Sind staatlich festgesetzte Mindestvergütungen als Beihilfe zu verstehen?

Briefwechsel zwischen Mario Monti, EG-Kommission, und Hans Eichel, Bundesminister der Finanzen

Mario Monti,
Mitglied der Europäischen Kommission

Brüssel, den 07.06.2001

Herrn Minister Hans Eichel
Bundesministerium der Finanzen
Wilhelmstr.97
D-10117 Berlin


Sehr geehrter Herr Eichel, sehr geehrter Herr Bundesminister,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 21. März d.J., in dem Sie Anregungen zu dem weiteren Verfahren nach dem Erlaß des PreussenElektra-Urteils geben.

Ich habe dieses Urteil sorgfältig gelesen und folgende Schlußfolgerungen für die anhängigen Untersuchungen zum EEG und KWK-G gezogen:

Dem Urteil des Gerichtshofes liegt die Frage zu Grunde, ob der Behilfebegriff des Artikels 87 Absatz 1 EG-Vertrag auch Regelungen erfaßt, die die Förderung des Zahlungsempfängers bezwecken, wobei die erforderlichen Fördermittel auf Grund von gesetzlich angeordneten Abnahmepflichten zu festgelegten Mindestpreisen einzelnen Unternehmen einer Branche auferlegt werden. Diese Frage, die sich aus einem Rechtsstreit, in dem ein privates Unternehmen verpflichtet war, ergab, hat der EUGH zum Anlaß genommen, sein Urteil lediglich auf private Unternehmen zu beziehen.

Der Gerichtshof erklärt, dass die Verpflichtung privater Elektizitätsversorgungsunternehmen zur Abnahme von Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu festgelegten Mindestpreisen nicht zu einer unmittelbaren oder mittelbaren Übertragung staatlicher Mittel auf die Unternehmen, die diesen Strom erzeugen, führt. Daher wurde das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe verneint.

Nicht entschieden hat der Gerichtshof die Frage nach der Herkunft der Mittel, wenn ein öffentliches Unternehmen verpflichtet ist. Auf der Grundlage der ständigen Rechtsprechung und der bisherigen Praxis der Kommission komme ich zu dem Ergebnis, dass Zuwendungen aus staatlichen Mitteln gegeben sind, wenn die Zahlungsverpflichtung ein öffentliches Unternehmen trifft.

Anmerkung des Solarenergie-Fördervereins:
Es scheint, dass Mario Monti das Urteil des EUGH nicht vollständig gelesen hat. Dort ist unter anderem Folgendes ausgeführt:

Rechtlicher Rahmen

3 Das Stromeinspeisungsgesetz ist am 1. Januar 1991 in Kraft getreten. In der ursprünglichen Fassung regelte es nach dem Wortlaut seines § 1 - Anwendungsbereich - die Abnahme von Strom, der ausschließlich aus Wasserkraft, Windkraft, Sonnenenergie, Deponiegas, Klärgas oder aus Produkten oder biologischen Rest- und Abfallstoffen der Land- und Forstwirtschaft gewonnen wird, durch öffentliche Elektrizitätsversorgungsunternehmen und die hierfür zu zahlende Vergütung.

4 Unstreitig umfasst der Begriff des öffentlichen Elektrizitätsversorgungsunternehmens sowohl private Unternehmen als auch solche, die ganz oder teilweise der öffentlichen Hand gehören.
((Unterstreichung durch den SFV))

Daraus folgt, dass Zahlungen auf der Grundlage des Stromeinspeisungsgesetzes dann den Tatbestand der Beihilfe erfüllen, wenn öffentliche Unternehmen verpflichtet sind. Das gleiche gilt für das Gesetz zur Förderung erneuerbarer Energien und das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz.

Die Kommission wird daher die Überprüfung beider Gesetze vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung und in Anwendung des EG-Vertrages sowie der weiteren einschlägigen rechtlichen Regelungen fortführen.

Ich vermag zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht auszuschließen, dass das Verfahren gemäß Artikel 88 Abs. 2 EG-Vertrag eröffnet wird.

