Seit Jahrzehnten hat die Staatsquote abgenommen - unabhängig davon, welche Regierung am Ruder war. Als Ideal galt der "schlanke Staat". Doch unser Staat ist nicht schlank, sondern machtlos. Ihm fehlt das Personal zur Wahrnehmung wichtigster Gemeinschaftsaufgaben. Dazu einige Beispiele: Es fehlen Erzieherinnen in Kinderkrippen und Tagesstätten. Es fehlen Lehrer in allen Schulformen. PISA-Sieger Finnland hat vergleichsweise dreimal so viele Lehrer zur Betreuung seiner Schüler im Einsatz. Dort können sich die Lehrer in kleinen Gruppen um Kinder mit unterschiedlichen Voraussetzungen kümmern. Bei uns fehlt hingegen sogar das Personal für einen effektiven Sprachunterricht zur Integration von Ausländern. Es fehlen Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter zur Betreuung des studentischen Nachwuchses. Unternehmen beklagen sich über den mangelnden Stand des Schulwissens bei den Berufsanfängern. Mit dem Schul- und Bildungssystems vernachlässigt der Staat die Zukunft unserer Gesellschaft.
Es fehlt auch an Richtern und Hilfspersonal bei den Gerichten. Über Jahre muss man auf ein rechtskräftiges Urteil warten. Kartellamtsentscheidungen, die das Funktionieren eines freien Wettbewerbs gewährleisten sollen, kommen nur mit großer Zeitverzögerung. Die Strafverfolgung leidet unter mangelhafter technischer Ausstattung und unter Personalmangel.
Im sozialen Bereich fehlt es ebenfalls an Personal. Suchtberatungsstellen werden geschlossen, obwohl die Zahl der Süchtigen nicht abnimmt. Die Betreuung von Obdachlosen, Angebote für Jugendbetreuung fehlen. Wichtige Aufgaben der Zukunftsvorsorge, wie Energieversorgung und Wasserversorgung werden privatisiert, weil dem Staat die Mittel fehlen.

Die Befürworter eines "schlanken Staates" vergessen, dass der Wert eines Wirtschaftsstandortes sich ganz wesentlich nach den vom Staat bereitgestellten Dienstleistungen richtet: Gute Schulausbildung für den Nachwuchs, sozialer Friede, eine intakte Rechtsprechung - kurz gesagt, eine solide Infrastruktur. Mit der Vernachlässigung dieser Werte verspielt Deutschland wichtige Chancen!

Fehlendes Personal für wichtige Aufgaben einerseits und Massenarbeitslosigkeit andererseits sind zwei Seiten der selben Medaille, denn sie gehen auf die selben Ursachen zurück: Zu geringe Steuereinnahmen und zu hohe Personalnebenkosten.

Um diese verfahrene Situation zu beenden, fordert der Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV) eine Streichung des Arbeitgeberanteils an der Sozialversicherung. Die Sozialversicherung soll stattdessen mit Hilfe einer höheren Energiesteuer finanziert werden. Zum Ausgleich der steuerbedingten Energiepreisanhebung im privaten Sektor schlägt der SFV die Auszahlung eines Energiegelds von 100 Euro pro Person und Monat vor.

Die Energie bietet sich als ergiebige Steuerquelle an. Wie ergiebig sie ist, zeigt die Erfahrung der letzten Jahre: Obwohl die Energiekonzerne unglaubliche Gewinne abschöpfen, lassen sich Bürger und Unternehmen nicht davon abhalten, Energie unverdrossen weiter zu verbrauchen. Hieraus sollten Konsequenzen gezogen werden. Ehe die Energiekonzerne unverhältnismäßige Gewinne abschöpfen, wäre es sinnvoller, wenn der Staat die Energie zugunsten wichtiger Gemeinschaftsaufgaben höher besteuerte. Derzeit wird diese Möglichkeit kaum genutzt. Die Einnahmen aus der Strom- und Mineralölsteuer (48 Mrd.) sind noch nicht einmal ein Zehntel so hoch wie die Einnahmen aus der Lohnsteuer und aus den Sozialbeiträgen (513 Mrd.).

