Buchbesprechung

 

15 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen stammten 2021 aus dem Gebäudesektor. Die Klimaschutzziele der Bundesregierung werden in diesem Sektor regelmäßig verfehlt. Meist geraten hier nur die Heizungsanlagen und die Gebäudedämmung in den Blick. 

Der Wirtschaftswissenschaftler Daniel Fuhrhop hat einen umfassenderen Blick auf die Klimawirkung von Gebäuden. Er bezieht die Emissionen mit ein, die beim Bau entstehen; die Flächenversiegelung; und die durch Neubausiedlungen verursachten zusätzlichen Verkehrs-Emissionen. Mit diesem Ansatz gelangt er zu einer radikalen Forderung, die im vorliegenden Buch zum Titel wurde: „Verbietet das Bauen!“ 

Der Titel ist bewusst provokativ, aber Fuhrhop meint ihn ganz ernst. Mit Kompromissen solle man gar nicht erst beginnen. Eine radikale Wende sei nötig: „Konsequent. Ausnahmslos.“ (174) Auch Passivhäuser verfallen seinem Verdikt: Sie bewirken eine „Zersiedlung der Städte im ökologischen Gewand“ (49). Und sie weisen per saldo eine Energiebilanz auf, welche der Sanierung von Altbauten deutlich unterlegen ist (95). 

Mit eindrucksvollen Zahlen belegt Fuhrhop, dass der exzessive, von verschiedensten Akteuren forcierte „Bauwahn“ die vorhandene Wohnungsnot nicht bekämpft. „Von 1993 bis 2018 stieg in Deutschland die Einwohnerzahl um gut zwei Millionen, für die man etwas mehr als eine Million Wohnungen benötigt hätte. Die Zahl der Wohnungen stieg aber zeitgleich sogar um sieben Millionen […]. Also haben wir rechnerisch fast sechs Millionen Wohnungen zu viel gebaut!“ (58) Einer der Gründe liegt in der „Investification“ von Wohnraum, der zunehmend als Geldanlage verstanden wird: Reiche kaufen Wohnungen, die nicht (oder kaum) zum Wohnen verwendet werden und meist leerstehen. Fuhrhop fordert in diesem Zusammenhang eine „Residenzpflicht für Reiche“ (61, 110). 

Auch sonst entwickelt das Buch mit zahlreichen Vorschlägen konstruktive Lösungen. Der gemeinsame Nenner der meisten davon ist Suffizienz: „Damit es ohne Neubau geht, müssen wir zusammenrücken!“ (144) Fuhrhop will nichts verordnen, aber stellt zahlreiche Instrumente vor, mit denen Formen des gemeinschaftlichen Wohnens gefördert werden können (vom Mehrgenerationenhaus über Umbaugemeinschaften, Wohnungstausch und Umzugsmanagement, „Wohnen-für-Hilfe“-Projekte bis hin zu Hausbesetzungen, die dem Verfall von Altbauten Einhalt gebieten). Seine Vorschläge beziehen sich nicht nur auf Wohngebäude, sondern auch auf Büro-Immobilien (wo die Probleme ähnlich liegen) und auf Shopping-Center, welche die Ladeninfrastruktur in den Innenstädten vernichten. 

In 100 „Werkzeugen“ werden seine Ideen am Ende des Bandes noch einmal zusammengefasst. Das ist alles sehr anregend und frisch. Aber man fragt sich: Welche Akteure sind hauptsächlich angesprochen? Fuhrhop scheint den staatlichen Instanzen wenig zu vertrauen. „Wenn die Ministerien weiter versagen, müssen wir es wohl selber machen“, schreibt er im Vorwort zur hier vorliegenden Neuauflage 2020 (18). Aber wie kommen „wir“ gegen die Verwertungslogik des Kapitals nicht nur punktuell, sondern auf breiter Front an? Selbst die Idee des Teilens von Wohnraum ist doch durch Plattformen wie Airbnb längst zur Ware verkommen. 

Und folgen nicht die meisten Menschen einer Logik der Individualisierung, die mit dem Siegeszug des Neoliberalismus noch einmal einen Gang zugelegt hat? Auf der Ebene des Wohnens entsprechen dem die Abermillionen von platzraubenden Single-Haushalten. Ob die sympathischen Vergemeinschaftungsideen in Fuhrhops Buch dagegen ankommen, ist fraglich. Aber immerhin führt es auch für die Frage des baulichen Zusammenlebens den Beweis: Eine bessere Welt ist möglich.

Daniel Fuhrhop:
Verbietet das Bauen! Streitschrift gegen Spekulation, Abriss und Flächenfraß. 
München: oekom 2020. 222 Seiten. 15,00 €. ISBN 978-3-96238-194-3  

 

Titelbild: CC BY-SA 4.0 International, Andreas Schwarzkopf