Vor Jahren hieß es noch, zum Ausgleich der fluktuierenden Leistungen aus Sonnen- und Windenergie sei vorübergehend die Stromerzeugung aus Erdgas der geeignete Partner, da Erdgaskraftwerke besonders flexibel reagieren könnten. Wenn viel Sonnen- oder Windenergie erzeugt würde, dann könnten und würden die Erdgaskraftwerke ihre Leistung entsprechend rasch drosseln. Wenn aber Sonne und Wind schwächeln, dann würden die Erdgaskraftwerke hochgefahren. Stromerzeugung aus Erdgas sei also eine Übergangstechnologie erklärten damals die Stromkonzerne.

Die tatsächliche Entwicklung zeigt nun, dass die Stromkonzerne die angebliche Übergangstechnologie zur Dauerlösung machen wollen. In den drei folgenden Agorameter-Grafiken sieht man, dass die Erdgaskraftwerke sich bei ihren Einspeisungen ins Stromnetz nicht um die Windkraft- oder die Solarleistung kümmern und sogar dann noch Erdgas-Strom einspeisen, wenn er in Deutschland überhaupt nicht benötigt wird.

Grafik 1 zeigt den aus Erdgas erzeugten Strom vom 11.01.2019 bis 16.01.2019

(Quelle: Agorameter Graphische Ergänzung durch Verfasser)

Erdgas zur Stromerzeugung Winter 2019

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Grafik 2 zeigt den aus Erdgas erzeugten Strom vom 26,08.2019 bis 29.08.2019

(Quelle: Agorameter)

Erdgas zur Stromerzeugung Sommer 2019

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Hier speist die Stromwirtschaft etwas weniger Gasstrom als in Grafik 1 rund um die Uhr ins Stromnetz ein.

Untersucht man die Angelegenheit noch ausführlicher, wozu das Agorameter Programm viele interessante Möglichkeiten bietet, dann stellt man schließlich fest, dass die Erdgas-Stromerzeugung sich nicht nach den Einspeisungen von Wind- und Solarenergie richtet, sondern danach, ob es sich um einen Werktag oder einen Feiertag handelt. An Feiertagen wird die Gasstromerzeugung reduziert, gleichgültig ob die Sonne scheint oder der Wind weht.

Die folgende Agora-Grafik zeigt für die zurückliegenden 12 Monate die rote Stromverbrauchskurve und die hellblaue Leistung der Stromeinspeisung in das deutsche Verbundnetz.
Der Verlauf der Stromverbrauchskurve zeigt jeweils den geringeren Stromverbrauch an den Feiertagen. Besonders auffällig ist der Einbruch an den Weihnachtstagen.

Außerdem zeigt sich die bekannte Tatsache, dass in den kalten Winterwochen der Strombedarf deutlich höher ist als im Sommerhalbjahr.

Die hellblaue Gasstromeinspeisung passt sich getreulich dem Verlauf des Strombedarfs an.

Grafik 3

(Quelle: Agorameter)

Erdgasstrom ganzjährig

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Ergebnis der Auswertung

Die ersten zwei Grafiken zeigten, dass die Gasstromerzeugung unabhängig von der Wind- bzw. Solarstromerzeugung stattfindet.
Die dritte Grafik zeigt, dass die Gasstromerzeugung sich nach der Außentemperatur und dem Strombedarf richtet.

Die Energiewirtschaft hat also bereits begonnen, die Strom- und Wärmeerzeugung auf Erdgas umzustellen - teilweise in Kraft-Wärmekopplung - und nimmt keine Rücksicht auf Sonne und Wind. Im Gegenteil!
Die Tatsache, dass Erdgasstrom auch bei Stromüberangebot eingespeist wird, führt dazu, dass es an der Strombörse zu negativen Strompreisen kommt. Damit werden die Einnahmen der EE-Anlagenbetreiber vermindert und/oder die EEG-Umlage und die Strompreise für die privaten Stromkunden in die Höhe getrieben.

Nach Angaben der BNetzA gibt es (Stand 7.3.2019)

  • 24.235 MW Erdgas Kraftwerke
  • 21.403 MW Steinkohlekraftwerke
  • 18.904 MW Braunkohlekraftwerke

Eine Ergänzung der Erneuerbaren Energien durch Erdgasstrom findet nicht statt. Im Gegenteil!
 

