flow-Speicher in 5 – 10 Jahren in bestimmten Nischen wie z. B. Windparks und Quartieren wirtschaftlich konkurrenzfähig sind.
Wir Danken für das Interview!