Datum: 19.02.05

Tragikomödie um den Emissionshandel

Emissionshandels-Vorwürfe der Umweltverbände gegen Trittin treffen nicht das Wesentliche

Von Wolf von Fabeck

In einem gemeinsamen offenen Brief an Bundesumweltminister Jürgen Trittin kritisieren mehrere Deutsche Umweltverbände in scharfer Form die ihrer Auffassung nach unzureichenden Anstrengungen seines Ministeriums zum Klimaschutz

Den Umweltverbänden ist zu danken, dass sie öffentlichkeitswirksam auf die dramatische Gefährdung durch den steigenden Kohlendioxid-Ausstoß hinweisen und viele praktische Maßnahmen nennen, mit denen Deutschland den Ausstoß vermindern könnte. Der an erster Stelle ihrer Vorschläge geforderte "anspruchsvollere" Emissionshandel ist allerdings prinzipiell ein völlig ungeeignetes Instrument zur Verminderung des CO2-Ausstoßes.

Es gehört zur Tragik einiger Verbände, dass sie sich nicht von ihrer Fixierung auf die wirklichkeitsferne Idee des Emissionshandels lösen können. Dass die Verbände dann auch noch ausgerechnet dem Bundesumweltministerium in dieser Hinsicht zu geringe Anstrengungen vorwerfen, entbehrt nicht einer gewissen Komik. Minister Trittin ist einer der eifrigsten und ehrlichsten Befürworter des Emissionshandels. Gerade ihm zu geringe Anstrengungen vorzuwerfen, wirkt etwa so, als würden die Angehörigen einer Regentanz-Sekte ihren obersten Vortänzer beschuldigen, dass er noch nicht inbrünstig genug um Regen tanze.

Die verlegene Antwort aus dem Hause Trittin besagt, nicht die jetzige Regierung, sondern bereits die Regierung Kohl habe schon im Jahr 1997 die CO2-Minderungsverpflichtung faktisch zurückgefahren. Die deutschen Ziele seien aber dennoch weltweit die ambitioniertesten Ziele. Dabei schreibt Trittin sich indirekt auch die Ergebnisse von Entwicklungen gut, für die sein Ministerium keine Verantwortung trägt, so zum Beispiel den Niedergang der emissionsstarken DDR-Industrie nach der Wiedervereinigung.

Den bisherigen positiven Trend gälte es fortzuschreiben, betont Trittin. Kein Wort jedoch verliert der Minister darüber, wie völlig unzureichend die bisherigen Erfolge sind und dass angesichts der berohlichen Gesamtsituation ein grundsätzliches Umsteuern notwendig wird. Daran hindert ihn möglicherweise die Kabinettsdisziplin.

Der SFV weist in diesem Zusammenhang ergänzend auf folgende Gesichtspunkte hin:

Die Gegner einer wirksamen CO2-Minderung sitzen nicht im Bundesumweltministerium sondern im Bundeswirtschaftsministerium - teilweise auch im Verkehrs- und im Bauministerium.

Angesichts der Dramatik der Klimaentwicklung geht es nicht um einige Prozente mehr oder weniger Kohlendioxid-Reduktionsverpflichtungen, die das Papier nicht wert sind, auf dem sie geschrieben sind. Es geht vielmehr um eine Grundsatzfrage, nämlich ob Deutschland aus der fossilen Energieerzeugung aussteigen und in die Erneuerbaren Energien einsteigen soll. Solche Grundsatzfragen sind aber nicht Angelegenheit des Bundesumweltministers sondern Angelegenheit von Bundeskanzler Schröder und viel mehr noch eine Angelegenheit des deutschen Parlaments.

Noch einige erläuternde Hinweise zum Emissionshandel. Dieser ist aus folgenden prinzipiellen Gründen ein ungeeignetes Instrument.
Emissionshandel

