Verkehr und Klima - was zu tun ist
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Verkehr und Klima – was zu tun ist
Auch ganz ohne Antriebswende lässt sich der überwiegende Anteil der Treibhausgas-Emissionen im Verkehrssektor vermeiden. Alleine durch die Rücknahme von Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre – Anzahl der privaten Flugreisen, Gewicht und Motorisierung der PKW – sowie durch die Wahl der Verkehrsmittel, die mögliche Reduzierung von Wegedistanzen sowie echte Tempolimits ließen sich diese Emissionen rasch um zwei Drittel senken. So argumentiert unser Gastautor, der seit langem zu verkehrspolitischen Themen publiziert, u.a. für das Wuppertal-Institut.
― Karl Otto Schallaböck
Klar, wenn wir gedanklich diverse Milliarden Jahre zurückgehen, bestehen wir alle und was wir hier so sehen, aus Sternenstaub. Aber schon in geologischen Zeitskalen, also wenn es um (viele) Millionen Jahre geht, müssen wir unseren Globus als materiell praktisch geschlossenes System ansehen. Daran ändert auch der laufende Einfang von (Mikro-) Meteoriten und der Export von – auf absehbare Zeit lediglich – ein paar Tonnen in den mehr oder weniger nahen Orbit nichts.
Energetisch sieht die Sache allerdings anders aus: Da ist das System als offen anzusehen und empfängt – etwa im 10.000fachen Umfang der gegenwärtigen menschlichen Aktivitäten – solare Energie, wie es diese Menge auch wieder in den Weltraum abgibt. Entscheidend dabei ist, dass in historischen Zeiträumen, also im Bereich von (vielen) tausend Jahren, die Energiebilanz auch in ziemlich kurzen Zeiträumen praktisch genau ausgeglichen ist, wenn wir von den vergleichsweise marginalen chemischen Einlagerungen absehen und auch vom ebenfalls marginalen Energietransport vom Erdkern an die Oberfläche. Dadurch konnten sich die für den aktuellen Zustand erforderlichen sehr geringen thermischen Schwankungen an der Erdoberfläche etablieren. In biografischen Zeiträumen, also in der eigenen Lebenszeit einschließlich der von unmittelbaren Vorfahren, hat sich die Sache jetzt aber geändert: Durch die enorm beschleunigte Aktivierung der über lange Zeit chemisch gespeicherten Energie sind wir dabei, den quasistationären thermischen Schwankungsbereich zu verlassen und damit herkömmliche ökologische Zusammenhänge ihrer Grundlage zu berauben.
An der Verursachung dieses Klimawandels ist in regionaler Betrachtung Deutschland und in sektoraler Betrachtung der Verkehr nennenswert beteiligt, wie auch innerhalb Deutschlands der Verkehr eine beträchtliche Rolle spielt. Auf einen kurzen Nenner gebracht, könnte man sagen, dass allein die vom deutschen Verkehr ausgehenden Klimabelastungen schon die gesamten vertretbaren von Deutschland ausgehenden Belastungen ausmachen. Es besteht somit Anlass, auch unter dem Gesichtspunkt der Klimaverträglichkeit den deutschen Verkehr kritisch zu hinterfragen. Dazu erscheint es erforderlich, zunächst ein gewisses Grundverständnis über den Umfang und die Zusammensetzung des Verkehrs zu entwickeln, wobei hier aus Gründen der überwiegenden Bedeutung und des beschränkten Umfangs der Darstellung der Fokus auf dem Personenverkehr liegt.
