Vertragsabschluss ist keine Voraussetzung für den Netzanschluss!

Auszüge aus "EEG, Erneuerbare-Energien-Gesetz: Handkommentar"
von Edmund Brandt, Jan Reshöft und Sascha Steiner
Nomos Verlag (ISBN 3-7890-7457-8)

Zur Einstimmung auf dieses interessante neue Werk folgt eine Leseprobe zu der dringenden Frage, ob Anlagenbetreiber zuerst einen Vertrag abschließen müssen, bevor sie an das Versorgungsnetz angeschlossen werden.

Kommentar zu § 3 (Seite 91):

ff) Kontrahierungszwang [Pflicht zum Vertragsschluss]: Es ist zu untersuchen, ob der gesetzliche Kontrahierungszwang des EEG eine Pflicht zum Abschluss eines Vertrages zwischen Anlagen- und Netzbetreiber enthält. Inhalt des Vertrages könnte einerseits die privatrechtliche Regelung der Hauptleistungspflichten sein. Angesichts der detaillierten Bestimmungen zu den Abnahme- und Vergütungsverpflichtungen im EEG sind die Hauptleistungspflichten des Schuldverhältnisses zwischen Netz- und Anlagenbetreiber aber soweit geregelt, dass es vertraglicher Festlegungen hierüber nicht bedarf. Da die Regelungen des EEG auch unmittelbar gelten, besteht insoweit ein gesetzliches Schuldverhältnis. Andererseits könnte ein Vertrag auch Bestimmungen enthalten, die zwar regelungsbedürftig sind, aber im EEG nicht geregelt werden. Hier kommen Netzbenutzungsbedingungen, Einspeisebedingungen oder sonstige Nebenleistungspflichten in Betracht.
Der Umstand, dass die Abnahme- und Vergütungsverpflichtungen einen Kontrahierungszwang begründen, wird allgemein bejaht (vgl. etwa BGH, RdE 1994, 70, 72; OLG Karlsruhe, RdE 1992, 78, 80; Arndt, RdE 1995, S. 45). Mit dieser Feststellung ist aber noch keine Aussage darüber getroffen, ob der Durchführung der Pflichten zwingend der Abschluss eines Vertrages vorausgehen muss (Herrmann, S. 103). Der Kontrahierungszwang ist der Zwang zum Abschluss eines Vertrages mit einem anderen auf dessen Forderung hin. Die Zulässigkeit hängt davon ab, ob dem Kontrahierungszwang ein Gesetz zu Grunde liegt (die Voraussetzung ist mit dem EEG, insbesondere § 3, erfüllt) oder das Rechtsstaatsprinzip, etwa wegen einer Monopolstellung, den Abschlusszwang gebietet (Käbler, S. 3). Die dargestellte Ansicht verlangt, dass der Leistungsaustausch tatsächlich erst auf der Grundlage eines Vertrages erfolgt. Ein Vertrag erfordert wenigstens zwei sich wechselseitig entsprechende Willenserklärungen, von denen die eine das Vertragsangebot enthält und mit der anderen das Angebot angenommen wird. Der Ansicht wird entgegengesetzt, dass im Falle eines bestehenden Kontrahierungszwanges die Leistung auch unmittelbar, d.h. ohne Abschluss eines Vertrages verlangt werden dürfe (Nachweise bei Herrmann, S. 103 Fn. 420). Dieser Meinung ist zuzustimmen, wenn der angeordnete Kontrahierungszwang im Gesetz soweit bestimmt ist, dass es eines Vertrages zur Durchführung des gesetzlichen Schuldverhältnisses nicht mehr bedarf. Vertrag und Gesetz stellen jeweils die Normierung von tatsächlichen Sachverhalten dar und knüpfen Rechtsfolgen an sie. Sofern die gesetzlichen Regelungen umfassend genug sind, um den Leistungsaustausch vornehmen zu können, ist ein Vertrag zur Regelung desselben Sachverhalts entbehrlich. Dann besteht nämlich die Situation, dass derjenige, der verpflichtet wird, auf der Grundlage des Kontrahierungszwanges ein Vertragsangebot zu machen (hier: der Netzbetreiber), gar keinen Spielraum hinsichtlich des Regelungsgehalts des Angebots hat. Diejenigen, die den Vertragsschluss verlangen können (hier: die Anlagenbetreiber), müssen dann keine anderen als die gesetzlich geregelten Voraussetzungen akzeptieren. Damit fehlt den verpflichteten Netzbetreibern die Anspruchsgrundlage, aufgrund derer sie vor dem Leistungsaustausch den Abschluss eines Vertrages von den Anlagenbetreibern verlangen können (so auch Salje, EEG, § 3 Rn. 39).
