Pflanzenöl als Fahrzeugantrieb?

vom 29.09.2000


Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Umweltfreunde,
der untenstehende Beitrag von Professor Ernst Schrimpff trägt sicherlich zur Versachlichung der Diskussion darüber bei, welche Technik als Nachfolgetechnik für den diesel- oder benzingetriebenen Kfz-Motor infrage kommt.
Professor Schrimpff lehrt an der Fachhochschule Weihenstephan. Seine Fächer sind Standortkunde und Erneuerbare Energien.
Seine Anschrift ist schrimpff@fh-weihenstephan.de
Mit freundlichen Grüßen
Wolf von Fabeck

--------------------------------------------------------------
Es stimmt, daß derzeit auf deutschen Ackerböden nicht die Pflanzenölmenge erzeugt werden kann, die der extrem verschwenderische Verkehr heute benötigt. Rechnerisch könnten 15 % davon gedeckt werden, wenn jeder 4. Hektar Ackerboden in Deutschland mit Raps (Ertrag: 1000 bis 1200 Liter je Hektar und Jahr) angebaut werden würde.

Gegenfrage: Wie viele Fahrzeuge fahren in Deutschland heute mit deutschem Erdöl? Antwort: weit unter 1 % !

(Anmerkung der Redaktion: Professor Schrimpff empfiehlt aber keinesfalls den Anbau von Raps, sondern schlägt andere Pflanzen vor, wie Sie weiter unten sehen.)

Wo liegen 70 % der Weltreserven an konventionellem Erdöl?
In den 5 Erdöl-Ländern des Nahen Ostens: Saudi-Arabien, Kuweit, Bahrein, Irak und Iran! Welch ungeheure geopolitische Abhängigkeit!

Also: Warum sollten wir in Zukunft nicht Pflanzenöl aus der Dritten Welt, insbesondere aus den tropischen Ländern importieren?

Jedes Land auf unserem Planeten hat heimische Ölpflanzen, die u.a. für eine Pflanzenöl-Produktion angebaut werden könnten. In der Sahelzone z.B. gedeiht die Purgiernuß als Windschutzhecke, die Ackerböden vor Winderosion schützt, vorzüglich! Das Land Mali deckt inzwischen etwa 1/3 des Erdölbedarfs mit heimischem Purgiernußöl!

Es gibt weit über 1000 anbaufähige Ölpflanzen auf der Welt!
Wenn man eine davon als Beispiel herausgreift, die einen überdurchschnittlich hohen Hektarertrag aufweist, die Ölpalme (bis 10.000 Liter pro Hektar und Jahr) und diese nur auf 12 % der Gesamtfläche Afrikas anbauen würde, dann könnte mit der jährlichen Pflanzenöl-Ernte der derzeitige verschwenderische Erdölbedarf der Welt ersetzt werden!

Realistischer und ökologischer ist es natürlich, die jeweils heimischen Ölpflanzen in jedem Land anzubauen, und zwar in Zukunft nicht als Monokulturen, sondern z.B. als Agroforst-Kulturen des Öko-Landbaues.

Würden wir diese Vision realisieren, alle Dritte-Welt-Länder würden befreit von der unseligen Erdöl-Abhängigkeit und hätten ein vorzügliches Exportgut, das ihnen keine Boden-Nährstoffe (wie beim Futter- und Nahrungsmittel-Export) entziehen würde. Denn Pflanzenöle sind reine Kohlenwasserstoffe (nur C, H und wenig O!). Und havarierte Pflanzenöl-Tanker wären kein Umweltproblem: Fische würden unerwartet ein Festmahl haben und Mikroorganismen würden in kürzester Zeit die Reste des ausgelaufenen Pflanzenöls abbauen.

Die Unkenntnisse über die
Möglichkeiten der Pflanzenöl-Technologie sind gigantisch. Und die Vorurteile darüber in manchen Köpfen noch größer. Kein Wunder: Selbst das Umweltbundesamt verbreitet Ergebnisse von ausgesprochen dubiosen Gutachten, die die Sinnhaftigkeit von naturbelassenem Pflanzenöl als Kraftstoff im Vergleich zu Diesel ökologisch und ökonomisch in Frage stellen. Sollte jemand Interesse haben, die "Hämmer" in diesen Gutachten kennen zu lernen, gerne bin ich bereit eine eigene 4-seitige Stellungnahme zur Verfügung zu stellen.

Daß naturbelassenes Pflanzenöl als Kraftstoff auch ökologisch sinnvoll ist, möchte ich mit einem Beispiel belegen:

In Bayern laufen seit mehr als 3 Jahren sehr erfolgreiche private Feldversuche bei Öko-Landwirten, die keine Mineraldünger und keine synthetischen Spritzmittel verwenden und keine Monokulturen, sondern Mischfruchtanbau betreiben:

Weizen, Roggen und Gerste, ja sogar Erbsen werden jeweils zusammen mit Leindotter gesät, gleichzeitig geerntet und gedroschen und die Samen per Siebsätze problemlos getrennt. Das Ergebnis:
Die Erträge der 3 Getreidearten sind - verglichen mit entsprechenden Monokulturen - etwa gleich, die Backqualität des Getreides ist aber besser, so daß höhere Preise erzielt werden können. Die Ernte-Erträge bei den Erbsen sind signifikant höher: sie haften sich an den Leindotter und können mehr Schoten ausbilden! Ferner werden zwischen 80 bis 150 Liter Pflanzenöl vom Leindottersamen je Hektar und Jahr zusätzlich gewonnen, sozusagen als Gratis-Beigabe! Und bei solchem Mischfruchtanbau gibt es kaum Unkrautdruck: Der Leindotter füllt die Lücken, ohne mit dem Getreide oder den Erbsen zu konkurrieren, im Gegenteil, offenbar fördern sich die jeweiligen zwei Feldfrüchte gegenseitig!

(Anmerkung der Redaktion: Leindotter ist eine gelbblühende Pflanze mit ölhaltigem Samen. Früher wurde Leindotter als "Unkraut" zwischen dem blaublühenden Lein ("Leinwand", "Linnen") gefunden; daher der Name.
Leindotter ist anspruchsloser als Raps, Sonnenblumen und viel andere Ölpflanzen. Leindotter wächst nicht so hoch wie Getreide, nimmt diesem deshalb kein Licht. Außerdem hat Leindotter Pfahlwurzeln im Gegensatz zu den breiteren Wurzeln des Getreides.)

Es ist bekannt, daß konventionelle Landwirte etwa 80 bis 100 Liter Treibstoff pro Hektar und Jahr für die intensive Bodenbearbeitung benötigen. Öko-Landwirte, die Minimal-Bodenbearbeitung betreiben, brauchen weit weniger. Das heißt, das im Mischfruchtanbau gewonnene Leindotteröl deckt selbst bei einem konventionellen Landwirt den Treibstoff-Bedarf vollständig, bei einem Öko-Landwirt kann sogar der größte Teil des Leindotteröls vermarktet werden: ein zusätzlicher Gewinn!


Pflanzenöl kann und wird sehr wohl der zukünftige, umweltfreundliche und sozialverträgliche Erdöl-Ersatz weltweit sein. Ich gehe aber davon aus, daß wir das große Potential an Energie-Effizienz-Steigerung in den nächsten Jahren zunächst ausschöpfen werden!

Ich hoffe, ich habe mit diesen Ausführungen einige offene Fragen klären können.

Mit sonnigen Grüßen
Ihr E. Schrimpff