Die hierzu einleitend wiedergegebenen Abbildungen stellen das sog. Verkehrsbild dar nach dem letztverfügbaren Stand von 2019: Die Zusammensetzung des Verkehrs nach den Verkehrszwecken einerseits und den Verkehrsmitteln oder Verkehrsarten andererseits. Dabei wird zunächst das Verkehrsaufkommen, wie man in der Verkehrswissenschaft den Umfang der Verkehrsfälle nennt, gegliedert, also die Anzahl der Wege; dies könnte man als die Nutzenkategorie interpretieren, insofern mit jedem Weg eine Zielerreichung verbunden ist. Sodann wird der Umfang der damit verbundenen zurückgelegten Kilometer gegliedert, was in der Verkehrswissenschaft häufig Verkehrsleistung genannt wird; mir liegt hierfür die Bezeichnung Verkehrsaufwand näher, während ich die teils in der Wirtschaft gebräuchliche Vorstellung befremdlich finde, dass der realisierte Aufwand stets eine (vom Unterton des Begriffs: positive) Leistung sei. Schließlich werden die mit diesem Verkehrsaufwand zusammenhängenden Klimalasten als – die gegenwärtig maßgebliche – Schadenskategorie vorgeführt.
Abb 2 — Verkehrsaufkommen nach Zwecken und Verkehrsmitteln in Deutschland 2019. Quelle: VIZ 2020/2021, eigene Berechnungen: Luftverkehr zu 60% Inländern zugerechnet •
Abb 3 — Verkehrsaufwand nach Zwecken und Verkehrsmitteln in Deutschland 2019. Insgesamt 1513 Milliarden Kilometer. Luftverkehr einschließlich geschätztem Auslandsanteil. Quelle: VIZ 2020/2021, eigene Berechnungen: Luftverkehr zu 60 % Inländern zugerechnet. Durchschnittsdistanz im Luftverkehr mit 2.500 km angesetzt. •
Bei der Anzahl der Wege, die mit durchschnittlich gut drei Wegen je Einwohner und Tag (rd. 1.165 je Einwohner und Jahr) über lange Zeit ziemlich konstant sind, bilden nicht die Arbeits- und Ausbildungswege die Hauptsache, auch nicht der Geschäftsreiseverkehr; vielmehr dominieren die Einkaufs- und Freizeitwege, wobei letztere auch Kurzurlaube mit unter 5 Tagen Dauer beinhalten. Die eigentlichen Urlaubswege sind mit rd. 2 (einmal hin, einmal retour) je Einwohner und Jahr verständlicherweise eher selten, wie auch die Wege im Luftverkehr. Etwas erstaunen mag die Tatsache, dass der sog. „Umweltverbund“ aus nicht motorisiertem und öffentlichem Verkehr noch immer fast die Hälfte aller Wege ausmacht, wogegen die (leichte) Dominanz des Autoverkehrs wenig überraschend sein dürfte. Da die Quelle im Luftverkehr anstatt des sonst gewählten Inländerverkehrs (Verkehr der inländischen Bevölkerung, auch im Ausland) den Inlandsverkehr (Verkehr im Inland, auch der ausländischen Bevölkerung) ausweist, werden vorliegend übrigens für eine einheitliche Betrachtung des Verkehrs der Inländer nur 60 % der dort genannten flugzeuggestützten Wege berücksichtigt.
Abb 4 — Grobabschätzung der personenverkehrsbedingten Klimalasten nach Zwecken und Verkehrsmitteln in Deutschland 2019. Eigene Abschätzungen auf Grundlage von VIZ 2020/2021: Luftverkehr zu 60% Inländern zugeordnet. Durchschnittsdistanz im Luftverkehr mit 2.500 km angesetzt. Klimalasten je Personenkilometer im öffentlichen Verkehr auf halbem, im Luftverkehr auf doppeltem Niveau des MIV angesetzt.
Beim Verkehrsaufwand verschiebt sich das Bild: Einkaufswege sind wegen der im Mittel kürzeren Distanzen wie auch Begleitungs- und Ausbildungswege in geringerem Umfang vertreten, während der Geschäftsreiseverkehr wie auch der Urlaubs- und der Freizeitverkehr (letzterer insbesondere wegen der eingeschlossenen Kurzurlaube) stärker zu Buche schlagen. Bei den Verkehrsmitteln wiederum treten verständlicherweise die nicht motorisierten Verkehrsarten wegen der geringeren Geschwindigkeiten und kürzeren Distanzen unterproportional in Erscheinung, während der Luftverkehr im Gegensatz zur Wegeanzahl eine relevante Rolle bekommt. Beim Luftverkehr werden übrigens abweichend von der Quelle entsprechend dem vorliegend einheitlich gewählten Inländerkonzept nicht bloß die über Deutschland geflogenen Kilometer, sondern die geschätzten Gesamtdistanzen berücksichtigt.
