Viele Betreiber*innen von Solaranlagen über 100 kWp erhielten vom zuständigen Netzbetreiber die Aufforderung, Entscheidungen zur Umsetzung des neuen Redispatch 2.0 zu treffen. In diesem Papier wollen wir die Regelungen kurz kommentieren und Ihnen wichtige Informationen für Sie zusammenstellen.

 

Um was geht es?

 

Die zunehmende Einspeisung von Strom aus Erneuerbaren Energien stellt das Stromnetz vor neue Herausforderungen. Seit längerem gibt es bereits ein Redispatch (Verschiebung der Stromproduktion). Maßnahmen zum Redispatch sollen das Stromnetz vor Überlastung schützen und die Netzstabilität sichern. Dabei wird von Netzbetreibern und Direktvermarktungsunternehmen in die Erzeugungsleistungen der Anlagen eingegriffen und teilweise oder vollständig abgeregelt.

Der Redispatch 1.0 betraf bisher nur konventionelle Erzeugungsanlagen mit einer Leistung größer 10 MW. Uns ist es völlig unerklärbar, wieso es notwendig ist im Redispatch 2.0 einen so großen Sprung zu machen und PV-Anlagen ab 100 kWp direkt miteinzubeziehen.

Die Abregelung von EE-Anlagen könnte fast vollständig vermieden werden, wenn umfangreiche Investitionen in Speichertechniken und den Verteilnetzausbau erfolgen, sowie schwer regelbare Fossil- und Atomkraftwerke vom Netz genommen würden. Stattdessen setzt man auf Verfahren, die zunehmende Abregelung von EE-Anlagen zu managen. Hierzu hat die Bundesregierung ein  Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz (NABEG) beschlossen, in dem bestehende und neue Regelungen zur Abregelung enthalten sind.

Ab dem 1. Oktober 2021 treten zahlreiche Neuregelungen in Kraft, die als Redispatch 2.0 bezeichnet werden. Die Abregelung soll künftig über festgelegte Fahrpläne organisiert werden. Daraus ergeben sich neue Aufgaben und Verantwortlichkeitsbereiche - für Netzbetreiber und Anlagenbetreiber*innen.

Da Anlagenbetreiber*innen die gesetzlich festgelegten Abregelpflichten nicht selbst durchführen können, müssen Dritte beauftragt werden - zum Betrieb der Abregeltechnik und zur Abrechnung der entgangenen Stromerträge. In den meisten Fällen wird dies der beauftragte Direktvermarkter übernehmen können. Wie hoch die Dienstleistungskosten sind, ist schwer abzuschätzen. Sie müssen von den Anlagenbetreiber*innen getragen werden.

 

Wer ist betroffen?

 

Alle Erneuerbare-Energien-Anlagen (EE-Anlagen) und Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen (KWK-Anlagen) ab 100 kWp Leistung sind verpflichtet, am Redispatch 2.0 teilzunehmen. Anlagen mit einer Leistung kleiner 100 kWp sind nur betroffen, wenn sie bereits jetzt durch den Netzbetreiber fernsteuerbar sind. PV-Anlagen ab 100 kWp werden schon heute mit Hilfe von Fernwirktechnik abgeregelt.

Die Abregelung von Anlagen unter 100 kWp durch intelligente Messsysteme (Smart Meter Gateway) erfolgt aktuell noch nicht, da die Technik noch nicht verbaut ist. In Einzelfällen könnten allerdings mehrere Anlagen, die an einem gemeinsamen Verknüpfungspunkt angeschlossen und eine Gesamtleistung von 100 kWp aufweisen, über gemeinsame Einspeisemanagement-Technik abgeregelt werden. Die gesetzlich vorgeschriebene Fernwirktechnik muss dann auf Kosten der Anlagenbetreiber*innen nachgerüstet werden.

 

Entschädigung bei Abregelung?

 

Es besteht ein Anspruch auf Entschädigung für abgeregelte Strommengen. Der Netzbetreiber ist nach  § 15 EEG 2021 verpflichtet, die von der Abregelung betroffenen Betreiber*innen für die entgangenen Einnahmen zu entschädigen. Die Entschädigungskosten werden auf die Netzentgelte umgelegt.