Auswirkungen der Vorschläge

Bei den energieintensiven Unternehmen führt die Energiesteuer-Mehrbelastung zu einer Schlechterstellung. Bei den personalintensiven Unternehmen hingegen führt die Streichung des Arbeitgeberanteils zu einer Besserstellung. Bisher mussten personalintensive Unternehmen schließen oder ins Ausland abwandern, zukünftig wird sich der Trend umkehren. Zu den Gewinnern werden dann die personalintensiven Unternehmen zählen, die Pharmaindustrie, der Maschinenbau, der Automobilbau, das Handwerk und insbesondere die eingangs genannten staatlichen Dienstleistungsunternehmen vom Schulwesen bis zur Kriminalpolizei. Siehe dazu auch die Tabelle Gewinner und Verlierer auf der nächsten Seite.

Eine Verteuerung von Energie würde die energieintensiv hergestellten Grundstoffe, wie Stahl, Zement und Kunstdünger deutlich verteuern. Die Folge wäre ein Aufblühen solcher Wirtschaftszweige, die mit weniger Grundstoffen auskommen, dafür aber mehr Personal beschäftigen: Das Dienstleistungsgewerbe, das Instandsetzungsgewerbe, der Holzbau oder die ökologische Landwirtschaft.

Dazu ein Beispiel:
Die ökologische Landwirtschaft arbeitet personalintensiv. Sie wird durch die Streichung des Arbeitgeberanteils stark entlastet und kann ihre Produkte billiger anbieten. Die konventionelle Landwirtschaft arbeitet mit hohem Kunstdüngereinsatz; dieser wird sich bei einer Erhöhung der Energiesteuer deutlich verteuern. Ihre Produkte werden deshalb teurer. Die Verbraucher werden vermehrt die billiger werdenden Produkte aus ökologischem Anbau kaufen; die ökologischen Betriebe werden aufblühen, Konventionell arbeitende Landwirte werden auf ökologischen Landbau umstellen. Da ökologischer Landbau personalintensiv ist, werden sie mehr Personal einstellen.

Steuersatz und Höhe des Energiegeldes

Der Arbeitgeberanteil der Sozialversicherung beträgt bundesweit 195 Mrd. Euro jährlich. Der gewerbliche Endenergieverbrauch beträgt pro Jahr etwa 1660 Mrd kWh. Es ergibt sich ein Steuersatz von 195 / 1660 = 0,12 Euro pro kWh.

Der private Energieverbrauch beträgt etwa die Hälfte des gewerblichen Verbrauchs. Die Einnahmen liegen somit ebenfalls nur bei der Hälfte von 195 Mrd. Aufgeteilt auf die 80 Millionen Einwohner ergibt sich ein "Energiegeld" von 100 Euro pro Monat und Person.

Anreiz zur Erhöhung der Energieeffizienz

Wenn aufgrund der Energieverteuerung der Energieverbrauch zurückgeht, muss der Steuersatz entsprechend erhöht werden, damit die Staatseinnahmen gleich bleiben. Volkswirtschaftlich gesehen muss eine bestimmte Summe aus der Energiesteuer herausgeholt werden, damit der Arbeitgeberanteil an der Sozialversicherung (195 Mrd. Euro jährlich) sowie das Energiegeld (100 Euro monatlich) bezahlt werden können, gleichgültig ob die Volkswirtschaft insgesamt weniger Energie verbraucht oder nicht. Eine "finanzielle Belohnung" für Energieeinsparungen findet auf dieser pauschalen Ebene nicht statt. Die Erhöhung des Steuersatzes ist für alle gleich. Sie ergibt sich aus dem durchschnittlichen Rückgang des Energieverbrauchs.
Dennoch bleibt auf der individuellen Ebene der Anreiz zur effektiveren Nutzung der Energie erhalten. Hier ist es von Interesse, wieviel der einzelne Betrieb, bzw. die einzelne Privatperson zahlen muss. Wer seinen Energieverbrauch schneller absenkt als der Durchschnitt, der hat einen finanziellen Vorteil. Energiesparen wird dann also auch weiterhin belohnt - für alle, die mehr auf diesem Gebiet tun als der Durchschnitt.