Bei der Verteilung der Klimalasten kommt hier ein Schätzverfahren zur Anwendung: Dem nicht motorisierten Verkehr zu Fuß und per Fahrrad werden keine Klimalasten zugeordnet; dem öffentlichen Verkehr pro Personenkilometer der halbe Wert des Autoverkehrs, dem Luftverkehr dagegen der doppelte Wert. Dieses Verfahren ist offensichtlich recht grob, jedoch hinreichend robust (d.h. der öffentliche Verkehr wird in der Tendenz wohl eher zu ungünstig, der Luftverkehr dagegen in der Tendenz zu günstig abgebildet), um die Gewichte zutreffend einschätzen zu lassen. Im Ergebnis wenig erstaunlich kommt der Umweltverbund auf wenig mehr als 5 % der Klimalasten, wohingegen er noch gut 45 % aller Wege abwickelt; der Luftverkehr dagegen mit wenig mehr als 0,1 % der Wege dürfte für 40 % der Klimalasten verantwortlich sein. Die Dominanz des Autoverkehrs mit knapp 55 % ist in beiden Fällen ähnlich. Bei den Verkehrszwecken wird klar, dass die stark automobilgestützten Verkehrszwecke, die auch den Luftverkehr praktisch komplett ausmachen, deutlich überwiegen: der Geschäftsreiseverkehr mit rund einem Viertel und der Urlaubs- und Freizeitverkehr mit nahezu der Hälfte der Klimalasten.
Schon aus dieser im Grunde einfachen Analyse mag erkennbar werden, dass es nicht so sehr die Mobilität als solche, also die Erreichung von Zielen ist, die (Klima-) Probleme verursacht, sondern die Aufwendigkeit (die zurückgelegten Distanzen) und die Verkehrsmittelwahl, dabei sicherlich auch die Effizienz jeweils innerhalb der Verkehrsarten. Beim Luftverkehr kommt es wegen des immens hohen Belastungsumfangs je Nutzungsfall zweifellos auf eine möglichst drastische Reduktion der Nutzungsfälle an; allein ein Drittel aller Belastungen aus dem (Personen-) Verkehr ließen sich dadurch ziemlich kurzfristig abbauen. Neben dem Ersatz physischer Verkehre durch Telekommunikation im geschäftlichen Bereich kommt dabei im privaten Bereich die Substitution von luftverkehrsgestützten Urlaubs- und Kurzurlaubsreisen durch bodengestützte Verkehre, gegebenenfalls auch mit deutlich reduzierten Distanzen, in Frage.
Bei den bodengestützten Verkehren, insbesondere beim Autoverkehr, kann die Klimaentlastung durch folgende logisch aufeinander aufbauende Strategien erfolgen:
- Reduktion des Verkehrsaufwands durch Reduktion der
Wegedistanzen, - Verlagerung von Wegen auf weniger belastende Verkehrsarten,
- Ersatz durch verbrauchsärmere Fahrzeuge,
- Übergang zu sparsamerer Betriebsweise der Fahrzeuge.
