Biomasse - Baustein einer künftigen Energieversorgung

Ein produktives, umweltschonendes Ackernutzungskonzept zur Bereitstellung von Energie und Wertstoffen aus der Vielfalt der Kulturpflanzen
Von Prof. Dr. Konrad Scheffer

Prof. Dr. K.Scheffer ist am Institut für Nutzpflanzenkunde der Universität Kassel, Fachbereich Landwirtschaft, Internationale Agrarentwicklung und Ökologische Umweltsicherung tätig.

1. Einleitung

Neben der Bereitstellung von Nahrungs- und Futtermitteln hat die Landwirtschaft mit der Erzeugung von Rohstoffen und Energie wieder die Funktionen zu übernehmen, die ihr seit ca. 100 Jahren mit der Nutzung fossiler Rohstoffe vorübergehend entzogen worden sind. Auf diese alten Funktionen kann spätestens dann nicht mehr verzichtet werden, wenn die fossilen organischen Rohstoffquellen versiegen; sie sind jedoch schon heute wegen der Dringlichkeit einer Reduktion klimawirksamer Gasemissionen (CO2>) und der Entschärfung der Abfallproblematik erforderlich.

Eine Zukunft, in der umweltschädliche Emissionen und Abfälle vermieden werden, in der Boden, Wasser und Luft schadstofffrei bleiben sollen und zu der die stoffliche und energetische Pflanzennutzung ihren unverzichtbaren Beitrag leisten muß, kann nicht mit landwirtschaftlichen Produktionsverfahren gestaltet werden, die bislang in erheblichem Maße zu Umweltbelastungen beigetragen haben (Nitrate, Phosphate, Pestizide in Böden, Grund- und Oberflächenwasser, Bodenabtrag durch Wind und Wasser u.a.m.). Eine ebenso zukunftsbedrohende Entwicklung stellt die Artenverarmung der Nutz- und Wildpflanzen und in ihrem Zuge auch der Fauna dar. Moderne Züchtungsmethoden und Vermarktungsstrategien engen die Genvielfalt einzelner Arten immer weiter ein.

Ökologisch orientierte Landnutzungskonzepte, die lediglich die Vermeidung von Umweltbelastungen zum Ziel haben, werden der zusätzlichen gesellschaftlichen Verantwortung der Landwirtschaft als Stoff- und Energieproduzent nicht gerecht. Daher müssen Konzepte erarbeitet werden, die zu einer multifunktionellen und umweltschonenden Landnutzung im Interesse einer umweltgerechten Entwicklung der Industriegesellschaft führen.

 

2. Ein Konzept

Biomassen aus der Land- und Forstwirtschaft werden zukünftig, gemessen am Anteil der regenerativer Energieträger am Primärenergieaufkommen, die größte Bedeutung erlangen. Vorraussetzung hierfür ist, daß dieser Energieträger ohne großen Energieaufwand und ohne Umweltbelastungen bei der Erzeugung (Anbau, Ernte) und Weiterverarbeitung (z.B. thermische Umwandlung) bereitgestellt werden kann.

Weltweit speichert die jährlich heranwachsende Pflanzenmasse zehnmal mehr Sonnenenergie, als die Weltbevölkerung an Energie benötigt. Der Energiewert der Nahrungsmittel beträgt von dieser Gesamtenergiemenge nur ca.1 %. Somit treten die neuen Funktionen der Landwirtschaft nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelversorgung, zumal in nahezu allen Industriestaaten die landwirtschaftliche Überproduktion durch uneffiziente Flächenstillegungsprogramme zu lösen versucht wird. Auch dort, wo Nahrungsmittel nicht im Überschuß vorhanden sind, gibt es beachtliche Biomassepotentiale, da von Nahrungspflanzen selten mehr als die Hälfte verzehrbar ist.

Neben gespeicherter Energie enthalten die Pflanzen eine unbegrenzte Zahl an industriell verwertbaren lnhaltsstoffen, die den größten Teil bisher aus fossilen Rohstoffen hergestellter Industriestoffe umweltentlastend ersetzen können. Einige wenige Beispiele hierfür sind Folien aus Stärke, Schmieröle aus Pflanzenöl, Dämmstoffe aus Pflanzenfasern.

