Stand: 21.11.2003  

Detailkritik am EEG-Referentenentwurf vom 18.11.03

Achtung: Zu diesem Entwurf können noch bis zum 25.11.03 Änderungsvorschläge unter ZIII1@bmu.bund.de vorgelegt werden.

Inhaltsverzeichnis - Links zu den Kritikpunkten

§ 1 Zweck des Gesetzes
§ 2 Anwendungsbereich
§ 3 Begriffsbestimmungen
   (4)  Versetzung der Anlage ändert den Zeitpunkt der Inbetriebnahme nicht
   Probleme bei PV-Anlagen sind zu befürchten
§ 4 Abnahme-, Übertragungspflicht
   (4)  Durchleitung auch durch das Netz eines Dritten
   Diese Regelung ist zu begrüßen - Doch das Hauptproblem, die
   kostentreibende Leistungsmessung wird nicht ausgeschlossen
§ 5 Vergütungspflicht
   (2) Verpflichtung der vorgelagerten Netzbetreiber
   zur Erstattung freiwillig erhöhter Vergütungen fehlt.
   Der Begriff "Mindestvergütung" verliert damit seine
   praktische Bedeutung
§ 6 Vergütung für Strom aus Wasserkraft
§ 7 Vergütung für Strom aus Deponiegas, Klärgas und Grubengas
§ 8 Vergütung für Strom aus Biomasse
   Leistungsvergütung - energiewirtschaftlich wichtig -
   jedoch nicht vorgeschrieben
  § 8 Abs. 1 Leistungsdifferenzierung
   benachteiligt Lieferanten von Regelenergie
§ 9 Vergütung für Strom aus Geothermie
§ 10 Vergütung für Strom aus Windenergie
   Absenkung der Vergütung, besonders im küstenfernen Binnenland
   bedeutet weitere Reduzierung der Ausbaugeschwindigkeit
   eines dringend benötigten Potenzials!
§ 11 Vergütung für Strom aus solarer Strahlungsenergie
§ 12 Gemeinsame Vorschriften für Abnahme, Übertragung und Vergütung
   Leistungsvergütung - energiewirtschaftlich wichtig -
   muss vorgeschrieben werden
§ 13 Netzkosten
   (1) Aufteilung der Kosten für den Netzanschluss
   sollte politisch überdacht werden
   (1)   Verknüpfungspunkt
   Sonderregelung für PV-Anlagen unter 30 kW empfohlen
§ 14 Bundesweite Ausgleichsregelung
§ 15 Transparenz
§ 16 Besondere Ausgleichsregelung
§ 17 Herkunftsnachweis
§ 18 Doppelvermarktungsverbot
§ 19 Clearingstelle
bedarf möglicherweise der Zustimmung des Bundesrats
§ 20 Erfahrungsbericht
§  Übergangsbestimmungen
 

§ 3 Abs 4   Versetzung von Anlagen an einen anderen Ort ändert den Zeitpunkt der Inbetriebnahme nicht

In der Begründung (nicht im Gesetzestext) Teil B zu § 3 Abs. 4 heißt es in Satz 5 und 6: "Unerheblich für die Bestimmung des Zeitpunkts der Inbetriebnahme ist, ob die Anlage zu einem späteren Zeitpunkt an einen anderen Ort versetzt wird. Für die Dauer und Höhe des Vergütungsanspruchs ist auch nach Versetzung das Datum der erstmaligen Inbetriebnahme maßgeblich."

Beim Bau einer PV-Anlage aus bereits gebrauchten Solarmodulen oder Wechselrichtern könnte ein Anreiz bestehen, die früher erworbene höhere Einspeisevergütung an den neuen Standort "mitzunehmen". Gebrauchte Solarmodule oder Wechselrichter würden wegen ihres früheren Inbetriebnahmedatums eine unverhältnismäßige Wertsteigerung erfahren. Es ergibt sich das Problem des Nachweises für die frühere Inbetriebnahme jedes einzelnen Solarmoduls und des Wechselrichters. Streitigkeiten mit dem Netzbetreiber sind hier vorprogrammiert. Es wird eine Klarstellung empfohlen, dass für PV-Anlagen aus gebrauchten Teilen nicht die - möglicherweise sogar unterschiedlichen - erstmaligen Inbetriebnahmedaten der einzelnen Bauteile, sondern das Datum der Neuerstellung der Anlage als Inbetriebnahmedatum zählt.