Da der Großteil der Verkehrserledigungen auch im unmittelbar persönlich gestaltbaren Bereich (Einkauf, Freizeit, Urlaub) auf PKWs entfällt, ist das Potenzial der Distanzreduktion durch die Modifikation der Zielauswahl sehr hoch einzuschätzen – es ist weitgehend, wenn auch nicht vollständig, eine Frage der Bereitschaft, jeweils etwas andere, näher liegende Ziele zu wählen. Auch für eine damit verknüpfte oder auf die gleichen Quell-Ziel-Relationen bezogene Verlagerung vom Auto auf den öffentlichen Verkehr oder von beiden zu nicht motorisierten Verkehrsarten gibt es offensichtlich hohe Potenziale, die innerhalb relativ kurzer Zeit erschlossen werden können – auch hier wiederum ist es häufig eine Frage der Bereitschaft, z.B. auf (echte oder vermeintliche) Komfort- oder Geschwindigkeitsvorteile zu verzichten, weniger eine Kostenfrage. Beim Ersatz der vorhandenen durch verbrauchsärmere Fahrzeug(modell)e hingegen dürfte der mehr oder weniger deutliche Kostenvorteil auch für Bundesfinanzminister erkennbar sein, und demgegenüber ist die tatsächliche Einbuße an Beförderungsgeschwindigkeit zumeist eher vernachlässigbar. Doch darauf wird weiter unten noch etwas genauer eingegangen. Schließlich kann auch der Übergang zu einer verbrauchssparsameren Betriebsweise wohl in den meisten Fällen noch zu 10-30 % Treibstoffersparnis – und naturgemäß im gleichen Umfang zur Reduktion der Treibstoffkosten – führen: Da heutzutage fast alle PKW über entsprechende Anzeigen verfügen, kann eine exemplarische Beobachtung empfohlen werden, wie sich der spezifische Treibstoffverbrauch (l/100 km) verändert, wenn man auf der Autobahn möglichst konstant 100 km/h fährt anstelle eines heutzutage üblichen Pendelns zwischen 130 und 160 km/h.
Insgesamt erscheint es möglich, durch diese geschilderten Ansätze in relativ kurzer Zeit ein weiteres Drittel der (personen)verkehrsbedingten Klimalasten abzubauen. Zusammen mit der Reduktion des Luftverkehrs sollte es gelingen können, etwa innerhalb von zwei Jahren die Gesamtlasten um zwei Drittel zu reduzieren, ohne dass hierfür ernsthaft vitale Beeinträchtigungen in Kauf zu nehmen wären.
Einige vertiefende Betrachtungen zur PKW-Flotte: Die PKW-Flotte und die PKWs selbst werden immer größer. Der PKW-Bestand liegt mit 48,54 Mio. (01.01.2022) etwa 20 % höher als die Anzahl der Haushalte mit 40,68 Mio. (2021). Vollmotorisierung war gestern, mittlerweile stehen für jedes Hinterteil drei Sitzplätze in Autos zur Verfügung. Seit 20 Jahren gibt es den Škoda Fabia Kombi, er ist größer (länger, breiter, höher) als der VW Passat der 1970er Jahre vom selben Automobilkonzern; anders als der Passat, der seinerzeit als Mittelklassefahrzeug galt, wird der Fabia als Kleinwagen eingestuft.
Abb 5 — Der erste Polo von 1977 war kürzer, schmaler und niedriger als das neuste Modell von 2021. Gravierender sind die Gewichtsunterschiede: Wog der erste Polo noch zwischen 685-700 kg, so ist der Polo VI mit 1105-1355 kg fast doppelt so schwer. Bild links by Stahlkocher CC BY-SA 3.0, rechts by Alexander Migl CC BY-SA 4.0.•
Die durchschnittliche Motornennleistung der PKW betrug 2021 93 kW (126,5 PS), also grob das Vierfache des Paradeautos des Wirtschaftswunders, des VW-Käfers; insgesamt sind in den Autos in Deutschland über 6 Mrd. mechanische Pferde installiert. Getrieben durch die überdurchschnittliche Motorisierung der sog. Dienstwagen steigt die durchschnittliche Motorleistung seit langer Zeit jährlich um 1 kW (1,36 PS). Mehr als die Hälfte der neuzugelassenen PKW wies 2020 eine Höchstgeschwindigkeit von über 200 km/h auf, 1990 waren das erst rd. 10 % – oder auch: schon 10 %, in Anbetracht der Tatsache, dass man außerhalb Deutschlands den Automobilen praktisch überall nur erheblich geringere Geschwindigkeiten im Betrieb erlaubt.