Die langfristige Strategie besteht in der stofflichen Zwischennutzung höherwertiger Inhaltsstoffe einer Pflanze. Nach der Zwischennutzung werden diese Stoffe - ebenso wie der große Rest der Pflanze - energetisch genutzt, selten kompostiert und niemals deponiert, weil letztgenannte Verfahren neben hohen Kosten zu Emissionen umwelt- und klimaschädigender Gase (Ammoniak, Methan, Lachgas) führen.

Aus den gleichen Gründen werden Aufwüchse von Naturschutzflächen, Grünschnitt von Weg- und Gewässerrändern sowie von Grünanlagen in eine thermische Verwertung mit einbezogen. Energie und Rohstoffe sind im Interesse stabiler Ökosysteme aus einer Vielfalt von Arten und Sorten zu gewinnen, wobei neben der Tolerierung von Wildpflanzen Umweltbelastungen durch Bodenerosion, Einträge von Nährstoffen in das Grundwasser sowie die Anwendung von Pestiziden zu vermeiden sind.

Ein am Institut für Nutzpflanzenkunde in Witzenhausen entwickeltes, ökologisch orientiertes Anbausystem erfüllt weitgehend diese Forderungen. Dabei wird die Biomasse als Grünpflanze geerntet und in Gärsilos dauerhaft konserviert. Dieses Verfahren ist in der landwirtschaftlichen Praxis für die Lagerung von Futter erprobt. Das Anbausystem beruht auf der Ernte von möglichst zwei Kulturen pro Jahr. Eine Zweifachnutzung wird möglich, da die Ausreife der Erstkulturen nicht abgewartet und somit Vegetationszeit für den Anbau der Zweitkultur gewonnen wird. Die Zweitkultur wird nach der Ernte der Erstkultur ohne vorhergehende Bodenbearbeitung zwischen die Stoppeln gesät (Abb.2). Diese „Bodenruhe" wirkt einem Humusabbau entgegen. Die Stoppeln der Vorfrucht bieten einen idealen Schutz vor Bodenerosion.

Beispiele für überwinternde Kulturen sind die heimischen Getreidearten, desweiteren Raps und Rübsen, Futterpflanzen und ebenso Winterleguminosen als Stickstoffsammler. Als Folgekulturen können die hochproduktiven C4-Pflanzen Mais und Hirse sowie Sonnenblumen, Hanf, Ölrettich und Gräser angebaut werden. Durch den Zweifruchtanbau erhält der Boden das ganze Jahr über eine Vegetationsdecke, die ständig Nährstoffe entzieht, somit Nährstoffauswaschungen, insbesondere von Nitratstickstoff, minimiert und vor Bodenerosion schützt. Durch Auswahl oder Neuzüchtung von proteinarmen Sorten läßt sich der Stickstoffbedarf der Energiepflanzen erheblich senken.

Herbizide werden gewöhnlich eingesetzt, um die Konkurrenz zwischen Kulturpflanze und Wildpflanze auszuschalten und einer Wildpflanzenvermehrung durch Samenausfall vorzubeugen. Die Konkurrenz zwischen Wildpflanze und Kulturpflanze verliert an Bedeutung, wenn nicht nur die Kulturpflanze das Ernteprodukt darstellt, sondern wenn der Gesamtbestand einschließlich der Wildpflanzen (thermisch) nutzbar ist. Die frühzeitige Ernte der Winterfrüchte verhindert gleichzeitig die Samenreife und somit Vermehrung der Ackerwildpflanzen.

