Datum: 01.01.2003

Pflanzenöle - ökologisch nicht sinnvoll?


Stimmungsmache gegen Bioenergieträger Pflanzenöl? - Kommentar zu verschiedenen Gutachten, die im Auftrag des Umweltbundesamtes Berlin angefertigt wurden

Von Ernst Schrimpff

„Der Einsatz von Rapsöl und Biodiesel ist im Vergleich zu Dieselkraftstoff weder wirtschaftlich noch ökologisch“ (Umweltbundesamt in der Süddeutschen Zeitung vom 10.1.2000, S.23)

Einleitung

Mit Veröffentlichung der neuen Studie des Umweltbundesamtes (UBA) in Berlin „Aktuelle Bewertung des Einsatzes von Rapsöl/RME (Rapsmethylester) im Vergleich zu Dieselkraftstoff“ (2000, 326 S.) auf der Grundlage der Studien „Ressourcen- und Emissionsbilanzen: Rapsöl und RME im Vergleich zu Dieselkraftstoff“ des Heidelberger ifeu-Institutes (1999, 67 S.) und „Gutachten zur ökonomischen Bewertung von Rapsöl/RME gegenüber Dieselkraftstoff“ des Lehrstuhls für Finanzwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum (1999, 199 S.) wird erneut amtlich, in großem Stil, aber wissenschaftlich äußerst fragwürdig, der Bioenergieträger “Pflanzenöl“ in ein schlechtes Licht gerückt (SCHRIMPFF, 2000: 34-36).

Wie sind solche gewichtigen Aussagen und Bewertungen angesichts der schon spürbaren Verknappung an Erdöl (vgl. Erdölpreis-Entwicklung seit Juli 1999) und der beunruhigenden, aber wohl realistischen Prognosen von der unabhängigen Geologen-Gruppe „Petroconsultants“ (s. SCHINDLER & ZITTEL, 1999:12-18) möglich? Haben die Mitarbeiter des UBA, des ifeu-Instituts und der Ruhr- Universität jeden Bezug zur Realität verloren? Oder soll hier die öffentliche Meinung zugunsten bestimmter Interessen manipuliert werden? Die “Ressourcen- und Emissionsbilanzen“ des ifeu-Gutachtens bauen auf der “Ökobilanz Rapsöl“ des Umweltbundesamtes von 1993 (UBA-Texte 4193) auf und kommen zwar zu teilweise abweichenden, aber im Grundsatz analogen Ergebnissen. Das ifeu-Gutachten ist wiederum Grundlage für das Gutachten der Ruhr- Universität Bochum und auch für den zusammenfassenden Bericht des UBA, der keine originäre Arbeit darstellt. Insofern soll hier nur auf das ifeu-Gutachten eingegangen werden (des Pudels Kern).

Das ifeu-Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass einige ökologische Kenngrößen (z. B. „Ressourcenverbrauch an erschöpflichen Energieträgern“, „Treibhauseffekt“ und “SO2-Emissionen“) zu Gunsten von Rapsöl bzw. Rapsmethylester (RME) ausfallen. Auf diese positiven Salden soll hier nicht eingegangen werden, weil sie im Grundsatz wohl unstrittig sind.

Vielmehr sollen diejenigen ökologischen Kenngrößen einer kritischen Analyse unterzogen werden, die nach dem ifeu-Gutachten zu Ungunsten von Rapsöl oder RME ausfallen. Das sind vor allem: „Verbrauch an mineralischen Rohstoffen“, „Versauerung“ und „Eutrophierung“ sowie „stratosphärischer Ozonabbau“ durch Distickstoffoxid (N20), ferner die “Human- und Ökotoxizität“ von Stickoxiden (NOx) und Ammoniak (NH3).

Fragwürdige Annahmen

Die überwiegend negative Beurteilung von Rapsöl bzw. Rapsmethylester (RME) gegenüber Dieselkraftstoff in diesem Gutachten ergibt sich u.a. aus mehreren fragwürdigen Annahmen. Hier soll nur auf drei wesentliche Annahmen eingegangen werden:

1. Die konventionelle, moderne Intensiv-Landwirtschaft wird als einzige Möglichkeit für den Rapsanbau unterstellt.

Extensive Anbaumöglichkeiten z.B. mit Erucasäure-reichem Naturraps, der sich als Kraftstoff besser eignen würde als die Erucasäure-frei gezüchteten sog. OO-Sorten (Züchtungsziel: nicht Kraftstoff, sondern gutes Speiseöl!), werden überhaupt nicht in Betracht gezogen. Von anderen Ölpflanzen, z.B. Sonnenblume, Ölrauke, Ölrettich, Ackersenf, Rübsen, Leindotter, Öllein oder Hanf, die extensiv in Deutschland anbaufähig wären, wird überhaupt nicht gesprochen.

