Seit mehr als 2 Jahrzehnten lasten komplexe Vorschriften auf der Energiewende. An so vielen Stellen fehlt es an Rechtsklarheit und wirtschaftlicher Sicherheit für Erneuerbare Energien, und an einfachen Abläufen, die auch “normale” Menschen nicht von einer Investition abschrecken. Gibt es mit dem EEG 2023 endlich die erhoffte Wende?

Einen Monat vor Beginn des Ukraine-Krieges kündigte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck das “größte Beschleunigungspaket für den Ausbau der erneuerbaren Energien” an. [1] Erhebliche Defizite bei der Reduzierung der Treibhausgase und die dramatische Verfehlung von Klimazielen für 2022 und 2023 erforderten schnelles Handeln, so Habeck. Denn es liefe uns die Zeit davon. In immer weniger Jahren müsse deutlich mehr erreicht werden, um den Rückstand wieder aufzuholen. Zunächst solle es eine umfassende Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) geben, auch andere Gesetze müssten angepasst werden. Er sprach von einem Osterpaket. 

 

Im Juli – also Monate nach Ostern – wurde vom Deutschen Bundestag das erste Sammelgesetz mit Sofortmaßnahmen für einen beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien und weiteren Maßnahmen im Stromsektor beschlossen – in ihm verankert zahlreiche Neuregelungen im Energiesektor. Auch die lang angekündigte Novelle des EEG war enthalten. Diesem Sammelgesetz folgten weitere Bundestagsbeschlüsse zum EEG. Die jüngste, dritte Änderung des EEG 2023 wurde am 8. Oktober in ein weiteres Sammelgesetz zum Energiesicherungsgesetz (EnSiG) gepackt. Und auch dieses ursprünglich aus 1974 stammende EnSiG wurde in diesem Jahr zum zweiten Mal angepasst.


Es folgten Vorschläge zu vereinfachten steuerlichen Verfahren für PV-Anlagen und Mehrwertsteuer-Geschenke für die Solarenergie. Im Bundeswirtschaftsministerium entstand im Sommer ein neues Referat VII D 5 “Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung”. Dort arbeitet man seit Wochen daran, die Gesetzgebung zu Erneuerbaren Energien zu entrümpeln. Mehrere Klimaschutz-Organisationen und Energiewende-Lobbyisten wurden aufgerufen, ihre Vorschläge zum Abbau von Hemmnissen einzureichen. Auch wir beteiligen uns intensiv. Unsere ersten 12 Forderungen haben wir für Sie hier vorgestellt. 


Schnell genug?


Das Tempo bei der Novellierung von Gesetzgebungen für Erneuerbare Energien hat also deutlich zugenommen. Das ist zwingend, denn was wir nicht mehr haben, ist Zeit. Schnell geschriebene Gesetze und große Worte überzeugen uns aber nicht automatisch. Es zählen die Zielgrößen, der Abbau von Hemmnissen und schlussendlich der Investitionsschub. Auch die euphorischen Ankündigungen von Robert Habecks Amtsvorgängern sind uns immer noch im Ohr. Peter Altmaier schwärmte zum EEG 2021, dass nun endlich ein “klares Zukunftssignal für mehr Klimaschutz und mehr Erneuerbare Energien” hörbar sei. Die Vorgänger-Novelle nannte er eine “Allianz für Klimaneutralität und Wohlstand”. Nichts von dem ist eingetreten – im Gegenteil! Wir haben erlebt, wie einfallsreich an der Sterbehilfe des einst sehr erfolgreichen Gesetzes zum Ausbau der Erneuerbaren Energien gewerkelt wurde. Das Ergebnis war verheerend. Die Erneuerbare-Energien-Branche erlitt eine dramatische Depression und der Zubau von Solar- und Windleistung brach zusammen.


Die neue Bundesregierung setzt nun neue Zielgrößen. Bis 2030 soll in Deutschland 80 % des Stromverbrauchs aus Erneuerbaren Energien stammen. Der Ausbau der Solarenergie soll mehr als verdreifacht werden, bei Windenergie sieht es ähnlich aus. Mit Blick auf die Pläne des Amtsvorgängers Altmaier ist das schon eine kleine Sensation. Reichen wird es jedoch aller Voraussicht nach nicht. Nach unserer Berechnung wäre eine Verzehnfachung notwendig. Und wenn bis 2035 nur auf die Stromversorgung aus Erneuerbaren fokussiert wird und erst zehn Jahre später – also 2045 – die gesamten Energiebedarfe der Sektoren Wärme, Verkehr und Industrie “nahezu” klimaneutral erzeugt werden sollen, dann ist und bleibt das
zu spät. Die jetzige Bundesregierung unterscheidet sich in diesem Punkt also zu wenig von den Vorgängern.

 

Wir sehen, dass angesichts des Ukraine-Krieges und des Ringens um Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit der Klimaschutz keine vorrangige Rolle mehr spielt. In den letzten Wochen hagelte es neue Vereinbarungen zu Erdgaslieferungen aus Staaten, die es weder mit Menschenrechten noch mit Klimaschutz ernst meinen. Im neuen Kohleausstiegsplan der Bundesregierung werden höhere Kohleverstromungen bis 2030 geplant. Danach sollen sich die Erneuerbaren nur noch marktgetrieben entwickeln. Das ist nach dem Koalitionsvertrag “idealerweise” 2030, im Kohleausstiegsgesetz steht spätestens 2038. Die Jahre der festen Einspeisevergütungen sind demnach gezählt.
 