Eine Herbizidanwendung bei der Zweitkultur ist auch nicht notwendig, wenn die Neueinsaat der Zweitkultur in den unbearbeiteten Boden erfolgt. Dadurch unterbleibt bei den Wildpflanzensamen die Anregung zum Keimen. Ein Wiederaustreiben der Erstkultur wird vermieden, wenn die Ernte frühestens nach der Blüte erfolgt. Ackerwildpflanzen sind nicht nur Konkurrenten um Wachstumsfaktoren sowie Wirtspflanzen und Zwischenwirte für Krankheiten und Schädlinge, sondern auch mit ihren Blüten und Blättern Nahrungsgrundlage für viele Nützlinge eines Agrarökosystems. Sie sind somit Teil der Artenvielfalt, die angestrebt wird. Bei dem Zweikulturnutzungssystem und der stofflichen und thermischen Verwertung der Biomasseaufwüchse können im Gegensatz zu anderen Anbauverfahren und Verwertungsrichtungen diese Ackerwildpflanzen toleriert werden.

Artenvielfalt und die Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen in Sorten- und Artenmischungen sind weitere Vorzüge dieses Nutzungskonzeptes. Da Reifetermine nicht abgewartet werden müssen, können beliebige Sorten- und Artenmischungen angebaut werden. An die Pflanzenarten werden keine besonderen Qualitätsansprüche gestellt. Damit erweitert sich das Spektrum der nutzbaren Herkünfte bis hin zur Nutzung vieler sonst nur in Genbanken konservierter pflanzengenetischer Ressourcen. Dabei kann altes proteinarmes Zuchtmaterial mit hohem Gesamtertrag (z.B. Getreide mit hohem Stroh- und niedrigem Kornertrag) aus ackerbaulicher Sicht (geringerer Stickstoffdüngeraufwand) sehr wertvoll sein.

Bei unserer Form der Energiepflanzenproduktion wird auch auf Fungizide und lnsektizide verzichtet, weil alle Kulturen in einem Wachstumsstadium geerntet werden, in dem Schaderreger den Ertrag wenig beeinflussen können. Unsere Versuche zeigen, daß der Verzicht auf alle chemischen Pflanzenbehandlungsmittel maximale Ertragseinbußen von 10 % zur Folge hat.

Die jährlichen Trockenmasse-Erträge liegen bei dem Zweikulturnutzungssystem in Abhängigkeit von Bodenart und Wasserversorgung zwischen 15 und 25 t/ha; das entspricht einem Energieertrag von umgerechnet ca. 6.500 bis 11.000 t Öl.

 

3. Wertstoff- und Brennstoffgewinnung

Zur Ernte der Biomasse können Geräte zum Einsatz kommen, die auf jedem landwirtschaftlichen Betrieb vorhanden sind, wie Häcksler und Mähdrescher. Grüngut zum Einsilieren wird direkt mit dem Häcksler geerntet, während Körner von Pflanzenarten, die für die Wertstoffgewinnung vorgesehen sind, mit dem Mähdrescher gewonnen werden. Das Stroh bzw. die Restpflanze der Körnerfrüchte wird mit dem Häcksler geworben und einsiliert.

Das Erntegut wird direkt auf das Transportfahrzeug geblasen. Eine Ablage von gemähtem Erntegut auf dem Feld zum Zwischentrocknen ist nicht vorgesehen. Dieses Verfahren hätte zwar den Vorteil höherer Trockensubstanzgehalte in der Biomasse, hingegen die Nachteile stärkerer Verschmutzung, von Substanzverlusten und Ausfall von Unkrautsamen.

Das Erntegut wird in einem Fahrsilo konserviert. Das Fahrsilo verfügt über eine feste Bodenplatte mit Ablaufrinnen und Sammelbehälter für Regenwasser und Sickersaft. Ist bei Zuckerhirse eine Zuckergewinnung vorgesehen, wird die Zuckerlösung vor der Einsilierung durch Abpressen gewonnen.

Die Verfahrensschritte zur Wertstoff- und Brennstoffgewinnung sind in Abb.3 (unten) aufgeführt. Die Wertstoffe können bei der Ernte, vor oder nach der Silierung bzw. der mechanischen Entwässerung des Siliergutes - ein Prozeßschritt zur Brennstoffbereitstellung - gewonnen werden.

