Energy Sharing ist dabei kein Randthema, sondern ein zentrales Instrument, um die Energiewende sozial, ökologisch und demokratisch abzusichern – und entschieden voranzubringen. Je einfacher, bürokratieärmer und wirtschaftlich tragfähiger Energy Sharing Lösungen angeboten werden, umso umfangreicher und erfolgreicher können sie werden.

Die fortschreitende Erderwärmung und die zunehmende Häufung klimabedingter Extremwetterereignisse zeigen unmissverständlich: Das Zeitfenster zur Erreichung der Klimaziele schließt sich rasant. Die fossile Energieerzeugung als Haupttreiber dieser Entwicklung muss beendet werden. Die Zukunft liegt in einer dezentralen, bürgernahen Energieversorgung auf Basis Erneuerbarer Energien. Dafür gilt es, Investitionen gezielt zu fördern, um den Ausbau deutlich zu beschleunigen. Energy Sharing ist dabei kein Randthema, sondern ein zentrales Instrument, um die Energiewende sozial, ökologisch und demokratisch abzusichern – und entschieden voranzubringen. Je einfacher, bürokratieärmer und wirtschaftlich tragfähiger Energy Sharing Lösungen angeboten werden, umso umfangreicher und erfolgreicher können sie werden. Die Vorteile liegen auf der Hand: 

1. Erschließung ungenutzter Flächenpotentiale

Photovoltaikanlagen im privaten Bereich sind bislang überwiegend auf den Dächern von Einfamilienhäusern zu finden. Über 4 Millionen Dächer sind bereits mit PV belegt, die meisten davon auf EFH. Das ist erfreulich aber zugleich auch bedauerlich. Die Dimensionierung einer Standard-PV-Anlage richtet sich heute meist am Eigenverbrauch der Bewohner:innen aus. Strombedarf und Nutzungsverhalten bestimmen die Größe. Mit der zunehmenden Verbreitung von Wärmepumpen und Elektromobilität wächst zwar der Bedarf an vorausschauend größer geplanten Anlagen, die solar geeigneten Dachflächen werden dennoch in den wenigstens Fällen vollständig mit Solartechnik belegt.

Auch die weitläufigen und in der Regel verschattungsfreien Dachflächen von Mehrfamilienhäusern und Gewerbeimmobilien bieten ein erhebliches, bislang kaum genutztes Solarstrompotenzial. Auch dieses Potenzial muss dringend erschlossen werden.

Besonders in Innenstädten kann Energy Sharing deshalb neue Perspektiven für eine regionale Versorgung mit erneuerbaren Energien liefern. Es setzt Anreize nicht nur für private Investoren, sondern auch für kleine und mittlere Unternehmen sowie öffentliche Einrichtungen. Durch einen bürokratiearmen und wirtschaftlich tragfähigen Verkauf von Solarstrom kann Energy Sharing dazu beitragen, Dach-, Fassaden- und sonstige urbane Flächen umfassend für die Energiewende nutzbar zu machen.

2. Potential zur Netzentlastung nutzen

Energy-Sharing kann, sofern richtig genutzt, die Stromnetze maßgeblich entlasten. Die Elektrizitätswerke Schönau (EWS) haben in einer Studie vom Dezember 2024  herausgearbeitet, dass lokale Stromgemeinschaften Anreize für netzdienliches Verhalten schaffen, indem sie Erzeugung und Verbrauch regional besser aufeinander abstimmen. Dies funktioniert besonders gut, wenn auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie reine Verbraucher teilnehmen und ein enger Lokalitätsbezug besteht. 

Wird Energy Sharing mit zeitlich veränderlichen Netzentgelten kombiniert, beziehen die Endverbraucher:innen den Strom, sobald er günstig ist. Also dann, wenn die Sonne scheint und der Wind weht. Die Verteilung von Stromüberschüssen wird dadurch effizienter. Zusätzlich sinkt die Nachfrage in Zeiten von Dunkelheit und Windflauten, weil der Strom dann aus Speichern und fossilen Kraftwerken kommt und teuer ist. In diesem Moment muss weniger Strom über weite Strecken transportiert werden, was die Ferntrassen entlastet. 
 

