Datum: April 2004

Auszug aus dem nicht veröffentlichten SPIEGEL-Beitrag von Harald Schumann und Gerd Rosenkranz

Das Oligopol der Konzerne steht in Frage

Doch was den Ingenieuren eine berufliche Herausforderung bringt, ist der Beginn eines tiefgreifenden Umbruchs in der deutschen Stromwirtschaft. Der wachsende Betrieb an den Arbeitsplätzen der Netzwächter signalisiert, dass erstmals das bisher unangefochtene Oligopol der Konzerne RWE, E.on, EnBW und Vattenfall in Frage in steht. Nicht nur aus dem politisch geförderten Boom für Windkraft- und Biogas-Anlagen droht ihnen der Verlust von Marktanteilen. Zugleich drängen Investoren, zum Teil aus dem Ausland, mit neuen Gaskraftwerken auf den deutschen Markt. Außerdem wollen große deutsche Industrie-Unternehmen mit eigenen Heizkraftwerken antreten, die neben der Prozesswärme für Chemieanlagen oder Schwimmbäder auch Überschussstrom ins Netz speisen. All das trifft die Stromkonzerne zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt: Weil ihr Kraftwerkspark großteils veraltet ist, wird in den kommenden zwei Dekaden neue Kapazität im Umfang von 40.000 Megawatt Leistung benötigt, entsprechend der Größe von etwa 30 Atomkraftwerken der Brokdorf-Klasse. Noch ist völlig offen, welche Akteure mit welchen Technologien den Totalumbau des jährlich mehr als 50 Milliarden Euro schweren Strommarkts umsetzen werden. Denn welche Technik künftig rentabel ist, hängt beinahe vollständig von den Rahmenbedingungen ab, die die Bundesregierung in den nächsten Monaten beschließen muss. Gleich mit drei Gesetzesvorhaben will Rot-Grün die energiepolitischen Weichen stellen, um die nötigen Milliardeninvestitionen in Gang zu setzen. Geregelt werden müssen
• die Ausgabe und der Handel mit Emissionszertifikaten für Klimagifte, die ab 2005 EU-weit eingeführt werden und deren Preis vor allem darüber entscheidet, ob neue Braunkohlenkraftwerke mit ihren enormen Kohlendioxid-Emissionen in Zukunft wettbewerbsfähig bleiben;
• die künftigen Vergütungssätze für Strom aus erneuerbaren Energiequellen, von deren Höhe unter anderem der Bau geplanter Windkraftwerke auf dem Meer abhängt;
• und die Einrichtung einer Regulierungsbehörde für den Wettbewerb in den Stromnetzen, der bisher häufig an den überhöhten Durchleitungsgebühren der Konzerne scheitert.