Die besondere ökonomische Perspektive ergibt sich aus der Nutzung der Gesamtpflanze. Alle höherwertig nutzbaren Inhaltsstoffe sind in ihrem stofflichen Ausgangspreis dem des Brennstoffes vergleichbar und verteuern sich lediglich um die mit der Gewinnung (Abtrennen, Auskämmen, Sedimentieren) verbundenen Kosten. Ist noch oder vorübergehend kein Markt für diese Rohstoffe vorhanden, so werden sie ohne Einnahmeverluste für den Produzenten thermisch mitgenutzt.

Diese Strategie unterscheidet sich von bisherigen Bemühungen um die Markteinführung nachwachsender Rohstoffe, bei denen die zu vermarktenden lnhaltsstoffe allein die Kosten für Anbau und Gewinnung zu decken hatten.

 

Wertstoffe

Stärke: Erreicht Mais die Körnerreife, wird das Korn gedroschen und zur Stärkegewinnung weiterverarbeitet, während das feuchte Stroh siliert wird. Stärkegewinnung aus Mais ist wie die aus Kartoffeln und Getreide ein bereits bekanntes Verfahren.

 

Zucker: Zuckerrübe, Zuckerhirse und Zuckerrohr speichern den Zucker im Stengel. Nach der Ernte wird durch mechanisches Abpressen die Zuckerlösung gewonnen, die Restpflanze wird siliert. Der Zucker wird durch Eindampfen der Zuckerlösung gewonnen (Nutzung von Abwärme aus dem Biomasseheizkraftwerk).

 

Ölsamen: Einige Wochen vor dem Erntetermin für druschreife Körner haben Ölpflanzen wie Raps, Rübsen und Sonnenblumen schon erhebliche Mengen an Öl in ihren Samen gespeichert. Bei unserem neuen Ernteverfahren werden die Pflanzen mit dem Häcksler abgeerntet und einsiliert. Die Samengewinnung aus dem Siliergut erfolgt über eine Siebtrennung, die Verwertung der Restbiomasse als Brennstoff über die mechanische Entwässerung. Die feuchten Samen werden entweder direkt einer Ölpresse zugeführt oder müssen getrocknet werden. Mit diesem Verfahren konnten in ersten Untersuchungen bei Raps mehr als 80 % aller Körner gewonnen werden. Im Gegensatz zum herkömmlichen Drusch des Rapses, bei dem mehr als 10 % der Körner verlorengehen, verbleiben die nicht gewonnenen Körner im Brennstoff und werden dort energetisch genutzt. Das Öl kann als Brennstoff oder Treibstoff verwertet werden. Seine Eignung als Speiseöl wurde noch nicht untersucht. Neben ökonomischen Vorteilen hat das neue Erntevorfahren besonders bei Raps ökologische Vorzüge, weil durch die Nutzung der Gesamtpflanze wenig N-haltige Biomasse auf dem Acker zurückbleibt. Bei herkömmlichem Rapsanbau reichert sich der Boden nach Zersetzung der Restbiomasse mit hohen Mengen an Nitrat-Stickstoff an, der in das Grundwasser gelangt.

 

Fasern:Die Silierung von Faserpflanzen wie Hanf führt zu einem Aufschluß der Fasern, wonach sie durch Sieb- und Kämmtechniken von der Restpflanze abgetrennt werden können. Durch den Silierprozeß werden zum Teil auch die Pektine, die die Einzelfasern zu Faserbündeln verbinden, aufgelöst, so daß sehr kurze Fasern gewonnen werden. Diese eignen sich gut für die Herstellung von Dämmstoffen und Formteilen.

