Abgesehen von einigen futuristischen Ideen, wie etwa die Ernte von Sonnenenergie im Weltraum und ihr Transport zur Erde durch Strahlung, oder das leider immer noch viel Geld verschlingende ziemlich hoffnungslose Projekt eines Fusionsreaktors 1, gibt es für eine zukünftige Energieversorgung der Menschheit zwei wohl realistische aber grundsätzlich verschiedene Konzepte einer Energiewende.
Zum ersten Konzept gehören große Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee, riesige solarthermische Kraftwerke im Sonnengürtel der Erde, Pumpspeicherkraftwerke in Skandinavien und ein ganz Europa und Nordafrika überspannendes Höchstspannungsnetz. Das alles würde den beteiligten Energiekonzernen erlauben, ihre zentralistisch organisierte Energieversorgung zu festigen, indem sie lediglich die Monopolisierung von Kohle und Kernenergie schrittweise ersetzen durch die Monopolisierung von Sonne und Wind. Voraussetzung hierzu ist ein aufwendiger und langwieriger Netzausbau.

Das zweite Konzept einer Energiewende ist der wahrscheinlich sehr viel schneller, billiger und vor allem demokratischer zu realisierende Ausbau einer dezentral organisierten Energieversorgung, bei der durch kleinere Anlagen Sonnen- und Windenergie dort geerntet werden, wo Strom und Wärme benötigt werden. Hier genügen kurze verlustarme Leitungen, meist Erdkabel. Das führte dann auch zu einer Entlastung überregionaler Netze.

Ein Nebeneinander beider Entwicklungen, wie es zum Beispiel Greenpeace für möglich hält 2, kann man sich schwer vorstellen, denn jede Zunahme von sich selbst versorgenden Kommunen, Stadtwerken, Bürgerkraftwerken und Privatpersonen bedeutet für die großen Energiekonzerne einen Verlust an Kunden, also eine Abnahme an wirtschaftlicher Macht und Einfluss und eine Abnahme der Dividende ihrer Aktionäre.

Die erstgenannte, auf Großtechnik aufbauende Energiewende beeindruckt offenbar unsere Medien stärker als die weniger spektakuläre dezentral organisierte Version 3. Als typisches Beispiel seien hier zwei Artikel der Frankfurter Rundschau vom 21.09.2011 Seite 4 genannt: „Siemens sieht großes Geschäft“ und „Von Norwegen lernen“. Als Überschrift der FR zu beiden Artikeln liest man folgende, nicht weiter belegte Behauptung: „Energiewende – Der Abschied vom Atomstrom erfordert neue Speicher und Netze sowie Akzeptanz der Bürger“.

Im ersten Beitrag erklärt Michael Süß, der Chef des Siemens-Energiesektors, dass seine Firma mit Hochspannungsgleichstromleitungen (HGÜ) „<i>durch ganz Europa das Rückgrat der Energiewende aufbauen“ </i>will. Die Deutsche Energie-Agentur rechnet alleine für die Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee mit 3,4 Milliarden Euro für 1500 km Seekabel 4. Weitere 3400 km Trassen über Land werden angeblich bis 2030 benötigt; geschätzte Kosten: 22 bis 29 Milliarden Euro. Europaweit wird der Stromtrassenbedarf vom europäischen Verband der Übertragungsnetzbetreiber Entso-E auf 42.000 km geschätzt. Kalkulierte Kosten: bis zu 750 Milliarden Euro.

Soweit die angeblich benötigten neuen Netze. Für die neuen Speicher schlägt Olav Hohmeyer, Mitglied des Sachverständigenrates für Umweltfragen, in dem FR-Interview die Mit-Nutzung der norwegischen Pumpspeicherkraftwerke vor. Diese könnten unseren überschüssigen Solar- und Windstrom aufnehmen. Die Kapazitäten dieser Pumpspeicher werden nicht erwähnt. Sie müssten ja zuerst einmal für die Norweger selbst reichen, die einen sehr hohen pro Kopf Strombedarf haben. Im Übrigen setzt, wie erwähnt, diese „Mit-Nutzung“ Bau und Unterhalt sehr aufwendiger Seekabel zwischen Deutschland und Norwegen4) voraus. Weiter ist zu bedenken, dass durch die geplanten teuren Seekabel nicht nur Deutschland, sondern alle EU-Staaten überschüssigen Solar- und Windstrom, sowie vor allem ihren nachts nicht benötigten Grundlaststrom aus Kohle- und Atomkraftwerken in Norwegen speichern, um ihn dann - mit entsprechenden Leitungsverlusten – bei Bedarf als „reinen Ökostrom aus Wasserkraft“ zurückzuholen, ein für die Betreiber der Seekabel sicher lukratives Geschäft. Mit einer Energiewende hat das allerdings nichts zu tun!

Eine sozialverträglich organisierte, mit breiter Streuung von Eigentum verbundene Energiewende wird überschüssigen Solar- und Windstrom aus dezentralen Anlagen dort speichern, wo er geerntet wurde, also im einfachsten Fall den Solarstrom vom Dach in einer Batterie im Keller.

Wozu entwickelten - und verbessern ständig - unsere Ingenieure kleine und mittelgroße Speicheranlagen für eine konsequent dezentral organisierte Energieversorgung? Wozu schaffen sie Programme für ein nachfrageorientiertes Netz-Management, für virtuelle oder Kombikraftwerke 5? Sicher nicht, damit unsere Regierung unsere Steuern für die oben genannten Mammutprojekte vergeudet. Beispiele für die beachtlichen Erfolge und das Wachstum einer dezentralen Energieversorgung durch die in Deutschland geernteten erneuerbaren Energien findet man unter Europa braucht weder Atom- noch Wüstenstrom und Über den Gebrauchswert von Offshore-Windparks.

Quellen:
(1) Lücher (Hrsg.): Kernenergie und Kerntechnik; Vieweg, Braunschweig 1981, Seite 152 f
(2) [2]] Greenpeace-Nachrichten 2/09, S. 8
(3) FAZ vom 17.6.09: „Afrikas Sonne in deutschen Steckdosen“; FR vom 4.6.10: „Wüstenstrom für die ganze Welt“; DIE ZEIT vom 28.10.10: „Ein grünes Europa“; Spektrum der Wissenschaften, Sep. 09: „Strom aus der Wüste“;
(4) „NorGer, das Seekabel zwischen Deutschland und Norwegen“: http://d76.de/blogs/about/norger-das-seekabel-zwischen-deutschland-und-norwegen-und-die-petition/
(5) http://www.kombikraftwerk.de