Datum:24.05.1994 neu aufgelegt 22.04.2006

Energischer Ausbau der Photovoltaik belastet das Klima weniger

von Wolf von Fabeck

Antwort auf die Behauptung des Deutschen Atomforums, Solarmodule dürften nur in möglichst geringer Menge produziert werden, um das Klima nicht zusätzlich mit dem CO2 Ausstoß bei der Produktion zu belasten. Ein Auszug aus dem Solarbrief 2/94, der auch heute noch nichts von seiner Aktualität verloren hat.

Zusammenfassung

Für die vollständige Energiewende wird eine bestimmte Menge an PV-Anlagen benötigt. Bei deren Herstellung wird eine bestimmte Menge CO2 Menge. Die addierte Gesamtbelastung der Atmosphäre wird also geringer, je kürzer der Zeitraum der Umstellung gewählt wird.


„Mutti, Mutti, er hat überhaupt nicht gebohrt!“ Jedes Kind weiß, dass es beim Zahnarzt weniger weh tut, wenn man früher hingeht. Trotzdem schieben sogar Erwachsene den längst fälligen Zahnarzttermin weiter hinaus, bis sie es vor Schmerzen nicht mehr aushalten können.

Die Energiewirtschaft verhält sich mit der Umstellung auf CO2-freie, unerschöpfliche Energien ähnlich. Längst hätte sie die Sanierung ihres CO2 und Radioaktivität produzierenden Systems in Angriff nehmen müssen, aber „beim Zahnarzt tut es ja noch soo viel mehr weh!“ heult das unvernünftige Kind [Quelle 3]. Und „der CO2-Ausstoß nimmt ja noch viel schneller zu, wenn viele Photovoltaikanlagen gebaut werden“ jammert die Energiewirtschaft [Quelle 1 u. 2] .

Das Problem

Also, wie ist das nun mit dem CO2? Jahr für Jahr werden aus Kohle, Öl und Erdgas Milliarden von Tonnen CO2 in die Atmosphäre geblasen. Jedes Jahr nimmt der CO2-Gehalt der Luft weiter zu. Vor der industriellen Revolution lag der CO2-Gehalt bei unter 275 ppmv, 1990 waren es 354 ppmv, [Quelle 4]. In zehn Jahren werden es vielleicht 360 ppmv,. In hundert Jahren wären es, wenn wir die Dinge weiter so treiben lassen würden, weit über 400 ppmv. Bei einem so hohen CO2-Gehalt würde das gegenwärtige Klima mit Sicherheit nicht mehr stabil sein.

Klimaforscher sind sich darin einig: wir dürfen es so weit nicht kommen lassen. Der Vergleich der Atmosphäre mit einem Fass liegt nahe. Ständig wird oben mehr zu gefüllt als unten abläuft. Irgendwann wird es überlaufen.

Es geht jetzt um die Frage, was geschehen würde, wenn weltweit in so massiver Weise die PV-Anlagenfertigung aufgenommen wird, dass der CO2-Anstieg sich deutlich ändern würde. Würde er sich zum Schlechten wenden, wie uns die Energiewirtschaft glauben machen will, oder würde er sich zum Guten ändern? Zur Beantwortung dieser Frage werden wir unter erheblich vereinfachten und zugleich für die PV ungünstigen Annahmen eine sogenannte „Worst-Case-Abschätzung“ vornehmen. Das heißt, wir werden in einem Gedankenexperiment genau das tun, wovor die Energiewirtschaft so eindringlich warnt. Wir werden in unserem Gedankenexperiment die Weltenergiewirtschaft vollständig auf Photovoltaik umstellen, und das auch noch sehr, sehr schnell. Wir werden den „Worst-Case“, den (für die Energiewirtschaft) schlimmsten denkbaren Fall, ihren angeblichen „Photovoltaik-GAU“, mutwillig herbeiführen. Und wir werden zeigen, dass die Atmosphäre dabei von CO2 entlastet statt belastet wird.