Auch die Verlängerung der Atomkraft verkauft die Bundesregierung als ernsthafte Option zur Energiesicherheit und Energiesouveränität. Denn – so Habeck – liefe uns ja schließlich auch hier “die Zeit davon” [3]. Lieber Bundeswirtschaftsminister: Atomenergie war noch nie ein Partner für den Ausbau Erneuerbarer Energien! Weitere Monate wird sie Wind- und Solareinspeisungen ausbremsen und Geld in die Taschen der Energieriesen spülen. Die Bundesregierung pokert weiterhin um unsere Zukunft und die der nachfolgenden Generation.


So hilft es auch nur bedingt, dass Erneuerbare Energien laut §2 EEG 2023 künftig im öffentlichen Interesse liegen und der öffentlichen Sicherheit dienen sollen. Diese besondere Bedeutung der Erneuerbaren bewirkt nur dann die erforderliche Ausbaudynamik, wenn Änderungen im gesamten Planungs-, Bau-, Genehmigungs-, Natur- und Artenschutzrecht auf Landes- und Kommunalebene umgesetzt werden. Klimaschutz passiert vor Ort. Hier brauchen die Investor:innen die größtmögliche Unterstützung. Davon sind wir leider noch um einiges entfernt.


Es folgen wichtige Änderungen des EEG 2023. Wer im vollständigen EEG 2023 alles nachlesen möchte, dem empfehlen wir die Arbeitsausgabe der Clearingstelle EEG/KWKG. Wir haben darüber hinaus noch einen erweiteren tabellarischen Überblick zu den Neuregelungen des EEG 2023 im Vergleich zum EEG 2021 angefertigt. 

 

Überblick: Änderungen im EEG 2023

1) Ausbauziele

Bis 2030 soll die installierte Leistung bei Solar auf 215 GW und bei Wind auf 115 GW steigen. Das ist mehr als das 3-fache im Vergleich zu August 2022. 80 % (=640 TWh) der von der Bundesregierung als Bedarf angenommenen 800 TWh Strommengen sollen Erneuerbar sein.


2) Finanzielle Beteiligung der Kommunen

Die finanzielle Beteiligung der Gemeinden beträgt 0,2 Ct/kWh. Bei Windanlagen ab 1 MW (vorher 750 kW) sind Gemeinden zu beteiligen, die sich bis zu 2500 Meter um die Turmmitte der WKA befinden. Bei solaren Freiflächenanlagen gilt das Gemeindegebiet / der Landkreis.


3) Festhalten am Ausschreibungsverfahren

Im EEG 2023 wurden die Ausschreibungsmengen noch einmal erhöht. Für Windenergie werden bis 2028 ~ 63 GW ausgeschrieben, für Solaranlagen auf Freiflächen und Dächern insgesamt ~ 70 GW. PV-Dachanlagen gehen ab 1 MW in die Ausschreibung. Wenn jährliche Ausschreibungsmengen nicht abgerufen werden, droht eine Reduzierung durch die
BNetzA für das nächste Jahr.


4) De-Minimis-Regel für Bürgerenergiegesellschaften 

Wind- und Solaranlagen ab 1 MW werden von der Teilnahme am Ausschreibungsverfahren befreit, wenn sie von Bürgerenergiegesellschaften kommen. Die Befreiung ist auf die Leistung von 18 MW bei Windenergieanlagen und 6 MW bei Solaranlagen begrenzt. Diese Regel enthält jedoch Bürokratie-Stolpersteine.


5) Anhebung der Vergütung und Boni für Volleinspeiseanlagen

Die Vergütung für Eigenversorgunganlagen wird um über 2 Ct/kWh erhöht. Volleinspeiseanlagen erhalten zusätzlich einen Bonus von ca. 2 Ct/kWh, abhängig von der Anlagengröße. Mehrere Anlagen müssen über getrennte Messeinrichtungen abgerechnet werden. Die Betriebsweise der Anlage kann jedes Jahr geändert werden. Alle Vergütungssätze: www.sfv.de/solaranlagenberatung/eeg-verguetungen


6) Erleichterter Netzanschluss

Ab 2025 sollen Netzbetreiber transparente Regelungen für die Bearbeitung von Netzanschlussanfragen anbieten. Für Anlagen bis 10,8 kWp kann der Netzanschlusspunkt ohne Zustimmung des Netzbetreibers genutzt werden, wenn er sich nicht binnen 4 Wochen zurückmeldet.


7) Die EEG-Umlage

Die Finanzierung der EEG-Förderung erfolgt künftig durch den Fiskus. Weder auf Eigenversorgung noch auf Stromlieferungen an Dritte (Mieter:innen) wird die EEG-Umlage fällig. Das ist eine klare Vereinfachung.

 

8) Keine Reduzierung der Einspeiseleistung mehr

Die Einspeisebegrenzung auf 70% der maximalen Wirkleistung fällt für alle neuen PV-Anlagen bis 25 kWp weg. Die Streichung gilt auch für kleinere Bestandsanlagen bis 7 kWp (www.sfv.de/70-teilweise-abgeschafft).


9) Förderung von Garten-PV-Anlagen

Die Förderung gilt für Anlagen bis 20 kW, wenn das Hausdach nicht für eine Solar-Installation geeignet ist. Die Grundfläche der Anlage darf nicht größer als die Grundfläche des Wohngebäudes sein. Details sollen in einer Verordnung geregelt werden.


10) Weitere Flächen für Solarenergie

Es gibt Vergütungen für Solaranlagen: entlang von Autobahnen und Schienenwegen im Abstand von 500 m (vorher 200 m), für Floating-PV, Agri-PV, PV auf Dauergrünland, Parkplatzflächen und landwirtschaftlich genutzten Moorböden.