  • begreift Klimaschutz als eine Last und erkennt nicht die wirtschaftliche Chance zum Einstieg in innovative Technologien,
  • orientiert sich international jeweils an der geringsten Minderungsbereitschaft und kommt deshalb zu völlig unzureichenden Reduktionszielen,
  • ist nicht ausreichend international kontrollierbar, da die Entdeckung von Verstößen den kontrollierenden Institutionen und Staaten selber zum Nachteil gereichen würde,
  • ist nicht fehlertolerant (bereits geringe Fehler können seine Wirkung zunichte machen),
  • ist nicht nachhaltig. Verstöße können international nicht wirksam geahndet, die weitere Teilnahme nicht kooperativer Staaten kann nicht erzwungen werden
  • blockiert, erschwert und konterkariert andere Anstrengungen zur CO2-Minderung,
  • mit seinem planwirtschaftlichen Ansatz wird er der möglichen Dynamik einer Innovationsoffensive nicht gerecht,
  • entspricht nicht dem Willen der Mehrheit, die sich eine nationale Vorreiterrolle wünscht (Emnid-Umfrage Sept. 02),
  • verursacht einen ungeheuren Verwaltungsaufwand.
Fasziniert vom nahezu unübersehbaren Umfang des Regelwerks und von seiner Kompliziertheit vergessen viele Menschen, dass nur solche Verfahren Erfolg haben, die einfach zu durchschauen, einfach zu handhaben und einfach zu kontrollieren sind. Insbesondere können sie sich nicht vorstellen, dass mit so viel Aufwand, so viel Geld hin und hergeschoben wird, ohne dass dadurch die notwendige Kohlendioxidverminderung zustande kommt.

Eine detailliertere Kritik am Emissionshandel findet sich auf unseren Internetseiten.
Dort gibt es auch eine Unterschriftenliste gegen den Emissionshandel.

Den offenen Brief der Umweltverbände und die Antwort des BMU finden Sie anhängend.

Umweltverbände nennen Trittins Umweltpolitik "substanzlos"
Sehr geehrter Herr Bundesminister,
kurz vor dem Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls blickt die Öffentlichkeit verstärkt auf die erreichten Fortschritte in der deutschen Klimapolitik.
Deutschland hatte lange Jahre Erfolge in der Reduktion der klimaschädlichen Treibhausgase zu vermelden. Seit geraumer Zeit hat sich das Blatt aber gewendet. Insgesamt stagnieren die Kohlendioxidemissionen seit 1999 mit leichten jährlichen Schwankungen. Die Erfolge beim Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Verringerung des Kraftstoffverbrauchs werden durch die Entwicklungen im Stromsektor konterkariert. Hier steigen die Emissionen kontinuierlich durch den wachsenden Stromverbrauch und die zunehmende Kohleverstromung.
Eine Strategie, wie diese Entwicklung aufgehalten und umgekehrt werden könnte, gibt es weder von der Bundesregierung, noch wird eine solche von Ihrem Hause vorgelegt. Angesichts der verstärkten Warnungen aus der Wissenschaft vor einer dramatischen Verschärfung des Klimawandels ist dieser Stillstand in Deutschland alarmierend.
In Ihrer Zeit als Umweltminister wird das nationale Klimaschutzziel zur Verringerung der Kohlendioxidemissionen um 25 Prozent bis 2005 nicht erreicht werden. Sie haben sich auf das schwächere Kyoto-Ziel zurückgezogen. Aber selbst dieses Ziel wird ohne die Festschreibung von zusätzlichen Maßnahmen im neuen Klimaschutzprogramm um 20 Millionen Tonnen CO2 verfehlt werden. Sie haben einen Entwurf in die Ressortabstimmung gegeben, der weitgehend substanzlos ist. Dies wird der von Deutschland beanspruchten Vorreiterrolle in der internationalen Klimaschutzpolitik in keiner Weise gerecht.
Die Umweltverbände haben mehrfach und frühzeitig die Erwartungen an die Fortschreibung des Klimaschutzprogramms formuliert: Es sollte auf eine Verringerung der Treibhausgasemissionen um 40 Prozent bis 2020 ausgerichtet sein und verbindliche Maßnahmen festlegen, um dieses Ziel zu erreichen. Auch hier enttäuscht der vorgelegte Entwurf. Mit der Ausrichtung des Programms auf das Kyoto-Ziel verschieben Sie einen Großteil der notwendigen Emissionsminderungen auf den knappen Zeitraum zwischen 2012 und 2020. Mit jeder Verschiebung steigen aber die Anpassungskosten und daher auch die dann zu erwartenden politischen Widerstände zur Durchsetzung der Maßnahmen.
Seit vielen Jahren schlagen die Umweltverbände eine Fülle praktikabler Maßnahmen vor, die den Klimaschutz kostengünstig voranbringen würden: Einen anspruchsvolleren Emissionshandel, Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung, höhere Fördermittel für die Gebäudesanierung, Verschärfung der Standards für die Altbausanierung, Weiterentwicklung der ökologischen Steuerreform und Abbau klimaschädlicher Subventionen, Markteinführungsprogramm für effiziente Stromnutzung bzw. Energieeffizienz-Fonds, Reform der KFZSteuer mit CO2 als Bemessungsgrundlage und klimapolitische Instrumente im Flugverkehr (Emissionsabgabe bzw. Emissionshandel und Kerosinsteuer) - um nur einige exemplarisch zu nennen.
Wir teilen Ihre Einschätzung, dass das Klimaschutzprogramm eine Angelegenheit der gesamten Bundesregierung ist und sich auch der Bundeskanzler und die anderen zuständigen Ressorts - insbesondere Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe und Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement - zu den notwendigen Maßnahmen bekennen müssen. Das entlässt das federführende Ministerium aber nicht aus der Verantwortung, solche Maßnahmen in die Ressortabstimmung einzubringen und sie dann auch durchzusetzen.
Sehr geehrter Herr Bundesminister, wir möchten Sie dringend bitten, dem Klimaschutz in Ihrer Politik wieder einen höheren Stellenwert zu geben und weitere Maßnahmen in das Klimaschutzprogramm aufzunehmen.