 

Grundstoffe für Formteile:Unter dem Aspekt einer problemlosen Entsorgung von Formteilen und Platten für Formteile aus biogenen Rohstoffen gibt es viele Bemühungen, hohe Stabilität ohne Zumischung synthetischer Klebstoffe zu erreichen. Als natürlicher und preisgünstiger Klebstoff könnte sich native Stärke (z.B. Kartoffelstärke) eignen. Allerdings sind bisher keine befriedigenden Stabilitäten erzielt worden. In Zusammenarbeit mit dem Institut für Werkstofftechnik der Universität Kassel wurde nachgewiesen, daß die Klebkraft der Stärke erheblich gesteigert wird, wenn die vorherige Gelierung der Stärke mittels Erhitzung und die anschließende Formung des Biomassegemisches unter Anwesenheit oder durch Zusatz von saurem Gärsaft, wie er bei der Silierung von Pflanzenmaterial entsteht, erfolgt. Der wesentliche stabilitätssteigernde Effekt wird in einer Veresterung der Milchsäure mit der Stärke gesehen.

In einfacher Weise lassen sich nun faserverstärkte Formteile aus Hanf- oder Getreidesilage herstellen. Die Härte bzw. Porösität läßt sich beim Formprozeß durch unterschiedliche Vortrocknung des Ausgangsmaterials bestimmen. Eine breite Verwertung der Formteile sehen wir u.a. im Verpackungsbereich.

 

Wertstoffe aus Preßsaft

Zusatz für Produktion von Formteilen: Preßsaft dient als Zusatz bei der Herstellung von Stroh/Stärke- bzw. Holz/Stärke-Verbundwerkstoffen. Untersuchungen im Institut für Werkstofftechnik ergaben, daß bei den als optimal ermittelten Herstellungstemperaturen von 120°C Formteile aus Stroh/Silagesaft/Stärke-Gemischen solchen aus Stroh/Wasser/Stärke-Gemischen in der Härte (Shore D-Messung) um 49 %, in der Dichte um 14 % und in der Biegefestigkeit um 122 % überlegen sind. Somit können erstmalig stabile Strohplatten hergestellt werden, die - wie die Formteile aus Hanfsilage - ausschließlich aus organischer Substanz bestehen.

 

Milchsäure: Der Silierprozeß ist mit der bakteriellen Synthese von Milchsäure verbunden. Der Preßsaft enthält 2 bis 4 % Milchsäure, die als technische Milchsäure (z.B. in Gerbereien) Verwendung finden kann.

 

Mineralstoffe: Die in dem Preßsaft gelösten Mineralstoffe können als Pflanzennährstoffe Verwendung finden. Zusammen mit der bei der Verbrennung zurückbleibenden Asche ergeben sich fast geschlossene Nährstoffkreisläufe.

 

Güllezusatz: Eine ökologisch bedeutsam Verwertung kann der Preßsaft nach Zumischung zu Gülle erfahren. Unsere Laborversuche ergaben, daß schon bei einer Beimengung von nur 15% Ausgasungsverluste von Ammoniak aus der Gülle verhindert wurden. Besonders während und nach der Ausbringung von Gülle entstehen hohe Ammoniak-Ausgasungsverluste. Sie stellen nicht nur einen Stickstoffdüngerverlust für den Landwirt dar, sondern belasten die Umwelt durch Schädigung historisch wertvoller Bausubstanz, Eutrophierung von Gewässern und Versauerung von Waldböden. Die emissionsmindernde Wirkung des Preßsaftes beruht auf einer pH-Wert-Absenkung der Gülle durch die im Preßsaft enthaltenen organischen und damit biologisch abbaubaren Säuren. Im Gegensatz dazu werden in Holland Konzepte einer Ammoniakemissionsminderung durch Zusatz von Schwefelsäure oder Salpetersäure verfolgt.

 

Brennstoffe

Das Siliergut in Form von Gesamtpflanzenmasse oder Restpflanzenmasse wird durch einen Entwässerungsvorgang mittels einer Schneckenpresse im Wassergehalt auf 40 bis 45 % reduziert. Eine Zumischung von Trockengut (Stroh, Heu) führt zu einer weiteren Verringerung des Wasseranteiles, der aufgrund großtechnischer Brennversuche mit Maissilage 40 % nicht überschreiten sollte.

