Leitartikel

Das Stromeinspeisungsgesetz (StrEG) wird in den nächsten Monaten novelliert, Grund für erhebliche Diskussionen und Kraftproben zwischen den Fraktionen, dem Wirtschaftsministerium, der Stromwirtschaft und den Interessenverbänden.

Vorschläge, Entwürfe, Erklärungen überschlagen sich geradezu. Wir möchten Sie auf dem Laufenden halten und haben deshalb vor, den Solarbrief in diesen aufregenden Zeiten häufiger erscheinen zu lassen. Außerdem haben wir einen E-mail-Rundversand eingerichtet, der Sie auch zwischen den Erscheinungsdaten über aktuelle Meinungsäußerungen und unsere Stellungnahmen informieren kann. (siehe Seite 16).

Unsere Leser wissen, daß wir uns für die Aufnahme der kostendeckenden Einspeisevergütung für Solarstrom (KV) in das StrEG einsetzen, ich kann mir deshalb ersparen, diesen Punkt hier besonders zu betonen. Sie lesen aber auf den folgenden Seiten mehr darüber.

Heute will ich Ihnen stattdessen über eine brisante Fehlentwicklung in der Energie-Gesetzgebung berichten, die dringend berichtigt werden muß!

Sicher ist Ihnen bekannt, daß die Europäische Gemeinschaft den Wettbewerb in der Stromwirtschaft fordert. Wenig bekannt ist aber, daß die EU ihren Mitgliedstaaten freigestellt hat, zur Förderung des Umweltschutzes in der Energieerzeugung den Energieversorgern gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen aufzuerlegen, die sie trotz Wettbewerbs zu beachten und zu erfüllen haben...

Obwohl die Bundesrepublik sich durch internationale Verträge zur CO2-Einsparung verpflichtet hat und durch das Staatsziel "Umweltschutz" im Grundgesetz eine klare Richtungsvorgabe erhält, hat es die christliberale Koalition versäumt, von der Ermächtigung der EU Gebrauch zu machen. Sie hat zwei wichtige Regelungen versäumt:

1. Sie hat den Stromversorgern keine gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen auferlegt.

2. Sie hat nicht geregelt, auf welche Weise freiwillig eingegangene Verpflichtungen für den Umweltschutz, für die Sicherheit der Stromversorgung oder für soziale Belange wettbewerbsneutral refinanziert werden können.

Damit aber entwickelt sich ein Wettbewerb, der sich nur noch am Strompreis orientiert. Die Folgen zeichnen sich deutlich ab:

Energiesparbemühungen werden konterkariert durch sinkende Preise, durch Wegfall der kommunalen und regionalen Energieberatung, durch den Wegfall linearer Tarife bzw. durch Preisanreize für Vielverbrauch.

Bau und Erhalt von Kraft-Wärmegekoppelten Kraftwerken wird gefährdet durch Angebote von Billigst-Strom zweifelhafter Herkunft.

Das Recht und die Verpflichtung(!) der Kommunen zur Daseinsvorsorge im Energiebereich wird untergraben durch die Erlaubnis für jeden Netzbetreiber, Stichleitungen und Parallelnetze zu errichten.

Es ist sogar denkbar, daß durch die einseitige Betonung des Preises die Sicherheit der Stromversorgung auf Dauer leiden könnte.

Angesichts solcher Fehlentwicklungen, die zwar häufig beklagt werden, deren rechtliche Ursachen jedoch weitgehend unbekannt sind, haben wir uns entschlossen, in einem Appell an den Gesetzgeber eine rasche Korrektur zu fordern. Dieser Appell ist auf Seite 18 abgedruckt und wir suchen Verbündete, die diesen Appell mittragen.

Die Aufnahme der KV im Stromeinspeisungsgesetz alleine würde zu kurz greifen. Es ist darüber hinaus dringend erforderlich, im Energiewirtschaftsgesetz gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen zugunsten des Umweltschutzes aufzustellen und die wettbewerbsneutrale Umlage von Mehrkosten aus solchen Verpflichtungen auf alle Stromkunden zu regeln.

Mit freundlichen Grüßen

W. v. Fabeck