3. Stärkung der aktiven Teilhabe am Strommarkt

Mit niedrigschwelligen Zugängen für Energiegemeinschaften kann Energy Sharing zum Treiber der regionalen Energiewende werden. Es fördert lokale Wertschöpfung, steigert die Akzeptanz der Energiewende und trägt zur sozialen Integration bei. Es bietet die Möglichkeit, in einem zunehmend demokratiefeindlichen gesellschaftlichen Klima gezielt Beteiligung und Teilhabe in sozial benachteiligten Regionen zu fördern. Gerade dort schafft es neue Chancen für vulnerable Bevölkerungsgruppen, aktiv an der Energiewende mitzuwirken und von ihr zu profitieren. Über die flächige, breite Umsetzung kann die Dekarbonisierung schnell umgesetzt werden.

Eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik zeigt in diesem Zusammenhang deutlich, dass gerade im Ausbau von Solaranlagen aus Akzeptanz-Gründen die beste Möglichkeit besteht, die Energiewende voranzutreiben. Wenn alle vorhandenen Dächer mit Photovoltaik ausgestattet werden und der Strom direkt vor Ort genutzt wird, wird es als einfache Lösung aufgenommen. Die Akzeptanz erhöht sich bei einer Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an Planungsprozessen, bei klarer Kommunikation, finanzieller Teilhabe oder regionalen Stromtarifen. All das kann dazu beitragen, möglichen Widerständen zu begegnen und konstruktive Lösungswege zu entwickeln.

Die meisten Menschen haben keinen Zugang zu einer eigenen Solaranlage. Ihre Wohnsituation ist geprägt von Häusern, deren Dächer aus verschiedenen Gründen nicht für die Nutzung von Solaranlagen geeignet sind. In den meisten Mehrfamilienhäusern verfügen nur wenige Wohnungen über einen sonnenverwöhnten Balkon, auf dem ein kleines Stecker-Solargerät zumindest einen Teil ihres Stromverbrauchs aus erneuerbaren Quellen decken könnte. Vor allem stehen viele Bewohner:innen schlichtweg vor der Hürde eines zu geringen Einkommens, um in Photovoltaik zu investieren. Diese Hindernisse schränken den breiten Zugang zur Nutzung von Solarenergie bedauerlicherweise erheblich ein.

Eine Lösung wäre, den Solarstrom nicht im Gebäude für die Eigenversorgung zu nutzen, sondern auch die Nachbarschaft mitzuversorgen. Solarstromerzeugerinnen und -erzeuger könnten als “aktive Kunden” agieren und Überschussmengen zu einem fairen Preis anbieten. Auch durch Bürgerenergiegemeinschaften und -gesellschaften kann die Energiewende vorangebracht werden: Mit gemeinschaftlichen Investitionen in Solar- und Windenergieanlagen und der direkten Stromnutzung vor Ort. So wird die lokale Teilhabe gestärkt und die Energiewende sozial wie strukturell verankert.

4. Konzeptideen für Energy Sharing

Gemeinschaftliche Bürgerenergieprojekte, die eine aktive Teilhabe an kostengünstigen Stromlieferungen ermöglichen (Energy Sharing), sind ein wichtiger Schritt, die Bürgerinnen und Bürger stärker an der Energiewende zu beteiligen.

Hierzu gibt es einen vielversprechenden Vorschlag, der vom Bündnis Bürgerenergie e.V. eingebracht wurde. Dabei soll die Erzeugung und Nutzung von Energie auf Gemeinschaftsebene organisiert, geteilt und verbreitet werden. Energy Sharing basiert auf der Idee, dass Initiativen wie lokale Energiegenossenschaften, Bürgerenergieprojekte oder andere Formen der Bürgerbeteiligung die Installation von Photovoltaikanlagen, Windkraftanlagen oder anderen erneuerbaren Energiequellen in der Nähe von Gemeinschaften organisieren. Der erzeugte Strom wird dann von den Beteiligten lokal genutzt oder in einem gemeinschaftlichen Energiespeicher gespeichert.