Annahmen für eine Worst-Case-Betrachtung:

Annahme 1: Die Welt-Energiewirtschaft werde vollständig durch eine „PV-Wirtschaft“ ersetzt.
Diese Annahme ist nicht im Sinne eines Programms zu verstehen. Wir setzen in Wirklichkeit vielmehr auf einen ausgewogenen Energiemix. Sonne (Wärme und Strom) Wind, Wasser und Biomasse (in Kraft-Wärme-Kopplung), sowie ein System von kleinen Speichern und ein intelligentes Lastmanagement [5] sollen die fossilen und atomaren Energietechniken so rasch wie möglich und vollständig ablösen. Aber damit die Rechnung nicht zu kompliziert wird, beschränken wir uns bei unserem Gedankenexperiment auf nur eine Technik, die Photovoltaik. Das Verhältnis der aufgewendeten Herstellungsenergie zur später im Betrieb gewonnenen Energie ist bei PV-Anlagen ungünstiger als bei Wind-, Wasser- und Biomasse-Anlagen. Es ist deshalb als Worst-Case-Annahme zulässig, PV-Anlagen anstelle von Wind-, Wasser- und Biomasse-Anlagen zu betrachten.

Annahme 2: Der Fertigungsumfang für neue PV-Anlagen sei konstant vom Beginn unseres Gedankenexperimentes an.
Auch diese Annahme vereinfacht die Berechnung erheblich. Der Bestand an PV-Anlagen nimmt bei konstantem Fertigungsumfang zunächst linear zu, bis die zuerst gefertigten Anlagen die Grenze ihrer Lebensdauer erreicht haben. Von diesem Angenblick an fallen zu jedem Zeitraum gerade so viele alternde Anlagen aus, wie neue hergestellt werden. Der Bestand an PV-Anlagen wächst dann nicht weiter an, er hat vielmehr seine endgültige Größe erreicht. Je größer der Bestand sein soll, desto höher muss also der Fertigungsumfang sein. Wir wollen in unserem Gedankenexperiment den Fertigungsumfang so extrem hoch wählen, dass nach einer PV-Lebensdauer z.B. von 20 Jahren die Umstellung auf eine „PV-Wirtschaft“ abgeschlossen ist. Diese Annahme, dass wir von Anfang an mit vollem Fertigungsaussstoß, mit fast unvorstellbarem Tempo, PV-Anlagen fertigen, stellt eine eklatante Mißachtung der Warnungen der Energiewirtschaft dar, denn gerade bei Beginn der Umstellung ist der CO2-Ausstoß für die PV-Anlagenherstellung am höchsten, weil die Herstellung ausschließlich mit dem herkömmlichen CO2-behafteten Energiemix erfolgt. Später mildert sich die Situation ab. Jede PV-Anlage geht sofort ans Netz, verdrängt herkömmlichen Strom und verringert den spezifischen CO2-Ausstoß pro kWh im Netz. Zum Ende der Umstellung werden die letzten PV-Anlagen mit reinem, nahezu CO2-freien PV-Strom hergestellt. Bei Beginn der Umstellung ist deshalb der CO2-Ausstoß am höchsten. Wenn zu Beginn auch noch das Herstellungstempo besonders hoch gewählt wird, ist dies zwar ziemlich unrealistisch, aber im Rahmen einer Worst-Case-Betrachtung durchaus erlaubt.

Berechnung:

Der Welt-Energiebedarf sei „E“. Wir nehmen an, dass er konstant bliebe. Er soll auch in der zukünftig angenommenen PV-Wirtschaft gedeckt werden. Zusätzlich wird noch die Energie zur Fertigung der jeweils nächsten PV-Generation benötigt. Zur Fertigung von PV-Anlagen ist jeweils ein Siebtel der Energiemenge aufzuwenden, die später von diesen PV-Anlagen geliefert werden soll [Quelle 6 u. 7]. Der Welt-Energieverbrauch in einer PV-Wirtschaft wird also um ein Siebtel höher sein als der jetzige. Er wird sein:

    E + 1/7 E = 8/7 E.