Ist eine CO2-Steuer geeignet, diese verhängnisvolle Entwicklung zu stoppen?

Viele Umweltgruppen fordern derzeit noch eine CO2-Steuer. Doch eine CO2-Besteuerung würde dem extrem klimaschädlichen Erdgas weitere erhebliche preisliche Vorteile gegenüber Kohle oder Erdöl.verschaffen.

Warum? Dies ist eine Frage der Chemie.

Erdgas besteht hauptsächlich aus Methan CH4

Das Verbrennungsprodukt von Erdgas besteht deshalb zum großen Teil aus H2O. Warum ist das wichtig?

CH4 + 2O2   =>   CO2 + 2 H2O

Bei gleichen CO2-Ausstoß hat Erdgas den etwa doppelten Heizwert wie Kohle, weil die freiwerdende Energie bei der Verbindung von H4 + O2 zu 2 H2O noch dazukommt.

H2O wird jedoch bei einer CO2-Besteuerung nicht berücksichtigt.

Energie aus Erdgas wird damit zur weitaus billigsten Fossilenergie. Vom Energiepreis war zwar bisher noch nicht die Rede, aber auf ihn kommt es bei den derzeit unökologischen Marktgesetzen im Wesentlichen an.

So wird nach den herrschenden Marktgesetzen Putin-Gas oder Trump-LNG (Lliquefied Natural Gas) die Energieversorgung Deutschlands übernehmen.

Die Erdgaslobby wird durch eine CO2-Steuer ungewollt unterstützt.

Die Klimagefährlichkeit von Erdgas ist deshalb besonders hoch, weil Methan*) eine 25-fach höhere Klimawirksamkeit hat als CO2 und weil ungewollte Leckagen bei der Erdgasgewinnung und -Weiterleitung kaum zu vermeiden sind. Besonders gefährlich ist in dieser Hinsicht das Fracking, mit dem in USA das Erdgas aus dem Boden gepresst wird.

Am Gasherd schädigen 4 Sek. unverbrannter Gasaustritt das Klima so viel wie 100 Sek. funktionierende Erdgasverbrennung fürs Kochen!

Alternativen

Wenn sich die CO2-Steuer entsprechend der Befürchtung des Verfassers tatsächlich als ungeeignet erweist, sollten wir über Alternativen nachdenken. Da brauchen wir nicht lange zu suchen: Die kostendeckende Vergütung mit einer lohnenden Rendite bei elektrizitätswirtschaftlich rationeller Betriebsweise hat bereits einmal zu einem unerwarteten Boom beim Ausbau der Erneuerbaren geführt. Das EEG muss dazu von aller Bürokratie befreit werden und wieder lohnende Anreize bieten. Ergänzt werden muss dieses Instrument mit einer gesetzlichen Förderung von Stromspeichern. Dazu schlägt der SFV das sogenannte SFV-SMARD Projekt vor.
In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass bei der notwendigen Erzeugung von Power to Liquid für die Langzeitspeicherung sowie bei der Rückverstromung erhebliche Wärmemengen anfallen, die sinnvoll genutzt werden können.

Ausblick - Rückholung von Klimagasen

Der ökologische Vorteil von Solar- und Windstrom ist allseits bekannt. Weniger bekannt ist allerdings ein ökonomischer Vorteil: Solar- und Windanlagen haben keine Brennstoffkosten und sind erheblich einfacher strukturiert als die technisch aufwendigen konventionellen Kraftwerke. Auf lange Sicht ist deshalb damit zu rechnen, dass die Erzeugung von Strom aus zukünftigen Solar- und Windanlagen so billig wird, dass es sich wirtschaftlich lohnen könnte, mit Hilfe dieser billigen Energie Klimagase aus der Atmosphäre zurückzuholen. Diejenigen, die sich dieser wichtigen Aufgabe widmen, erwarten zu Recht eine Vergütung. Und finanzieren könnte der Staat die Rückholung mit einer Stromsteuer - die sogar auch auf Strom aus Erneuerbaren Energien erhoben werden kann.

Also Energiesteuer statt Personalsteuer! Dies ist eine alte Forderung des SFV

 
Unser neuer Slogan zu diesem Thema lautet:

 

Speicher, Wind und Sonnenstrom
statt
Erdgas, Erdöl, Kohle und Atom

 

*) Bitte Methan nicht mit dem klimafreundlichen Methanol verwechseln!