Das Problem besteht darin, dass diese Autos nicht nur immer mehr Material, Energie und Platz beanspruchen – allein schon durch ihre Existenz, vor allem aber, wenn sie dann auch noch in Betrieb gesetzt werden. Jeder normalbegabte Zeitgenosse weiß, dass größere, schwerere, leistungsstärkere und (potenziell) schnellere Autos nicht nur in der Anschaffung mehr kosten, sondern in der Regel auch im Betrieb mehr Treibstoff verbrauchen und höhere Kosten verursachen. Mit Gewährleistung von Mobilität hat die tatsächliche Entwicklung in Deutschland schon lange nichts mehr zu tun, es geht offensichtlich um psychische Faktoren und zwar – in Anbetracht der Erfordernisse zur Eindämmung des Klimawandels – offensichtlich um psychische Defekte.
Es ist wohl klar, dass die hier entwickelten Überlegungen im Grundsatz inhaltlich allgemein zugänglich sind, wie auch, dass das Publikum dem entsprechend ein anderes Verkehrsverhalten an den Tag legen könnte. Es wird ja niemand gezwungen, eine Urlaubsreise mit dem Flugzeug anzutreten oder (jedenfalls, wenn er/sie zu den rd. 99 % der Haushalte mit maximal 5 Personen gehört:) ein Auto oberhalb der Kleinwagenklasse zu betreiben. Im Gegenteil: Obwohl man weiß, dass ein kleineres und leistungsschwächeres Auto in Anschaffung und Betrieb billiger ist, benutzt man ein größeres, leistungsstärkeres; und obwohl man weiß, dass langsameres (zumal auch die zulässigen Geschwindigkeiten nicht überschreitendes) Fahren möglich und spritsparender wäre, wählt man höhere oder überhöhte Geschwindigkeiten.
Dies deutet auf die Sinnfälligkeit staatlich reglementierenden Handelns hin (und selbstverständlich auch auf die Notwendigkeit der Durchsetzung der Regeln). Dabei ist von besonderer Bedeutung, dass sich die Ausgabebereitschaft für Verkehr als annähernd konstant erwiesen hat, bei etwa 10-12 % des privaten Budgets, und insbesondere dass sich auch die Bereitschaft für den zeitlichen Verkehrsaufwand als weitgehend konstant erwiesen hat, nämlich bei etwas mehr als einer Stunde pro Tag: Hat man mehr Geld zur Verfügung, steckt man es gerne in die Beschaffung und/oder die Nutzung schnellerer Verkehrsmittel, kommt man schneller voran, spart man nicht etwa Zeit, sondern erweitert den Aktionsraum. Entsprechend ist klar, dass die wirksamen Maßnahmen, nämlich die Verteuerung des Verkehrs gemessen am persönlichen Ausgabevermögen und die Beschränkung des Aktionsraums durch eine Temporeduktion, nicht unbedingt den Wünschen von Autofahrern entsprechen. Auch ist der Übergang zu einer zurückhaltenderen Lebensweise nicht so einfach wie der zu einer immer expansiveren in den letzten Jahrzehnten. Gleichwohl erscheinen solche Maßnahmen unter den Gesichtspunkten des Gemeinwohls und der Nachhaltigkeit unentbehrlich.
Konkret betrifft das zunächst das verkehrliche Geschwindigkeitsregime, wo auch eine erhebliche Zustimmung durch vom Autoverkehr negativ betroffene Bevölkerungsteile (wie auch von aufgeklärten Autonutzern) besteht. Hier kann zunächst Tempo 100 auf Autobahnen, Tempo 80 auf Außerortsstraßen und Tempo 30 auf Innerortsstraßen als Regelgeschwindigkeit empfohlen werden, zusätzlich auf etwa 80 % der Innerortsstraßen, die eben keine vorrangige Durchgangsfunktion aufweisen, sondern Aufenthaltsfunktion als Lebensraum auch von Alten und Kleinkindern, geistig oder körperlich Behinderten etc.: Verkehrsberuhigung, d. h. unbedingter Vorrang der jeweils physikalisch schwächeren Verkehrsteilnehmer:innen. Selbstredend hat ein derartiger Zugriff, zumal wenn er hinreichend sanktionsbewehrt umgesetzt wird, ein anderes Wirkungsspektrum als ein zahnloses, isoliertes und kaum kontrolliertes Tempo 130 auf Autobahnen.