Mitglieder der Gemeinschaft können sich den erzeugten oder gespeicherten Strom teilen oder ihn zu fairen Konditionen innerhalb der Gemeinschaft handeln. Insbesondere betont diese Herangehensweise die Notwendigkeit einer partizipativen und lokalen Ausrichtung der Energiewende. Die Bürgerinnen und Bürger sollen nicht nur als passive Verbraucher, sondern als aktive Gestalter der Energiezukunft agieren können. Durch eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Gemeinden, Unternehmen und der Bevölkerung können die Ziele der Energiewende effektiver und nachhaltiger erreicht werden.

Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne) hat eine weitere Idee veröffentlicht. Er möchte mit einer Gemeinschaftlichen Vor-Ort-Versorgung das Recht von Haushalten, Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen festschreiben. Diese sollen sich aktiv an der gemeinsamen Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen beteiligen können. Das schließt das “Teilen von Strom” über das Netz der öffentlichen Versorgung auf definierten lokalen Netzebenen ein. Der bne-Vorschlag zielt vornehmlich auf “Vor-Ort Gemeinschaften” ab, die Lieferangebote bündeln und auf rechtlicher Basis private Vereinbarungen selbstständig festlegen sollen.

Der Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V. (SFV) geht einen Schritt weiter und hat zeitgleich zum bne-Vorschlag gefordert, den nachbarschaftlichen Verkauf auch zwischen Einzelpersonen zu ermöglichen. Ein Zusammenschluss in Vor-Ort-Gemeinschaften wäre dennoch nicht ausgeschlossen.

5. Rechtliche Hürden für Energy Sharing in Deutschland

Derzeit existiert keine bürokratiearme und einfache Vermarktungsoption, um Strom innerhalb der EEG-Vergütungsmechanismen an Dritte weiterzugeben. Bei der sogenannten sonstigen Direktvermarktung wird der Strom direkt an der Börse verkauft, ohne Anspruch auf eine EEG-Förderung. Für Energy Sharingist dieses Modell ungeeignet: Die zusätzlichen Kosten der Direktvermarkter und Dienstleister für die Teilnahme am Börsenstromhandel machen den Verkauf unwirtschaftlich. Hinzu kommt, dass Direktvermarktungsunternehmen in der Regel nur Anlagen mit klar kalkulierbaren Einspeisemengen und höheren Leistungen (meist ab 100 kW, selten darunter) in ihr Portfolio aufnehmen.

Die nachbarschaftliche Solarstrom-Vermarktung führt demnach heute in aller Regel in die Sackgasse. Private Kabel, die “über Gartenzäune” gespannt werden, sind keine Alternative. Diese Art der Kopplung von Hausanschlüssen ist messtechnisch problematisch, da sie zu Rückflüssen von Netzstrom - von Haus zu Haus - führen können. Sind Haushalte durch Leitungen galvanisch miteinander gekoppelt, kann messtechnisch nicht mehr sicher dargestellt werden, über welchen Stromzähler der Netzstrom und der Solarstrom abgerechnet wird. Auch das Spannungsverhalten am einzelnen Netzanschlusspunkt wird schwerer kalkulierbar.

6. EU-rechtliche Vorgaben zur Einführung des Energy Sharing

Die gesetzliche Grundlage für das sogenannte Energy Sharing in der Europäischen Union wurde über mehrere Schritte hinweg geschaffen und konkretisiert.