 

§ 4 Abs. 4   Bei Durchleitung durch das Netz eines Dritten wird das Hauptproblem, die kostentreibende Leistungsmessung, nicht ausgeschlossen

§ 4 Abs. 4 bestimmt, dass die Abnahme-, Übertragungs- und Verteilungspflicht nach Abs. 1 auch dann besteht, "wenn die Anlage an das Netz des Anlagenbetreibers oder eines Dritten, der nicht Netzbetreiber im Sinne von § 3 Abs. 7 ist, angeschlossen und der Strom mittels Durchleitung durch dieses Netz angeboten wird"

Diese neue Regelung ist wichtig, löst aber das Hauptproblem nicht. Sie ist von besonderem Interesse für PV-Anlagen auf großen Gebäuden oder Gebäudekomplexen (Schulen, Universitäten), die an einem weit von der PV- Anlage entfernten Ort über einen Zähler und häufig auch über einen Transformator mit dem aufnahmepflichtigen Netz verbunden sind, aus dem sie ihren Verbrauchsstrom beziehen. Solche größeren Stromverbraucher haben in der Mehrzahl einen Strombezugsvertrag mit vereinbarter Leistungsmessung und einen leistungsabhängigen Tarif. In der Mehrzahl aller Fälle scheiterte bisher die Errichtung der PV-Anlage wirtschaftlich an der Forderung des Netzbetreibers, dass der gelieferte PV-Strom in gleicher Weise und jeweils gleichzeitig wie der aus dem Versorgungsnetz bezogene Strom einer Leistungsmessung unterworfen werden sollte. Der hohe Preis dieser Leistungsmessung stellt einen erheblichen Kostenanteil für die geplante PV-Anlage dar.

Es fehlt eine Bestimmung, nach welcher die Kosten für eine Leistungsmessung nur verlangt werden dürfen, wenn der Anlagenbetreiber eine über die Mindestvergütung hinausgehende Vergütung der von ihm gelieferten Leistung erhält und diese die Messkosten deutlich übersteigt.  

§ 5 Abs 2   Verpflichtung zur Erstattung freiwillig erhöhter Vergütungen fehlt

Prof. Dr. jur. Gunther Kühne hat im August 2000 in einem Gutachten dargetan, dass die freiwillige Höhervergütung von EEG-Strom bis zur Höhe der wirtschaftlichen Vergütung vom Versorgungsnetzbetreiber auf den vorgelagerten Netzubetreiber weitergewälzt werden kann. Dieses Verfahren ist in der Praxis leider nirgendwo angewendet worden, weil das EEG in dieser Frage nicht eindeutig formuliert war. Es ist enttäuschend, dass dieser Mangel hier nicht behoben wurde.

Ohne eine solche Möglichkeit zur Weiterwälzung der Kosten findet sich praktisch kein Netzbetreiber zu einer Erhöhung der Vergütung bereit. In ganz Deutschland gibt es unseres Wissens nur einen Netzbetreiber - die Elektrizitätswerke Schönau - der eine höhere als die Mindestvergütung für PV-Strom bezahlt). Der Begriff "Mindestvergütung" verliert dadurch seinen praktischen Sinn.

 

§ 8 Abs. 1   benachteiligt Anlagen, die Regelenergie liefern

§ 8 Abs. 1 setzt eine Höchstgrenze von 20 MW und vermindert die Vergütung für Anlagen höherer Leistung.
Beide Bestimmungen benachteiligen Betreiber von Biomasseanlagen, die ihre Stromlieferung der zeitlichen Nachfrage anpassen bzw. Regelenergie bereitstellen. Dies sei am Beispiel einer Biogasanlage erläutert:
Die Biogasanlage besteht aus einem Gaserzeuger sowie einem Stromgenerator. Der Stromgenerator wird üblicherweise so dimensioniert, dass er das im Lauf eines Jahres anfallende Biogas bei störungsfreiem Dauerbetrieb verarbeiten kann.
Wenn der Betreiber seine Anlage zur Lieferung von Regelenergie nutzen will, muss und darf er den Stromgenerator nur zu den Zeiten laufen lassen, zu denen die Regelenergie benötigt wird.
Der Gaserzeuger jedoch arbeitet kontinuierlich und erzeugt Gas auch dann, wenn keine Regelenergie gebraucht wird und der Stromgenerator nicht läuft. Der Gaserzeuger erzeugt dann Gas auf Vorrat.
Ein Zahlenbeispiel: Der Stromgenerator läuft im Jahr nur ein Zehntel der Jahresstunden. Damit er in dieser kürzeren Zeit die kontinuierlich über alle Jahresstunden anfallende Gasmenge verarbeiten kann, muss er die zehnfache Leistung haben gegenüber einem Stromgenerator, der ununterbrochen arbeitet.
Das Problem liegt in der nach § 8 Abs. 1 vorgesehenen Leistungs-Staffelung der Vergütung. Ein vergrößerter Stromgenerator fällt in die ungünstigere höhere Leistungsklasse.