Mit freundlichen Grüßen

Olaf Tschimpke
Hubert Weinzierl
Dr. Angelika Zahrnt
Jürgen Maier
Klaus Milke
Peter Prokosch
Jürgen Sattari

Naturschutzbund Deutschland e.V.
Deutscher Naturschutzring
Bund für Umwelt und Naturschutz
Forum Umwelt und Entwicklung
Germanwatch e.V.
WWF Deutschland
Robin Wood

Quelle: http://www.bund.net/lab/reddot2/pdf/trittin_brief.pdf

Trittin: Umweltverbände kritisieren den Falschen
BMU Pressedienst Nr. 027/05
Berlin, 09. Februar 2005
Klimaschutz
Trittin: Umweltverbaende kritisieren den Falschen
Deutschland weltweit fuehrend im Klimaschutz

Bundesumweltminister Juergen Trittin hat die Kritik aus Umweltverbaenden an der Klimaschutzpolitik der Bundesregierung zurueckgewiesen. "Deutschland ist weltweit Vorreiter im Klimaschutz. Wir haben im Hinblick auf Klimagase das hoechste Reduktionsziel aller Industriestaaten und sind auf dem besten Wege, dies auch zu erreichen", sagte Trittin. Es gebe fuer die Kritik der Umweltverbaende in Europa und im Rest der Welt wesentlich passendere Adressaten als ausgerechnet die deutsche Regierung, so der Bundesumweltminister.

Die wichtigste Grundlage fuer die Fortschreibung des nationalen Klimaschutzprogramms ist mit der Einfuehrung des Emissionshandel gelegt. "Deutschland hat in Europa den ambitioniertesten Plan fuer den Handel mit Treibhausgasen vorgelegt. Denn wir sehen als einzige Reduktionen bereits in der ersten Handelsperiode vor", sagte Trittin. Deutschland muss bis 2012 17 Millionen Tonnen CO2 einsparen, um das Kyoto-Ziel zu erreichen. Mehr als die Haelfte davon, rund 10 Millionen Tonnen, werden Industrie und Energiewirtschaft durch den Emissionshandel beitragen. Die Sektoren Dienstleistungen, private Haushalte und Verkehr muessen also noch eine Reduktion um 7 Millionen Tonnen erbringen. "Ich bin mehr als zuversichtlich, dass wir das erreichen", sagte der Bundesumweltminister.

So sind beispielsweise die jahrelang steigenden Klimagasemissionen des Verkehrs mittlerweile als Folge der Oekosteuer ruecklaeufig. Auch der ungebrochene Trend zum Diesel wird weiter zur Senkung der Durchschnittsverbraeuche und damit der Klimabelastung beitragen. "Wir werden diesen positiven Trend im Nationalen Klimaschutzprogramm fortschreiben. Mit dem Bauministerium sind wir uns einig, dass im Gebaeudebestand mehr gemacht werden muss", betonte Trittin. Zur CO2-Reduzierung im Gebaeudebestand stehen derzeit mit Hilfe der Oekosteuer 360 Millionen Euro zur Verfuegung.

Den erneut vorgetragenen Vorwurf, das sogenannte "Nationale Klimaschutzziel" der Regierung Kohl, eine Verminderung der Kohlendioxidemissionen um 25 Prozent bis zum Jahr 2005 gegenueber dem Basisjahr 1990, zu verfehlen, wies der Bundesumweltminister zurueck: "Das Ziel hat bereits die Regierung Kohl im Jahr 1997 in Kyoto de facto aufgegeben. Denn dort wurden weniger ambitionierte Ziele vereinbart und diese fuer einen spaeteren Zeitpunkt. Aber schon das deutsche Kyoto-Ziel ist mit 21 Prozent Verminderung der Treibhausgase das ambitionierteste unter allen Industriestaaten", sagte Trittin.


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