Die volle Wirksamkeit entfalten die Geschwindig-keitsabsenkungen aber erst, wenn auch die Fahrzeugflotte in der Größe der Fahrzeuge, ihrem Leistungs- und Geschwindigkeitsvermögen dementsprechend umgebaut wird; ergänzend sind daher Limits für die Größe, die Masse, die Motorleistung und die Höchstgeschwindigkeit der Fahrzeuge sinnvoll; Ziel könnte dann eine PKW-Flotte sein, deren Normverbrauch – im Falle des Einsatzes herkömmlicher flüssiger Kraftstoffe – deutlich unter 3 l/100 km liegt. Es dürfte auf der Hand liegen, dass eine derartige Maßnahmenorientierung geradezu entgegengesetzt ist dem gegenwärtigen Ansatz eines sog. Dienstwagenprivilegs, bei dem mit einem Fördervolumen je Fahrzeug etwa in der Höhe des sog. Hartz-IV-Satzes die laufend fortgesetzte und erweiterte Übermotorisierung des PKW-Bestands betrieben wird.
Ergänzende verkehrsrechtliche und infrastrukturelle Maßnahmen zur Stützung der sozial und ökologisch vorteilhafteren nicht motorisierten und öffentlichen Verkehrsarten sollen – neben vielen weiteren im vorliegenden Zusammenhang wichtigen Gesichtspunkten etwa zur Entwicklung der Siedlungsstruktur – an dieser Stelle aus Umfangsgründen lediglich genannt, aber nicht weiter ausgeführt werden; der Duktus des Zugriffs dürfte klar geworden sein, und die notwendigen konzeptiven Präzisierungen, Ergänzungen und Erweiterungen könnten entsprechend abgeleitet werden. Hinsichtlich des Luftverkehrs aber erscheint der Hinweis sinnvoll, dass für die erstrebenswerte deutliche Reduktion auch eine staatlich gestützte Rückführung der Infrastruktur angezeigt ist, etwa auf bundesweit fünf Standorte für den kommerziellen Luftverkehr.
Zugegeben, das ist hier keine unbedingt erfreuliche Wortmeldung; hätte man vor 50 Jahren den wachstumskritischen Impuls ernst genommen, wäre man vor 30 Jahren den Hinweisen auf mögliche Klimaänderungen mit mehr praktischer Konsequenz gefolgt, müsste man heute nicht so strikt formulieren. Und zweifellos: Es waren damals jeweils sowohl für die Politik wie für das normale Publikum in Inhalt und Verständlichkeit zureichende Informationen verfügbar, die zu einer anderen Entwicklung hätten führen können.
Nun ist die Sache, wie sie ist, und man sollte sich nicht der Illusion hingeben, dass die – durchaus relevanten – jetzt schon beobachtbaren Klimaänderungen und deren Folgen mit der Wucht der weiteren Entwicklung vergleichbar seien, wenn man weitermacht wie bisher. Man sollte sich auch nicht der Illusion hingeben, dass mit den gegenwärtig verfolgten technologischen Innovationen im Luft- und Autoverkehr nennenswert etwas gewonnen wäre: Weder wasserstoffbasiertes noch elektrisches Fliegen bieten die Aussicht auf zeitgerechte Problemlösungen im Luftverkehr; im Autoverkehr ist elektrisches Fahren auch erst dann eine belastbare Lösung, wenn nicht nur (mehr als) genug regenerativer Strom verfügbar ist, sondern auch eine (quantitativ und kostenseitig) zureichende Speichertechnologie für regenerativen Strom.
Es müsste – jedenfalls in Deutschland – bekannt sein, dass man mit dem laufenden Ankündigen immer neuer künftiger Wunderwaffen keinen Blumentopf gewinnen kann. Wenn man erst einmal auf einem verträglichen Pfad ist und dort Innovationen erweiterte Möglichkeiten eröffnen: gerne. Aber erst wenn man tatsächlich auf einem verträglichen Pfad ist und die Innovationen tatsächlich verfügbar sind.