Wenn das Klima kippt

  • Wenn wir noch länger warten, wird die Erderwärmung unserer Kontrolle entgleiten. Denn das Gefährlichste und oft Unterschätzte am Klimawandel sind positive Rückkopplungen:       Folgen der Klimaerwärmung, die automatisch eine   weitere Klimaerwärmung hervorrufen.
  • Eines dieser Kippelemente ist der Albedo-Effekt: Eisflächen reflektieren das Sonnenlicht ins All zurück. Wenn sie wegschmelzen, kann immer mehr Sonnenlicht die Erde und das Nordmeer weiter aufheizen.
  • Ein weiteres Kippelement liegt in den Permafrost-gebieten in Nähe des Nordpols. Dort sind riesige Mengen Methan im Boden gebunden, die beim Auftauen freigesetzt werden und den Treibhauseffekt vervielfachen.
  • An den Modellen des Weltklimarates IPCC wird kritisiert, dass sie die Rückkopplungen im Klimasystem unterschätzen. Die Zeit zu handeln läuft demnach noch schneller ab, als die Weltklimaberichte annehmen.

Was macht Kipppunkte so gefährlich?

Ein Experiment mit der Erde

Seit 200 Jahren führen wir auf unserer Erde ein gewaltiges Experiment mit ungewissem Ausgang durch:  Was passiert, wenn man in kurzer Zeit tausende von Gigatonnen Kohlenstoff, die in der Erde eingeschlossen waren, in die Atmosphäre verfrachtet? In der Erdgeschichte haben solche Vorgänge sonst Zehntausende bis Millionen von Jahren benötigt.

Wie das komplexe System aus Atmosphäre, Ozeanen und Biosphäre darauf reagiert, ist heute teilweise verstanden. Eine große Gefahr: Kipppunkte.

 

Beispiele von Kippelementen. 

Die Problematik der Kippelemente wurde um das Jahr 2000 von Hans Joachim Schellnhuber in die Debatte eingeführt. Im Klimasystem gibt es eine ganze Reihe solcher positiver Rückkopplungen. Die Folgen der Klimaerwärmung verursachen eine weitere Klimaerwärmung.

Beispiele solcher Prozesse sind der Rückgang der Albedo (Reflexionsfähigkeit von Eisflächen), die Methanfreisetzung aus auftauendem Permafrost und die Freisetzung riesiger Mengen von Methanhydrat aus dem Meeresgrund. Zu den Kippelementen gehört auch ein drohender Kollaps des Amazonas-Regenwaldes sowie allgemein der Verlust von Wäldern aufgrund vermehrter Waldbrände und rasch wandernder Klimazonen.

 

Droht eine Kaskade? 

Bei Kipppunkten handelt es sich um nichtlineare Dynamiken, die sich schnell der menschlichen Kontrolle entziehen können. Einmal in Gang gesetzt, können die positiven Rückkopplungen sich gegenseitig zu einer Kaskade verstärken. 

Selbst, wenn wir die Emissionen dann abrupt auf Null reduzierten, könnten wir die Erderwärmung nicht mehr aufhalten.  

Dadurch kann eine Runaway-Erderhitzung ausgelöst werden, die komplexere Lebensformen auf der Erde bedroht. Das bedeutet: Bei diesem globalen Experiment steht tatsächlich nicht nur die Existenz der Menschheit auf dem Spiel.

 

Dringender Handlungsbedarf

Schon bei einer globalen Temperaturerhöhung  von 2°C gegenüber dem vorindustriellen Wert lässt sich eine solche Entwicklung nicht sicher ausschließen. 2020 waren wir bereits bei durchschnittlich 1,28°C. Es besteht also extrem dringender Handlungsbedarf. Übrigens: Als halb Europa während der Eiszeit unter Gletschern lag, war es gerade mal 6°C kälter.

Neben dem kompletten Ausstieg aus den fossilen Energietechniken bis spätestens 2030 muss rasch mit der Rückholung von CO₂ aus der Atmosphäre begonnen werden, um den Treibhauseffekt abzuschwächen. Andere politische Prioritäten darf es heute eigentlich nicht mehr geben – wenn wir denn eine Zukunft haben wollen.

 

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