Das OLG Koblenz hat (noch zum StrEinspG) entschieden, dass der Netzbetreiben nur gegen Abschluss eines Stromeinspeisevertrages zur Abnahme und Vergütung des regenerativ erzeugten Stroms verpflichtet sei (OLG Koblenz, RdE 2000, 74 ff.; so auch Herrmann, S. 105). Zuvor hatte das zuständige Landgericht in erster Instanz die Feststellungsklage des Netzbetreibers zurückgewiesen, weil dem StrEinspG keine Pflicht zum Abschluss eines Vertrages zu entnehmen sei. Der Vertragsentwurf des klagenden Netzbetreibers sah u.a. eine zweijährige Laufzeit und Schadensersatzregelungen für den Fall vor, dass von der Anlage störende Rückwirkungen auf den Betrieb des Netzes ausgehen. In der Begründung stellte das OLG Koblenz darauf ab, dass das zu Grunde liegende Gesetz (in § 2 StrEinspG, der insoweit keinen anderen Regelungsgehalt hatte als § 3 EEG) lediglich den Kontrahierungszwang zwischen Netz- und Anlagenbetreiber regeln würde, die Vertragsfreiheit der Parteien aber ansonsten nicht berühre. Es stehe dem abnahmepflichtigen EltVU daher frei, die Konditionen und Modalitäten selbst zu bestimmen, unter denen es zu einer Vertragsdurchführung bereit sei. Nach Ansicht des OLG Koblenz steht der Gesetzeszweck dem Interesse des Netzbetreibers auf Vertragsschluss nicht entgegen. Auch Herrmann geht davon aus, dass ein gesetzlich angeordneter Kontrahierungszwang, wie er in der Abnahme- und Vergütungsverpflichtung für Strom aus erneuerbaren Energien zu sehen ist, die Eltvu zur Abgabe eines Vertragsangebots an die Anlagenbetreiber zwingt. Auch wenn die vertraglichen Hauptleistungspflichten durch die gesetzlichen Regelungen weitestgehend vorgezeichnet sind, sei der Abschluss eines Einspeisevertrages notwendige Voraussetzung des Leistungsaustausches (Herrmann, s. 105).
Den Ansichten ist nicht zu folgen. Das Vertragsschlusserfordernis, als eine die Durchführung der gesetzlichen Regelungen des EEG erst ermöglichende Voraussetzung, stünde der Verwirklichung der gesetzgeberischen Ziele entgegen. Das OLG Koblenz verkennt, dass eine Vertragsabschlusspflicht den Netzbetreibern Möglichkeiten einräumt, die Erfüllung der ihnen gesetzlich auferlegten Verpflichtungen zumindest zu verzögern. Soweit hinsichtlich der Nebenleistungen die verfassungsrechtlich geschätzte Vertragsfreiheit weiterhin bestünde, könnte der Netzbetreiber durch einseitige Regelungsvorschläge, die für den Anlagenbetreiber nicht hinzunehmen wären, verhindern, dass es zu der Abnahme und Vergütung von Strom aus emeuerbaren Energien kommt. Die Zulässigkeit diverser denkbarer Klauseln würde dann zunächst Gegenstand von Gerichtsverfahren. Zweck der gesetzlich angeordneten Abnahme- und Vergütungsregelungen ist jedoch ein größtmöglicher Zuwachs im Bereich der Errichtung von Anlagen zur Verstromung von erneuerbaren Energien. Dieser Gesetzeszweck würde, quasi durch die Hintertür, mittels eines Vertragsabschlussanspruchs des Netzbetreibers gegen den Anlagenbetreiber aber behindert. Herrmann ist zu widersprechen, wenn er feststellt, dass die Hauptleistungspflichten bei einer gesetzlich angeordneten Abnahme- und Vergütungsverpflichtung nur weitgehend konkretisiert wären. Die Hauptleistungspflichten des Stromeinspeisungsverhältnisses zwischen dem Netz- und dem Anlagenbetreiber sind, jedenfalls im EEG, umfassend gesetzlich geregelt. Sie liegen in der Verpflichtung zur vorrangigen und umfassenden Abnahme des Stroms aus Anlagen nach § 2 und der Vergütung nach den Vergütungssätzen, die in §§ 4 bis 8 festgelegt sind.
Angesichts der Rechtslage besteht auch keine Notwendigkeit für ergänzende vertragliche Regelungen, denn das EEG regelt in Verbindung mit weiteren energiewirtschaftsrechtlichen Bestimmungen auch die erforderlichen Nebenpflichten, so dass insgesamt ein umfassendes gesetzliches Schuldverhältnis vorliegt. Das Gesetz regelt, wer die Parteien des Schuldverhältnisses sind, bestimmt den Regelungsgegenstand, weist die verschiedenen Pflichten den Parteien zu und normiert die Laufzeit des Schuldverhältnisses. Lediglich für etwaige Rückforderungsansprüche der Netzbetreiber gegen die Anlagenbetreiber für den Fall der Verfassungs- bzw. Europarechtswidrigkeit bedarf es einer einseitigen Erklärung der Netzbetreiber dahingehend, dass sie den Strom nur unter dem Vorbehalt entsprechend der §§ 4 bis 8 vergüten, dass das Gesetz nicht verfassungs- bzw. europarechtswidrig sei und sie anderenfalls Rückforderungen erheben. Einer Einigung mit den Anlagenbetreibern in dieser Frage bedarf es dagegen nicht, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt ein Vertragsschluss entbehrlich ist.

Der Kontrahierungszwang des Gesetzes setzt daher keinen Vertragsabschluss voraus, der dem Leistungsaustausch vorangehen müsste. Es besteht vielmehr ein detailliertes gesetzliches Schuldverhältnis.