Mit freundlichen Grüßen
Mario Monti



Antwortschreiben von Hans Eichel, Bundesministerium der Finanzen

Bundesminsterium der Finanzen

Der Bundesminister
E C 3 - F 2531 - 34/01
Berlin, 22. Juni 2001


Mitglied der Europäischen Kommission
Herrn Professor Mario Monti Rue de la Loi 200
B-1049 Brüssel


Sehr geehrter Herr Professor Monti,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 7. Juni 2001, in dem Sie Ihre Absicht darlegen, die beihilferechtliche Überprüfung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) und des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes (KWK-Gesetz) trotz des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 13. März 2001 in der Rechtssache C-379/98 (PreussenElektra) fortzuführen.

Ihre Begründung, dass das Stromeinspeisungsgesetz (StrEG), das EEG und das KWK-Gesetz nur dann nicht den Beihilfetatbestand erfüllten, wenn die Vergütungsregelungen private Unternehmen treffen, lässt sich nach meiner Überzeugung nicht auf das EuGH-Urteil stützen. Der Gerichtshof begründet seine Entscheidung, den Beihilfencharakter der genannten Regelungen zu verneinen, ausschließlich damit, dass die Vergütungen für regenerativen Strom nicht aus staatlichen Mitteln finanziert werden. Sowohl das StrEG als auch EEG und KWK-Gesetz verpflichten alle Energieversorger - unabhängig von den Eigentumsverhältnissen - zur Zahlung der gesetzlich festgelegten Einspeisevergütung. In allen Fällen werden für die Finanzierung der Vergütungen keine Mittel aus staatlichen Haushalten eingesetzt. Infolge der Konstruktion des Systems wird vielmehr letztlich der Stromverbraucher belastet. Die Regelungen dienen dem Umwelt- und Klimaschutz und führen zu einem schonenden Umgang mit endlichen Energieressourcen.

Eine sachverhaltsbezogene Begründung dafür, dass der Beihilfetatbestand gleichwohl (nur) dann erfüllt sein soll, wenn öffentliche Unternehmen von der Vergütungsregelung betroffen sind, ist weder Ihren Ausführungen zu entnehmen noch sonst ersichtlich. Im Rahmen unserer konsequenten Liberalisierungspolitik haben wir sämtliche Privilegien für öffentliche Energieversorger abgeschafft. Öffentliche Energieversorger sind heute in Deutschland unter genau den gleichen Voraussetzungen am Markt tätig wie ihre privaten Konkurrenten. Ich kann mir Ihre Rechtsauffassung daher nur mit einer abstrakt-generellen "Beihilfevermutung" zulasten von Unternehmen erklären, die mehrheitlich im Eigentum der öffentlichen Hand stehen. Das stünde allerdings in eklatantem Widerspruch zu Art. 295 EG-V. Dort ist der Grundsatz der Neutralität des Vertrages gegenüber den Eigentumsordnungen der Mitgliedstaaten verankert. Er ist auch im Rahmen der Beihilfekontrolle zu beachten.

Nur ergänzend möchte ich anführen, dass das von Ihnen angekündigte Verfahren die schwer vertretbare Konsequenz hätte, dass Deutschland alle mehrheitlich in öffentlichem Besitz befindlichen Elektrizitätsversorger von den Zahlungsverpflichtungen nach dem EEG bzw. dem KWK-Gesetz befreien müsste, um den Bestand dieser Regelungen zu sichern. Das brächte drastische Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der privaten Unternehmen mit sich und stünde damit dem Ziel des EG-Beihilferechts, chancengleichen Wettbewerb sicherzustellen, entgegen. Denkt man Ihren Ansatz zu Ende, könnte letztlich jede Zahlung eines öffentlichen Unternehmens eine Beihilfe darstellen und müsste folglich grundsätzlich nach Artikel 88 Absatz 3 EG-Vertrag notifiziert werden.

Ich möchte Sie nachdrücklich bitten, Ihre Rechtsauffassung noch einmal zu überdenken und von der Eröffnung eines Verfahrens nach Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag abzusehen. In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, dass das Kraft- Wärme-Kopplungsgesetz demnächst durch eine Neuregelung ersetzt werden soll.

Mit freundlichen Grüßen
Hans Eichel