2. Der Rapsanbau wird nur als eine Monokultur gesehen, die einen hohen Einsatz an mineralischen Düngemitteln und Spritzmitteln erfordert. (s. Lebenswegvergleich 1, Ch.3, S.4).

Insbesondere wird die Notwendigkeit des Ressourcenverbrauchs an Phosphaterz, Schwefel, Rohkali und Kalkstein herausgestellt und bilanziert.

Bei einem ökologischen Anbau von Raps kämen aber keine mineralischen Dünger, die auf eine energieaufwendige synthetische Düngemittelproduktion zurückgehen, zur Anwendung, sondern lediglich organische Wirtschaftsdünger oder Kompost von eigenen Flächen. Ferner entfällt die energieaufwendige Biozid-Produktion, denn im Öko-Landbau werden keine chemischen Herbizide, Fungizide, Insektizide oder sonstige Biozide eingesetzt.

Darüber hinaus haben sich zum Teil auch Mischkulturen von Ölpflanzen zusammen mit Getreide (z.B. Gerste oder Weizen mit Leindotter oder Raps) als recht erfolgreich herausgestellt, weil bei geringerem Unkrautdruck etwa der gleiche Flächenertrag an Getreide bei meistens höherer Kleberqualität mit zusätzlich 80 bis 150 Liter Pflanzenöl je Hektar erzielt werden können (vgl. MAKOWSKI, 2000:30).

3. Für einen erfolgreichen Rapsanbau gelten mineralische Stickstoffdüngemittel als in hohem Maße notwendig und offenbar als nicht ersetzbar. (vgl. S.25 und S.29)

Die entscheidenden Nachteile von Rapsöl bzw. RME bei den ökologischen Kenngrößen „Versauerung“, „Eutrophierung“ und „Ozonabbau“ sowie „Human- und Ökotoxizität“ von NOx und NH3 leiten sich gemäß der ifeu- Studie allesamt vom Einsatz mineralischer Stickstoff-Düngemittel ab, wobei die negativen Salden „schon allein durch die Düngemittelproduktion bestimmt“ werden (s.S.25, Sensitivitätsanalysen). Die hier genannten unerwünschten ökologischen Kenngrößen sollen erheblich vom Rapsanbau verstärkt werden, und zwar überwiegend durch Ammoniak- (NH3) und Distickstoff(N20)- Emissionen, die sich ausschließlich aus dem Einsatz von mineralischen Stickstoffdüngern ergeben (S.25 u. S.29). Aber ist mineralischer Stickstoffdünger für den Rapsanbau - und den anderer Ölpflanzen - unverzichtbar und nicht zu ersetzen?

Der ökologische Landbau bedient sich erfolgreich seit Jahren der organischen Wirtschaftsdünger wie Stallmist oder Kompost und ausgereifter Biogasgülle. Auch konventionell wirtschaftende Biogas-Bauern finden in der Biogasgülle u.a. einen vorzüglichen Stickstoffdünger, der auch als Kopfdünger einsetzbar ist, und verzichten in aller Regel vollständig auf mineralische Stickstoffdünger. Hiermit entfällt in der Lebenswegkette des Rapsanbaus zumindest die recht relevante Düngemittelproduktion (s.S.25, Sensitivitätsanalyse).

Im Pflanzenbau und in der Bodenkunde ist darüberhinaus wohl bekannt und vielfach nachgewiesen, dass in ökologisch bewirtschafteten Böden bestimmte Bakterien und Strahlenpilze den Luftstickstoff fixieren und zwar in verstärktem Maße dann, wenn der Boden mit Stickstoff unterversorgt ist (Selbstregulierung der Stickstoffzufuhr, s. z.B. SCHMIDTKE, 1998).

Die möglichen NH3- und N2O-Emissionen bei Verwendung von Stallmist und Rohgülle sind nicht unbeträchtlich, liegen jedoch wesentlich unter denen der mineralischen Stickstoffdünger. Setzt man aber ausgereifte Biogasgülle oder Kompost als Düngemittel ein, sind entsprechende Emissionen vernachlässigbar. Und bedient man sich der natürlichen Luft-Stickstoff-Fixierung der Mikroorganismen im Boden, kommt es zu keinen oder höchstens zu ohnehin natürlichen, unvermeidbaren Minimal-Emissionen.

