Datum: 15.12.2000

'Ökostromhandel' hält nicht was er verspricht



Sehr geehrte Umweltfreunde,

im Kurzinterview der Neuen Energie habe ich neulich geäußert, der größte energiepolitische Flop sei der 'Ökostromhandel'. Darauf gab es einige neugierige Nachfragen, auf die ich hier eingehen möchte.


Vor etwa drei Jahren, angeregt durch die Liberalisierung des Strommarktes, kam bei den deutschen Stromversorgern (aus recht durchsichtigen Erwägungen) die Idee auf, die Einführung der erneuerbaren Energien müsse dem freien Markt überlassen werden. Wer mehr saubere Luft haben wolle, müsse dafür halt mehr bezahlen. Die ersten Umwelttarife wurden eingeführt, die Idee des 'Ökostromhandels' war geboren.

Unter deutschen Umweltfreunden setzte sich dagegen eine andere Überzeugung durch, nämlich: Die Einführung der erneuerbaren Energien ist eine Gemeinschaftsaufgabe, die gleichmäßig auf ALLE Schultern verteilt werden muss, wie dies z.B. das Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (EEG) vorsieht.

Dennoch besteht bei vielen Umweltfreunden die hoffnungsvolle Vorstellung, es könne die durch das Stromeinspeisungsgesetz und durch das EEG in Gang gesetzte Entwicklung mit Hilfe eines ZUSÄTZLICHEN 'Ökostromhandels' durch Idealisten noch weiter zusätzlich beschleunigt werden.


Diese Idee der ZUSÄTZLICHEN Impulse klingt zwar überzeugend, findet aber - wie wir drei Jahre später zu unserer großen Enttäuschung feststellen müssen - in der Praxis nicht statt; im Gegenteil! Die nicht geringen finanziellen Geldopfer der Idealisten werden teilweise missbräuchlich eingesetzt, und dort wo sie nicht missbräuchlich eingesetzt werden, verpufft wegen der unausweichlichen hohen Nebenkosten ihre Wirkung.

Die Mehrzahl der 'Ökostromhändler' täuscht ihre Kunden sogar vorsätzlich und der Rest arbeitet beklagenswert ineffektiv. Drei Jahre nach Gründung der ersten 'Ökostromhandelsgesellschaften' wird es Zeit, diesen Tatsachen ins Auge zu sehen.


'Ökostromhandel' setzt auf opferwillige Stromkunden. Deren Opfer besteht darin, dass sie freiwillig mehr bezahlen. Wofür eigentlich? Doch nicht im Ernst dafür, dass der Strom in ihrer Steckdose grün ist???
Ziel dieser Idealisten ist es natürlich, den Bau von Anlagen zur Nutzung der Erneuerbaren Energien (EE-Anlagen) voranzutreiben.

Nun werden in Deutschland unter der vorbildlichen Förderung durch das EEG ohnehin bereits viele EE-Anlagen gebaut, auch ohne den 'Ökostromhandel'.
Die Anlagenbetreiber erhalten eine Einspeisevergütung, die ihnen offenbar ausreicht (bei Wind, Wasserkraft und Biomasse) oder die sie mit nicht allzugroßen Zuschüssen aus der eigenen Tasche ergänzen können (bei Solarstrom). Bezahlt wird diese Einspeisevergütung (gemäß den Bestimmungen des EEG) durch eine Umlage auf alle Stromhändler.

Die Stromhändler ihrerseits lassen sich die Umlage von ihren Stromkunden wiedergeben, wobei sie - je nach Geschäftspolitik - entweder alle Stromkunden gleichmäßig belasten (was wir sehr begrüßen), oder aber einen Unterschied zwischen den Stromkunden machen (wogegen wir erhebliche Einwände haben).

Im letzteren Fall teilt nämlich der Händler seine Kunden in 'Egalstromkunden' und in 'Ökostromkunden' ein. Beide bekommen physikalisch gesehen den gleichen Strom. Die 'Ökostromkunden' aber erhalten eine Rechnung über 'Ökostrom' und zahlen freiwillig mehr. Die Egalstromkunden werden dadurch entlastet. Sie brauchen entsprechend weniger zu zahlen.

Die 'Ökostromkunden' werden zur Aufrechterhaltung ihrer Motivation durch den Händler darüber informiert, dass ihr Geld für neue Anlagen verwendet wird.
Das trifft zwar zu, ist aber nur die halbe Wahrheit. Es wird nämlich verschwiegen, dass diese neuen Anlagen unter dem EEG ohnehin gebaut worden wären, auch dann, wenn der 'Ökostromkunde' keinen 'Ökostromtarif' gezahlt hätte.
Dieses Verschweigen grenzt an arglistige Täuschung!


Ziel der 'Ökostromkunden' ist es doch eigentlich - auch wenn es oft nicht so deutlich ausgesprochen wird - dass nicht nur die Anlagen gebaut werden, die ohnehin unter dem EEG gebaut werden würden, sondern dass darüber hinaus weitere zusätzliche Anlagen entstehen, die alleine unter der Einspeisevergütung des EEG sonst nicht gebaut worden wären.