Man könnte diesen Nachteil beseitigen, indem man in § 8 Abs. 1 die Höchstleitung nach Satz 1 sowie die Vergütung in den Punkten 1. bis 5. nicht nach Leistung, sondern nach Jahresertrag staffelt.

 

§ 12   sieht keine Verpflichtung des Netzbetreibers zur Vergütung für gelieferte Regelenergie bzw. für bereitgestellte abrufbare Leistung vor

Aus energiewirtschaftlichen Gründen müssen alle Möglichkeiten zur Lieferung von Regelenergie und Bereitstellung abrufbarer Leistung aus Anlagen zur Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien genutzt werden. Um einen Anreiz zu schaffen, sollten die Netzbetreiber verpflichtet werden, zusätzlich zur Mindestvergütung für gelieferte elektrische Arbeit auch noch den Marktpreis für Regelenergie zu zahlen, wenn die Betreiber eine zeitlich bedarfsorientierte Einspeisung anbieten. Dies könnte in einem weiteren Absatz zu § 12 bestimmt werden.  

§ 13 Abs. 1   Aufteilung der Kosten für den Netzanschluss sollte politisch überdacht werden

§ 13 des EEG-Entwurfs bestimmt:
"(1) Die notwendigen Kosten des Anschlusses von Anlagen [...] an den technisch und wirtschaftlich günstigsten Verknüpfungspunkt des Netzes [...] trägt der Anlagenbetreiber.
(2) Die notwendigen Kosten eines nur infolge neu anzuschließender Anlagen [...] erforderlichen Ausbaus des Netzes [...] trägt der Netzbetreiber. [...]"

Die Aufteilung in Netzanschluss und Netzausbau hängt somit weitgehend von der Lage des "Verknüpfungspunktes" ab. Der Streit entzündet sich häufig an der Frage, ob der Netzbetreiber den "technisch und wirtschaftlich günstigsten" Verknüpfungspunkt zugewiesen hat. Es geht um eine gesamtwirtschaftliche Kosten-Optimierungsaufgabe, deren Lösung vom Anlagenbetreiber nur schwer nachgeprüft oder angefochten werden kann, weil er nur seinen Teil der Kosten, selten aber den des Netzbetreibers abschätzen und gerichtsfest belegen kann. Hinter der zur Zeit geltenden gesetzlichen Regelung steht eine bestimmte Auffassung von den Aufgaben des Netzes und der Netzbetreiber. Sie geht davon aus, dass das existierende Netz für den Anschluss von EE-Anlagen zwar möglicherweise durch den Netzbetreiber verstärkt, aber räumlich nicht ausgedehnt werden soll. Die Anschlussleitungen zu den EE- Anlagen werden als netzfremder Anteil betrachtet. Sie werden zwar am Verknüpfungspunkt mit dem existierenden Netz verbunden, gehören aber nicht voll dazu.

Diese Auffassung muss aus technischen, wirtschaftlichen, insbesondere aber aus energiepolitischen Gründen neu überdacht werden.

  • Technische Gründe:
    Der Bau und die Unterhaltung einer Anschlussleitung unterscheidet sich technisch nicht vom Bau jedweder anderen Versorgungsleitung. Der Netzbetreiber ist für diese Aufgabe voll ausgestattet. Für den Betreiber einer EE-Anlage ist diese Aufgabe hingegen wesensfremd.
    Das Oberlandesgericht Nürnberg hat in einem Urteil gegen E.ON sinngemäß ausgeführt, dass auch die Anschlussleitungen zum Netz gehören, da dieses ohne Anschlussleitungen zu den einzelnen Abnehmern und Erzeugern ein "funktionsloses Gewirr von Kabeln und Anlagen" sei.
  • Wirtschaftliche Gründe:
    Der Netzbetreiber hat die Möglichkeit, seinen Aufwand auf die Netzgebühren umzulegen. Der EE-Anlagenbetreiber, der gezwungen ist, eine lange Anschlussleitung zu finanzieren, hat diese Möglichkeit nicht.
  • Energiepolitische Gründe:
    In einem Land, welches durch Strom aus dezentralen EE-Anlagen versorgt werden soll, ändert sich zwangsläufig auch die Funktion des Stromnetzes; es muss zusätzlich zu den bisherigen Aufgaben auch das "Einsammeln" des Stroms aus Erneuerbaren Energien ermöglichen. Die neu entstehenden Anschlussleitungen sind deshalb nicht nur aus technischen, sondern auch aus energiepolitischen Gründen ein Teil des sich notwendigerweise ausbreitenden Stromnetzes.
 