 

Was muss ich tun?

 

a) Termin einhalten? 

Viele Netzbetreiber*innen haben in den letzten Wochen noch einmal Stammdaten zum Betreiber und zur Anlage, aber auch weitergehende Angaben, die derzeit weder beim Netzbetreiber noch im Marktstammdatenregister vorliegen, abgefragt. Da es keine terminlich festgelegte Rückmeldepflicht gibt, können Sie sich in aller Ruhe informieren. Alle Terminsetzungen (z.B. Rückmeldefrist bis 14. Mai 2021) haben keine gesetzliche Grundlage.

 

b) Verantwortlichkeiten bestimmen

Sie werden aufgefordert, Verantwortlichkeiten zu bestimmen (Einsatzverantwortlicher und Betreiber der technischen Ressource) und verschiedene Abregelungs-Varianten festzulegen.

Einsatzverantwortlicher (EIV): Als Anlagenbetreiber sind Sie zunächst EIV. Der EIV entscheidet über den “Fahrplan” seiner Anlage und ist verantwortlich für die Weitergabe der entsprechenden Daten im Redispatch 2.0. Da die Datenweitergabe in einem komplexen Datenübergabeverfahren (EDIFACT - Codenummernsystem) der Energiewirtschaft erfolgt, kann das von einem privaten Betreiber in der Praxis nicht geleistet werden. Es ist empfehlenswert, einen Direktvermarkter damit zu beauftragen. Sollten Sie keinen Direktvermarkter haben, informieren Sie sich bei Ihrem Netzbetreiber oder kontaktieren Sie einen Direktvermarkter.

Betreiber der technischen Ressource (BTR): Sollte Ihre Anlage nicht in der Direktvermarktung sein, ist es empfehlenswert, die Verantwortung zum Betreiben der Fernsteuertechnik offiziell dem örtlichen Netzbetreiber zu übergeben.

 

c) Abregelungs- und Bilanzierungmodell bestimmen

-> Duldungs- oder Aufforderungsfall?

Im Duldungsfall „dulden“ Sie bei Netzüberlastungen die Fernsteuerung der Anlage durch den Netzbetreiber. Für Sie als Betreiber einer oder mehrerer  Anlagen ohne Direktvermarktung ist das der einzig sinnvolle Weg.

Im Aufforderungsfall wendet sich der Netzbetreiber bei Regelungsbedarf an Sie. Sie müssten die Abregelung selbst umsetzen. Sollte Ihre Anlage von einem Direktvermarkter betreut werden, so bekommt er die Anweisung zur Regelung der Anlage. Er setzt sie um. Sie müssen sich nicht kümmern.


-> Bilanzierungsmodell - Planwert- oder Prognosemodell?

Wichtig ist zu wissen, dass Sie die Entscheidung für eines dieser Modelle auch wieder ändern können.

Planwertmodell: Der durch die Abregelung entgangene Stromertrag wird aus dem Vorab-Fahrplan der Anlage abgeleitet. Die tatsächliche Erzeugung zum Zeitpunkt der Abregelung wird nicht berücksichtigt. Diese Methode kann zu einer ungenauen Abrechnung führen.

Prognosemodell: Es erfolgt eine Erzeugungsprognose anhand der konkreten Einstrahlungs- und Standortdaten vom Netzbetreiber. So wird der ausgefallene Ertrag der Anlage genauer berechnet. Es gibt auch sogenannte Light-Verfahren, bei denen anhand von bekannten Durchschnittswerten kalkuliert wird.  Das Prognosemodell wird von Direktvermarktern aktuell auf Grund seiner Komplexität noch nicht genutzt.

 

Weitere Infos zu Redispatch 2.0

 

Youtube: Redispatch - einfach erklärt

Service des Direktvermarkters "Next Kraftwerke"

Bundeswirtschaftsministerium

Bundesnetzagentur

Bundesverband der Elektritätswirtschaft (BDEW) für Netzbetreiber