Die zukünftige PV-Wirtschaft benötigt deshalb als „Dauerausstattung“ so viele PV-Anlagen, dass diese 8/7 E decken können. Die erste dieser sich selbst reproduzierenden Dauerausstattungen muss noch mit Hilfe herkömmlichen Energien hergestellt werden. Die dafür benötigte Herstellungsenergie beträgt 1/7 dessen, was die Dauerausstattung später leisten soll, nämlich 1/7 von 8/7 E. Das sind 8/49 E, bzw. knapp 17% von E.

Interpretation der Ergebnisse

Der Weltenergiebedarf erhöht sich vom Beginn der Umstellung an kurzfristig um 17%. Somit steigt auch der CO2-Austoß zu Beginn der Umstellung um 17% an. Allerdings gehen alle hergestellten PV-Anlagen sofort ans Netz und reduzieren kontinuierlich den CO2-Ausstoß. Der CO2-Ausstoß steigt somit zwar kurzfristig auf 117% an, sinkt aber schon rasch wieder ab. Nach 2,8 Jahren ist der CO2-Ausstoß schon wieder auf den ursprünglichen Stand abgesunken, um sich dann linear weiter bis auf Null zu reduzieren. Nach 5,6 Jahren hat der Minderausstoß bereits den vorherigen Mehrausstoß ausgeglichen. Von jetzt an verringern sich die kumulierten CO2-Emissionen jährlich. Nach Ablauf der Umstellung (nach Ablauf einer PV-Lebensdauer von etwa 20 Jahren) hat der PV-Bestand die erforderliche Größe zur Vollversorgung des Weltenergiebedarfs plus seine eigene Reproduktion erreicht. Auch die letzten herkömmlichen Kraftwerke können dann abgeschaltet werden. Von diesem Zeitpunkt an werden alle weiteren PV-Anlagen ohne CO2-Ausstoß mit reiner Solarenergie hergestellt. Der energiebedingte CO2-Ausstoß ist Null für alle Zeiten.

Der von den "Warnern" der Energiewirtschaft befürchtete CO2-Mehrausstoß verkehrt sich also umso schneller in einen Minderausstoß, je energischer die Umstellung auf PV erfolgt.

Unser Gedankenexperiment hat gezeigt, dass die Warnungen der Energiewirtschaft vor der Photovoltaik unberechtigt sind. Der „Worst-Case“ ist eher ein „Best-Case“, die Warnung ist interessengeleitete Panikmache.

Je schneller und gründlicher wir den Energiemix aus Kohle, Öl, Gas und Atom ersetzen durch einen Mix der unerschöpflichen Energien Sonne, Wind, Wasser und Biomasse, umso größer sind unsere Chancen, die Klimakatastrophe in Grenzen zu halten.

Quellen:

[1] von der Heydt: Solarzellen zwischen Sonnenenergie und fossil-nuklearen Energiequellen, Oktober 93, 37136 Landolfshausen, Suhlawiesen 37
[2] Deutsches Atomforum e.V : Wie schnell kommt die Sonnenenergie? Analysen 33, Bonn, November 1993.
[3] Den Zahnarzt-Vergleich verdanke ich Frau Kopfermann, Solarpionierin in Hamburg
[4] Aus dem Bericht der Enquete Kommission des 11. Deutschen Bundestages
[5] „Lastmanagement“ Steuerung der Nachfrage entsprechend dem Angebot durch marktwirtschaftlichen Anreiz. Dazu Tönnies, Jan G.: Die Vereinbarkeit des Modells eines zweiseitig offenen Strommarktes mit den Normen von EnWG und GWB. - Göttingen: Cuvillier, 1993.
[6] G. Hagedorn: Kumulierter Energieverbrauch und Erntefaktoren von PV-Systemen. Energiewirtschaftliche Tagesfragen, Heft 11, 1989.
[7] W. Palz und H. Zibetta: Energy pay back of time of photovoltaic modules, International Journal of Solar Energy 1991, Vol.10,

(Gekürzt - aus Solarbrief 2/94)