Ein Brennstoff mit 40 % Wassergehalt hat gegenüber trockenem Stroh (15 % H20) einen auf gleiche Trockenmasse bezogenen niedrigeren Heizwert von 7 %. Diese Energiedifferenz resultiert aus der Verdunstung des höheren Wasseranteiles bei der Verbrennung. Durch Nutzung der Brennwerttechnik läßt sich der größte Teil der Verdunstungsenergie als Wärme wieder zurückgewinnen. Durch die mechanische Entwässerung werden erhebliche Mengen an Mineralstoffen in das Preßwasser überführt. Dadurch wird der Brennstoff von emissions- und brenntechnisch relevanten Inhaltsstoffen wie Chlor, Stickstoff, Leicht- und Schwermetallen um 50 - 80 % entlastet. Außer Holz verfügt kein biogener Brennstoff über niedrigere Mineralstoffgehalte als dieser Brennstoff. Großtechnische Verbrennungs- bzw. Vergasungsversuche mit Maissilage wurden 1995 mit finanzieller Unterstützung der Niedersächsischen Landesregierung und der Deutschen Bundesstiftung Umwelt durchgeführt. Dabei erwies sich, daß die Vergasungstechnologie einer Rostfeuerungsanlage in den Emissionswerten überlegen war, jedoch wurden auch bei der Rostfeuerung die Grenzwerte (TA Luft) für Großfeuerungsanlagen nicht überschritten. Bei den von uns angestrebten dezentralen Energieanlagen mit 1 bis 10 MW Feuerungsleistung hat die Vergasungstechnologie den Vorteil, daß das Synthesegas zukünftig zum Antrieb von Motoren und Turbinen, in Brennstoffzellen oder bei Stirlingmotoren zum Einsatz kommt. Damit wird der Betrieb von Blockheizkraftwerken mit hoher Stromausbeute gewährleistet.

 

1. Bereitstellung eines CO2-neutralen Energieträgers mit niedrigen Gehalten an emissionsrelevanten Inhaltsstoffen (Stickstoff, Chlor)

2. Bereitstellung pflanzlicher Wertstoffe zur Entschärfung der Abfallproblematik und zur Schonung fossiler Ressourcen

3. Bereitstellung von Energie und Wertstoffen zu langfristig kalkulierbaren Preisen

4. Deviseneinsparung und Erhöhung der regionalen Kaufkraft

5. Verbesserung der Einkommenssituation der Landwirtschaft

6. Sicherung bzw. Schaffung von Arbeitsplätze im Bereich der Rohstoffproduktion und der Weiterverar- beitung zu Wertstoffen

7. Nutzung einer unbegrenzten Arten- und Sortenvielfalt in Mischkulturen (Biodiversität)

8. Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen

9. Tolerierung der Ackerbegleitflora zur Erhöhung der Stabilität von Agrarökosystemen

10. Verhinderung einer Eutrophierung von Naturschutzflächen durch thermische Nutzung des Auf- wuchses (die Kompostierung als Alternative ist zu kostenaufwendig)

11. Steigerung des Erholungswertes der Landschaft

12. Schutz von Grund- und Trinkwasser durch Vermeidung von Pestizidanwendungen und Minimie- rung von Nährstoffausträgen durch Dauerbegrünung

13. Bodenschutz durch Verhinderung von Erosion

14. Reduzierung von Ammoniakemissionen aus Gülle

 

Literaturempfehlungen:

Buttlar,Chr.v.: Erhaltung pflanzengenetischer Ressourcen zur Energiegewinnung - dargestellt am Beispiel der Wintergerste. In: Alternativen in der Flächennutzung, der Erzeugung und Verwertung landwirtschaftlicher Produkte. In: VDLUFA-Schriftenreihe 38, 677 - 680, 1994

Buttlar, H.-B.v., J.Müssig, M.Theis: Produkte aus Hanfsilage, Vortragmanuskript, Tagung Biorohstoff Hanf 97, Frankfurt/Main, 2.Auflage, 527-536, 1995

Ortmeier, E.: Biomasseerzeugung und -verwertung - wie rechnet sich das? Arbeitsunterlagen DLG, Biomasseerzeugung zur direkten energetischen Nutzung, Bonn, 123 -146, 1992