Unseriöse Ausklammerung

Die dargestellten Zusammenhänge sollten eigentlich ausreichen, um die am Anfang zitierte These des Umweltbundesamtes als haltlos zu erkennen. Es gibt jedoch im ifeu- Gutachten einen weiteren Aspekt,der die These noch fragwürdiger erscheinen lässt: Auf Seite 14 des Gutachtens wird unter „Einschränkungen“ mitgeteilt, dass „vereinbarungsgemäß (wer vereinbart mit wem und warum?) zwei wesentliche Komponenten des Pflanzenbaus ausgeklammert werden: die „Rapsstroh-Betrachtung“ und die „Gülle-Option“. Beide Komponenten sind jedoch grundlegende Bestandteile einer ausgewogenen Landwirtschaft und insbesondere des Ölpflanzen-Anbaus und dürfen bei einer korrekten Energie- oder Stoffbilanz nicht weggelassen werden. Neben 1 Tonne Rapsöl werden nämlich je Hektar Anbaufläche und Jahr 2 Tonnen Ölkuchen (in Soja-Qualität) und 3 bis 4 Tonnen Kohlenstoff, die zur Zeit der Ernte im Rapsstroh eingelagert sind, erzielt (KAISER, 2000:8).

Das Stroh könnte und sollte schon heute vollständig wieder auf den Acker gebracht werden, damit auch ohne Bodenbearbeitung die Bodenorganismen, insbesondere die Regenwürmer, reichlich Nahrung finden, den Boden aufschließen und eine zunehmende und nachhaltige Fruchtbarkeit auch aufgrund eines optimalen Humushaushaltes ermöglichen (vgl. FUKUOKA, l999: 24ff).

Wenn also der in der konventionellen Landwirtschaft übliche Mineraldüngeraufwand ausschließlich dem Teilprodukt „Pflanzenöl“ zugerechnet wird und die stoffliche oder energetische Nutzung vom Ölkuchen und des Rapsstrohs (sei es als Futtermittel, als Biogas-Gülle-Beitrag, als organischer Dünger oder direkt als Brennstoff) schlicht unterschlagen wird, dann verwundert es nicht, dass Rapsöl bezogen auf die in der Einleitung genannten Kenngrößen (z.B. „Verbrauch an mineralischen Rohstoffen“ usw.) so schlecht abschneidet.

Schlußfolgerungen und Ausblick

Eine wissenschaftlich einwandfreie Ressourcen- und Emissionsbilanz darf nicht stofflich oder energetisch verwertbare Nebenprodukte des Ölpflanzen-Anbaus ausklammern, die zudem mehr als zwei Drittel des Energiegehaltes der Ölpflanzen ausmachen. Allein durch Einbeziehung dieser Nebenprodukte würden die Bilanzen für Rapsöl wesentlich günstiger ausfallen.

Darüberhinaus würde der überwiegende oder gänzliche Verzicht auf mineralische, insbesondere mineralische Stickstoff-Düngemittel beim Rapsanbau, wie es beim ökologischen Landbau üblich ist, die Ressourcen- und Emissionsbilanzen für Rapsöl in einem völlig anderen Licht erscheinen lassen, nämlich ausnahmslos zu Gunsten von Rapsöl.

Diese Feststellung wird indirekt und nur beiläufig auch auf S. 45 im ifeu-Gutachten getroffen: „Ohne Verwendung von Mineraldüngemitteln würde sich das Vorzeichen umdrehen“.

Der reinste Sonnen-Energieträger überhaupt, nämlich naturbelassenes, kaltgepreßtes Pflanzenöl, kann also als einzigartige, in hohem Maße ökologische und vielseitige Zukunftsoption zum versiegenden fossilen Energieträger „Erdöl“ angesehen werden.

Selbstverständlich werden die Ölpflanzen-Anbauflächen in Deutschland kaum jemals für den Eigenbedarf an Kraftstoffen ausreichen. Aber decken wir etwa unseren derzeitigen Benzin- und Diesel-Bedarf aus deutschen Erdöl-Quellen? Warum sollten wir also nicht zukünftig den Restbedarf an erforderlichem Pflanzenöl aus den vielen sonnenreichen Ländern der Tropen und Subtropen als harmloses, umweltfreundliches-Handelsgut importieren und diesen Ländern damit eine echte und nachhaltige Entwicklungschance auf der Grundlage eines Ökologischen Landbaus gewähren? (aus Solarbrief 5/00)