Der erste wichtige Meilenstein war die Erneuerbare-Energien-Richtlinie (EU) 2018/2001 (RED II). Sie schuf bereits 2018 den Rahmen für Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften, die berechtigt sind, Strom aus eigenen, regionalen Anlagen gemeinsam zu erzeugen, zu speichern und zu nutzen. Das Hauptziel dieser Regelung war es, die Bürgerbeteiligung an der Energiewende zu stärken und lokale Wertschöpfung zu fördern. Die Mitgliedstaaten der EU waren verpflichtet, diese Vorgaben bis Mitte 2021 in nationales Recht zu überführen. Ergänzt wurde dieser Rahmen durch die Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie (EU) 2019/944, die das Konzept der Bürgerenergiegemeinschaften einführte und Bürger, KMUs und öffentliche Einrichtungen zur aktiven Teilnahme an der Energiewende ermächtigte.

Die konkrete Ausgestaltung und die Definition von Energy Sharing wurden jedoch erst durch die Novellierung der Richtlinie in der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (EU) 2023/2413 (RED III) festgelegt. Diese neuere Richtlinie erlaubt es Haushalten, kleinen und mittleren Unternehmen sowie öffentlichen Einrichtungen, gemeinschaftlich erzeugten Strom innerhalb einer Gebotszone zu teilen. Dabei gilt eine Kapazitätsgrenze von bis zu 6 Megawatt für die gemeinschaftlich genutzten Anlagen. Die Richtlinie erhöht die Attraktivität dieses Modells, indem der geteilte Strom direkt vom Gesamtstromverbrauch der Teilnehmenden abgezogen werden darf.

Zusätzlich sieht die RED III spezifische Erleichterungen vor, um die Umsetzung zu vereinfachen. So können bestimmte Anlagen von energiewirtschaftlichen Lieferantenpflichten befreit werden: für Einzelhaushalte gilt dies bis zu einer Anlagengröße von 10,8 Kilowatt, für gemeinschaftlich genutzte Anlagen bis zu 50 Kilowatt. Die Mitgliedstaaten haben zudem die Möglichkeit, diese Grenzen auf 30 beziehungsweise 100 Kilowatt anzuheben. Um die Umsetzung zu erleichtern, verpflichtet die Richtlinie die Mitgliedstaaten, geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen. Dazu gehört die Einrichtung von zentralen Anlaufstellen, die Koordination der Messstellen und die Bereitstellung standardisierter Vertragsunterlagen.

7. Stand der Umsetzung in Deutschland

Mit dem Solarpaket I wurden bereits erste Schritte unternommen. Die Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung wurde eingeführt, die es ermöglicht, Strom aus einer Solaranlage auf dem Dach eines Gebäudes direkt an die dortigen Wohnungseigentümer:innen und Mieter:innen zu liefern, ohne das bestehende Stromlieferverträge für Reststrom gekündigt werden müssen. Dieses Modell gilt jedoch nur innerhalb eines einzelnen Gebäudes und ist daher keine vollständige Umsetzung des umfassenderen EU-Konzepts des Energy Sharing, dass auch das Teilen von Strom über das öffentliche Netz hinweg vorsieht.

Die eigentliche, umfassende Umsetzung der EU-Vorgaben aus der RED III-Richtlinie soll durch eine Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) erfolgen. Ein entsprechender Gesetzesentwurf wurde am 6.8.2025 verabschiedet. Dieser Entwurf sieht die explizite Regelung von Energy Sharing vor und soll die europäische Richtlinie in deutsches Recht überführen. Er enthält Bestimmungen, die den Handel mit Ökostrom innerhalb von Quartieren ermöglichen.

Trotz dieser Fortschritte gibt es noch Kritikpunkte, da wichtige Details unklar bleiben. So wurde bemängelt, dass die geplante Novelle die Chancen zur Beschleunigung der Energiewende nicht voll ausschöpft. Insbesondere fehlen noch präzise Regelungen zu Entgelten und Umlagen für den geteilten Strom, die für die wirtschaftliche Attraktivität des Modells entscheidend sind. Es wird erwartet, dass diese fehlenden Regelungen im parlamentarischen Verfahren noch nachgebessert werden.