Rinke, G.: Reduzierung von Ammoniak- und Geruchsemissionen aus Gülle durch Zusatz von Silagepreßsäften aus der Aufbereitung von Biomasse zu Brennstoff. In: Alternativen in der Flächennutzung, der Erzeugung und Verwertung landwirtschaftlicher Produkte. 106. VDLUFA-Schriftenreihe 38, 681-684, 1994

Scheffer, K.: Anbau von Energiepflanzen und ihr Einsatz über Verbrennung und Vergasung, - Logististische Anforderungen und ökologische Bewertung. In: Energie aus Biomasse, eine Chance für die Landwirtschaft, Springer Verlag, S.138-147, 1993

Scheffer, K. und Stülpnagel, R.: Wege und Chancen bei der Bereitstellung der CO2-neutralen Energieträgers Biomasse - Grundgedanken zu einem Forschungskonzept. Jutzi, S.C. und B. Becker (Hrsg.): Pflanzengenetische Ressourcen - Erhaltung und multiple, nachhaltige Nutzung. Der Tropenwirt, Beiheft Nr. 49, 147-161, 1993

Scheffer, K., Stülpnagel, R.; Geilen, U.; u. Oefelein,T.: Einfluß der Aufbereitung und Lagerung auf die Brennstoffeigenschaften feuchter Biomassen. Tagungsband „Eigenschaften fester Bioenergieträger - Beeinflussungsmöglichkeiten, Anforderungen, Normung", M.Kaltschmitt (Hrsg.:): Schriftenreihe Nachwachsende Rohstoffe, Bd 6, Landwirtschaftsverlag Münster, 89-107, 1996

Stülpnagel, R.: Bereitstellung und Verwertung von Biomassen vom Grünland und aus der Landschaftspflege; In: Energetische Nutzung von Biomasse in Konsens mit Osteuropa. Hrsg. Forum für Zukunftsenergie e.V., Intern. Tagung, 22-24. März 1994 in Jena. Tagungsband, 169-178, 1994

 


Wir wollten noch mehr wissen :

Der vorangehende Text zur Biomasseerzeugung regte uns zu vielen Fragen an. Hier nun einige Fragen, die wir Prof.Scheffer ergänzend zum Text stellten:

SFV: Kann der von Ihnen beschriebene Zweitfruchtanbau in die „herkömmliche" Fruchtfolge (Anbau von z.B. Getreide, Kartoffeln, Zuckerrüben) eingegliedert werden?

Prof. Scheffer: Natürlich wird das hier beschriebene System in die herkömmliche Fruchtfolge eingegliedert. Da vorerst dieses System eher im konventionellen Anbau Bedeutung haben könnte, trägt es doch im Rahmen einer herkömmlichen Fruchtfolge zu einer erheblichen „ökologischen" Entlastung bei.

SFV: Da Ackerunkräuter zu unterschiedlichen Zeiten keimen und aussamen, stellt sich in diesem Zusammenhang auch die Frage, ob durch einen frühzeitigen Schnitt der jeweils gewachsenen Biomasse nicht nur bestimmte Arten der Wildpflanzen bzw. Unkräuter auf Dauer am Aussamen gehindert werden? Besteht nicht die Gefahr der Verunkrautung der Flächen durch solche Unkräuter, die sich durch Wurzelrizome fortpflanzen?

Prof. Scheffer: Natürlich bilden nicht alle Unkräuter ihre Samen zu gleicher Zeit aus. Außerdem ist bei den Wildpflanzen die Samenreife über einen längeren Zeitraum verteilt. Da unsere Erntetermine zeitlich sehr flexibel gestaltet werden können, hat der Landwirt die Möglichkeit, den Erntetermin so zu wählen, daß möglichst die Unkräuter, die ihm am gefährlichsten erscheinen, an der Samenbildung zu hindern. Dies läßt sich nicht absolut erreichen. Es wäre auch im Interesse von Bodendiversität nicht erwünscht. Wichtig ist für uns, darauf hinzuweisen, daß ein Verzicht auf Herbizide dann nicht möglich ist, wenn das Getreide als Brennstoff ausreifen soll, wie es bei der sogenannten Trockengutlinie mit Tritikale der Fall ist. Wurzelunkräuter vermehren sich in Zeiten, in denen der Acker nicht mit (konkurrierenden) Kulturpflanzen bestellt ist. Wir können uns vorstellen, daß bei unserem System der Dauerbegrünung die Vermehrung von Wurzelunkräutern vermindert ist. Es liegen jedoch noch keine Untersuchungen vor.