Die Errichtung von Anschlussleitungen für EE-Anlagen fällt somit ganz offensichtlich ebenso wie die Verstärkung des Netzes in den Verantwortungsbereich der Netzbetreiber.

Zur Vermeidung von weiteren Streitigkeiten sollte die Kostentragungspflicht im gleichen Sinne wie die Verantwortlichkeit geregelt werden: Nicht nur der Netzausbau und seine Kosten, sondern auch sowohl die Kosten für die Erstellung der Anschlussleitung als auch das Eigentum und die Unterhaltungspflicht sollten dem Netzbetreiber auferlegt werden.
Die erforderlichen Kosten müssen natürlich vollständig im Rahmen der Netzgebühren umgelegt werden dürfen.

Zur Vermeidung von Missbrauch (z.B. ein bisher nicht an das Stromnetz angeschlossener Einödhof errichtet eine 3 kW PV-Anlage und verlangt kostenlosen Anschluss an das Versorgungsnetz) lässt sich eine Regelung denken, bei der die Kosten der Anschlussleitung in einem vernünftigen Verhältnis zu den Kosten der anzuschließenden EE-Anlage (einschließlich weiterer für diesen Anschluss geplanter EE-Anlagen) stehen.

 

§ 13 Abs. 1   Verknüpfungspunkt - Sonderregelung für PV- Anlagen unter 30 kW

Zur Verdeutlichung der Problematik vorab ein Beispiel aus dem Versorgungsgebiet der RWE Net AG:

In einem Straßenzug mit mehreren Hausanschlüssen soll eine PV-Anlage angeschlossen werden. Der Netzbetreiber lehnt die Einspeisung in den Hausanschluss ab mit der Begründung, das Versorgungskabel in der Straße sei dafür zu schwach ausgelegt. Anstatt das Versorgungskabel in der Straße zu verstärken (Netzausbau) weist er dem Anlagenbetreiber einen anderen Verknüpfungspunkt zu, nämlich am Transformator am Ende der Straße. Er verlangt die Verlegung eines Anschlusskabels (parallel zum bereits bestehenden Versorgungskabel in der Straße) auf Kosten des Anlagenbetreibers, weil diese Lösung gesamtwirtschaftlich günstiger sei (die Begründung mag im Einzelfall zutreffen).
Einige Monate später möchte ein Nachbar des Anlagenbetreibers eine PV-Anlage errichten. Auch er wird mit der gleichen Argumentation (die wiederum - bezieht man sie ausschließlich auf den Einzelfall - zutreffend sein kann) dazu gezwungen, eine Parallelkabel zum Versorgungskabel in der Straße bis zum Transformator zu verlegen. Später folgt ein dritter Nachbar usw. usf.
Letztendlich liegen in dem Straßenzug Dutzende von Parallelkabeln, was dann mit Sicherheit nicht mehr die technisch und wirtschaftlich günstigste Lösung ist. Der Netzbetreiber umgeht auf diese Weise seine Verpflichtung zum Netzausbau.

Falls die vorstehende politische Gesamtlösung der Kostenaufteilung scheitert, schlägt der SFV hilfsweise die Einfügung eines weiteren Absatzes in § 13 vor:  

"Bei Fotovoltaikanlagen mit einer Gesamtleistung unter 30 kW, die auf einem Grundstück mit bereits bestehendem Stromanschluss an ein aufnahmepflichtiges Versorgungsnetz errichtet werden, trägt der Netzbetreiber bei Zuweisung eines anderen Verknüpfungspunktes die Mehrkosten für die Anschlussleitung."

 

§ 19  Clearingstelle

Zur Klärung von [...] Anwendungsfragen dieses Gesetzes kann das BMU eine Clearingstelle errichten [...]

"Klärung von Anwendungsfragen" bedeutet rechtsverbindliche Auslegung des Gesetzes. Das BMU soll somit eine nicht näher erläuterte und nicht genau eingegrenzte Ermächtigung erhalten, eine gerichtsähnliche Institution einzurichten mit einer Kompetenz vergleichbar der Kompetenz des Bundesgerichtshofs.

Es steht zu bezweifeln, dass eine solche Ermächtigung verfassungsrechtlichen Bestand hätte.

Es ist anzunehmen, dass eine solche Ermächtigung der Zustimmung der Länderkammer bedarf. Diese Zustimmung dürfte auch aufgrund der Mehrheitsverhältnisse zweifelhaft sein.