Unterschied zwischen Ökostrom und Öko-Haferflocken

Ist Durchleitung von Ökostrom aus ökologischen Gründen notwendig?
Wolf von Fabeck

Zwischen Ökostrom und Öko-Haferflocken gibt es einen entscheidenden Unterschied, den zumindest die Leser des Solarbriefs kennen sollten. Fangen wir bei den Öko-Haferflocken an.

Wozu kaufen Menschen Öko-Haferflocken? Natürlich zum gesundheitsfördernden Verzehr, lautet die Antwort... Wir lernen daraus: Öko-Haferflocken entfalten (abgesehen einmal von der Umweltentlastung durch ökologischen Anbau) ihren vollen Nutzen für den Verbraucher erst, wenn sie bei ihm angelangt sind und statt anderer, pestizidbelasteter, Haferflocken verzehrt werden.

Bei Ökostrom ist das anders. Ökostrom entfaltet seinen Nutzen vollständig bereits dann, wenn er erzeugt und ins öffentliche Netz eingespeist wird. Es ist nicht nötig, ihn anschließend noch zu einem bestimmten Verbraucher "durchzuleiten". Oder etwa doch? Lassen Sie uns über diese schwierige Frage in Ruhe nachdenken:

Der Nutzen des Ökostroms besteht darin, daß er eine gleiche Menge K-Strom (K für Kohle, Kernenergie und ‘konventionell’) verdrängt. Wenn 5 % Ökostrom ins Netz eingespeist wird, genau in dieser Sekunde schon müssen die K-Kraftwerke ihre Stromproduktion um 5 % zurücknehmen, weil sonst die Spannung im Netz unzulässig ansteigen würde. Die K-Kraftwerker blasen deshalb im ersten Augenblick etwas überschüssigen Dampf ab, werfen dann weniger Kohle auf den Rost und einige Minuten später belasten sie die Umwelt um etwa 5 % weniger. Das alles geschieht bereits infolge der Netzeinspeisung von Ökostrom. Extra "Durchleitung" ist dafür nicht notwendig.

Der Begriff "Durchleiten" ist aus verschiedenen Gründen irreführend und steht deshalb in Anführungszeichen. Erst vor dem Hintergrund des neuen Energiewirtschaftsgesetzes wird verständlich, worum es sich handelt. In einem gesonderten Beitrag auf Seite 6 wird der Begriff ausführlicher erläutert. Hier mag folgendes genügen:

Die Betreiber der Stromnetze verlangen eine Gebühr dafür, daß Strom mit Hilfe ihres Stromnetzes verkauft wird. Prinzipiell ist dieses Verlangen berechtigt, denn der Netzbetreiber bietet eine Gegenleistung, doch ist die Höhe und die Art der Berechnung strittig. Da der Netzbetreiber als Monopolist auftritt und da es keine Kontrollinstanz gibt, ist damit zu rechnen, daß die Forderungen völlig überzogen sind (in dem erwähnten Beitrag auf Seite 6 können Sie sich über zwei Tricks informieren, mit denen die Gebühren in die Höhe getrieben werden). Außerdem sind gerade die Eigentümer der großen Übertragungs-Stromnetze, wie RWE oder Preussen-Elektra, daran interessiert, die Entfernungen, die ihr Netz überbrückt, in klingende Münze umzusetzen. Deshalb fordern sie eine entfernungsabhängige Gebühr. Um diese zu begründen, erwecken sie gerne bei Nichtfachleuten den Eindruck, sie würden Strom vom Erzeuger zum Empfänger "durchleiten", etwa so, wie die Deutsche Post ein Paket vom Absender zum Empfänger befördert. Das Wort "Durchleitung" kommt ihnen dabei begrifflich sehr entgegen.

Und wer sich mit Ökostrom von einem Windrad im Hunsrück versorgen lassen will, der soll nach dem Willen der Stromversorger natürlich auch eine Durchleitungsgebühr bezahlen. Ökostrom-Handelsgesellschaften wie die Elektrizitätswerke Schönau oder die Naturstrom AG, die dieses Spiel nicht mitspielen, werden mit beißendem Spott bedacht. Weil sie einen Weg gefunden haben, wie sie die freiwilligen Mehrzahlungen ihrer Kunden ohne Entrichtung einer Durchleitungsgebühr direkt den Betreibern der Solar-, Wind- oder Biomasseanlagen zugute kommen lassen können, werden sie als "Spendensammler" diskreditiert. Ernst zu nehmen - so sagen die konventionellen Stromversorger - seien nur Handelsgesellschaften, die eine Durchleitungsgebühr entrichten.

Doch technisch und physikalisch gibt es keine Durchleitung von Strom durch das weit verzweigte Strometz. Wer für die "Durchleitung" von Windstrom aus dem Hunsrück zu seiner Wohnung in der Großstadt eine Durchleitungsgebühr entrichtet, bekommt aus seiner Steckdose trotzdem den gleichen Strommix mit 99 % K-Strom wie vorher auch. Die Durchleitungsgebühr hätte er sich sparen können.

Selbst wenn der Verbraucher eine extra Stromleitung vom Windrad im Hunsrück bis zu sich nach Hause legen würde, den Windstrom also tatsächlich im technisch, physikalischen Sinne "durchleiten" würde, ergäbe sich daraus keine höhere Entlastung der Umwelt, denn die Elektrogeräte arbeiten nicht umweltschonender, wenn sie durch Ökostrom angetrieben werden. In der (unnötigerweise gebauten) Stichleitung würden sogar noch zusätzliche Energieverluste auftreten; ein Teil der Windenergie würde wieder "verloren gehen", d.h. ungenutzt bleiben.

Der so getäuschte Verbraucher hätte außerdem nicht den geringsten persönlichen Vorteil, denn er kann keinem Besucher die "schönen grünen Elektronen aus der Windmühle" zeigen, denn die Elektronen unterscheiden sich nun einmal nicht von denen des Atomstroms. (Außerdem handelt es sich um Wechselstrom, bei dem die Elektronen sowieso nur 50 mal in der Sekunde wenige Zentimeter vor und wenige Zentimeter zurück gehen und deswegen nie vom Erzeuger zum Verbraucher gelangen).

Dieser Exkurs soll die Augen öffnen für einen entscheidenden Unterschied, von dem bisher noch nicht die Rede war, nämlich den entscheidenden Unterschied zwischen Ökostromhändlern, die ihre Kunden korrekt informieren und denen, die im Trüben fischen. Eine Ökostromhandelsgesellschaft, die damit Kunden wirbt, daß sie den Ökostrom angeblich "wirklich und tatsächlich!!!" zum Empfänger durchleitet, oder dies in einigen Jahren tun wolle, täuscht gutwillige, aber uninformierte Kunden.

Deshalb, wer die Ausbreitung der erneuerbaren Energien durch "Kauf" von Ökostrom unterstützen will, der sollte nicht unnötigerweise einen Teil seines Geldes als überhöhte "Durchleitungsgebühr" dem Netzbetreiber in den Rachen werfen, sondern sollte sich eine Ökostrom-Handelsgesellschaft suchen, die keine Durchleitung an den Netzbetreiber bezahlt.

Fassen wir zusammen:

1. Die Netzbetreiber als Monopolisten verlangen unkontrollierbar überhöhte Durchleitungsgebühren.

2. Die Zahlung einer Durchleitungsgebühr für Ökostrom bringt ökologisch nicht den geringsten Vorteil.