Selbst wenn eine 'Ökostromhandelsgesellschaft' ohne Arglist dieses gute Ziel verfolgt, zusätzlich zu den EEG-geförderten Anlagen noch weitere zu initiieren wie die Naturstrom AG, so arbeitet sie zumindest höchst ineffektiv.
Im Kern handelt es sich in diesem Fall um das Einsammeln von Spenden, mit denen dann Betreiber von EE-Anlagen unterstützt werden, die sonst keine Anlage hätten bauen können.
Dies geschieht auf höchst umständliche Weise. Die Naturstrom AG überzeugt ihre Stromkunden, dass sie einen Beitrag zur Energiewende leisten sollen, der ihrem Stromverbrauch entspricht (8 Pfennige für jede verbrauchte Kilowattstunde aus dem öffentlichen Netz). Sie bezeichnet diese 8 Pfennige aber nicht als Spende, sondern spricht von 'Ökostromhandel'.

Nimmt man es ganz genau, tut die Gesellschaft zweierlei:

1.) Sie kauft Egalstrom ein und verkauft ihn mit einem Aufpreis als 'Ökostrom'.

2.) Sie gibt den unter 1.) erwirtschafteten Gewinn an die Betreiber von EE-Anlagen weiter, die andernfalls keine Anlage hätten bauen könen.


Die Vermengung dieser beiden Tätigkeiten 1.) und 2.) wird von den Strategen dieser Gesellschaft für notwendig gehalten, weil sie den Eindruck vermeiden wollen, dass sie "nur" Spenden einsammeln. Sie halten den Titel eines 'Ökostromhändlers' für seriöser (Ich frage mich schon lange, warum eigentlich!).

Woher kommt nun die von uns beklagte Ineffektivität des Verfahrens? Die Tätigkeit unter 1.) ist Stromhandel und bedingt, da mit vielen tausend Einzelkunden durchgeführt, einen enormen Verwaltungsaufwand. Dieser Verwaltungsaufwand könnte völlig entfallen, wenn die Naturstrom AG sich auf das direkte Einsammeln von Spenden nach freiwilliger Selbsteinschätzung ihrer Kunden/Spender beschränken würde. Für die Verwaltungsaufgaben der Gesellschaft geht somit durch den (eigentlich unnötigen) Stromhandel ein Geldbetrag verloren, der fast so groß ist wie das finanzielle Opfer der Idealisten (diese laufenden Verluste werden - z.Zt. noch - aus den Erlösen des Aktienverkaufs gedeckt). Das Verfahren ist gut gemeint, aber - wie gesagt - von dramatischer Ineffektivität.
Das Verfahren der Naturstrom AG wird gelegentlich als Aufpreisverfahren bezeichnet und erhielt vom Ökoinstitut Freiburg das GOLDENE ÖKOSTROMLABEL. Doch leider ist eben auch nicht alles Gold, was glänzt.

Ich bezweifle, dass das gewählte Verfahren der Naturstrom AG mehr Geld einbringt, als wenn sie offen Spenden sammeln würde.
Außerdem trägt die Vermischung von Stromhandel und Wohltätigkeit unter der irreführenden Bezeichnung 'Ökostromhandel' zur gefährlichen Verwirrung der Begriffe bei. Dazu empfehle ich den ausführlichen Beitrag von Britta Marold Welche Farbe hat Strom?

Lassen Sie mich das komplizierte Aufpreisverfahren abschließend mit einer einfacheren und effektiveren(!) Möglichkeit vergleichen.


Der opferbereite Idealist beteiligt sich im Rahmen einer Betreibergemeinschaft am Bau einer Anlage, die dann eine Vergütung nach EEG erhält. Sein finanzielles Opfer besteht darin, dass die Einspeisevergütung für den wirtschaftlichen Betrieb nicht ausreicht und die finanziellen Verluste aus der eigenen Tasche zu tragen sind. Anders ausgedrückt: Der Teilnehmer an der Betreibergemeinschaft bekommt nicht den gesamten eingezahlten Betrag, sondern nur einen Teil davon zurück.
Dies Verfahren ist einfach zu überschauen und wirkt direkt. Jeder kann sich selber durch Augenschein vom Entstehen und von der Funktion seiner Anlage überzeugen. Das aufgewendete Geld fließt direkt und nach Abzug der notwendigen Verwaltungskosten zu einem hohen Prozentsatz in den Bau ZUSÄTZLICHER neuer Anlagen.


Der durchgeführte Vergleich sollte uns nicht entmutigen. Er bringt uns vielmehr auf die anzustrebende Lösung!
Nicht 'Ökostromhandel', sondern die Beteiligung an einer Betreibergemeinschaft sind für den Idealisten, der sich keine eigene Anlage leisten will oder kann, die gewünschte Möglichkeit, das Tempo der Energiewende weiter zu beschleunigen.

Mit freundlichen Grüßen
Wolf von Fabeck