SFV:Gibt es Erfahrungen, in welcher Art und Weise benachbarte Ackerflächen von möglichen vermehrten Aussamen frühblühender Wildkräuter betroffen sind? Benachbarte Kartoffel- und Getreideflächen könnten eventuell verstärkt verunkrauten.

Prof. Scheffer: Diese Gefahr stellt sich nicht. Ein deutlich größeres „Gefahrenpotenzial" stellen Wegränder und Brachflächen dar. (Siehe auch letzte Antwort)

SFV: Kann eine möglichst frühe Mahd extensiv genutzter landwirtschaftlicher Flächen dem Naturschutzziel, bodenbrütende Vögel zu schützen, Rechnung tragen?

Prof. Scheffer: Wenn landwirtschaftliche Flächen dem Naturschutzziel von bodenbrütenden Vögeln dienen soll, muß über entsprechende Nutzungskonzepte nachgedacht werden. Unter solchen Aspekten ist z.B. Grasanbau mit sehr späten, für die Viehfütterung dann ungünstigen Ernteterminen interessant. Das Gras ist zur thermischen Nutzung allerdings gut geeignet. Solche Strategien gelten für die Grünlandnutzung. Unter diesem Punkt gibt es unter den Aspekten des Artenschutzes und der Interessen der Landwirte noch viel zu diskutieren.

SFV: Schließt das in Witzenhausen entwickelte, ökologisch orientierte Anbausystem eine zusätzliche mineralische Düngung zu dem genutzten Preßsaft aus?>

Prof. Scheffer: Da Stickstoff nur zu maximal 50% in den Preßsaft übergeht und der übrige Stickstoff im Gegensatz zu den anderen Nährstoffen bei der Verbrennung verlorengeht, muß zusätzlich in dem System stickstoffhaltiger Dünger in Form von Hofdünger wie Gülle (wenn mineralischer Dünger nicht zur Anwendung kommen soll) gedüngt werden, oder, worauf im Text verwiesen wird, der Anbau von Stickstoff sammelnden Leguminosen erfolgen.

SFV: Gibt es ökonomische Bewertungen bzw. Rechenbeispiele, die unseren Lesern die positiven ökonomischen Perspektiven einer solchen Wert- und Brennstoffgewinnung verdeutlichen?

Prof. Scheffer: Gegenwärtig wird eine Bilanzierung der ökonomischen und ökologischen Auswirkungen dieses Konzeptes im Vergleich zu konventionellen Anbau von Energiepflanzen mit Unterstützung der DBU und in Zusammenarbeit mit dem Institut für Rationelle Energiewirtschaft der Uni Stuttgart durchgeführt. Die Ergebnisse werden gerade ausgewertet. Nach meinem Kenntnisstand sehen die Bilanzen gut aus.

SFV: Wird das von Ihnen vorgestellte Verfahren schon praktiziert? Wenn ja, an wen können sich die Landwirte wenden?

Prof. Scheffer: Außer den großtechnischen Verbrennungsversuchen, die im Text erwähnt sind, gibt es keine Anlage in Betrieb. Dies liegt auch daran, daß bislang erst wenige Biomassekraftwerke (außer für Holz) gefördert wurden. Wir brauchen Geduld! Das Konzept soll eine Anregung zu mehr Ökologie in der Landbewirtschaftung sein, ohne auf Flächenerträge verzichten zu müssen. Sicher gibt es noch viele offene Fragen und auch Verbesserungsmöglichkeiten.