Seit 01. Januar 2025 sind alle Stromanbieter ab 100.000 Kunden verpflichtet, mindestens einen dynamischen Stromtarif anzubieten. Durch ein angepasstes Verbrauchsverhalten können einige Haushalte Geld sparen. Allerdings lohnen sich diese variable Stromtarife nicht für jeden. Wir geben einen Überblick, was sich hinter diesen Tarifen verbirgt und worauf man achten sollte.

1. Was sind dynamische Stromtarife?

Der Strompreis bei dynamischen Stromtarifen setzt sich – im Gegensatz zu den bisher bekannten Festpreistarifen – anhand der Börsenstrompreise regelmäßig neu festgelegt, meist stündlich. Ist der Strompreis durch hohe Verfügbarkeit günstig, kann der Kostenvorteil durch dynamische Stromtarife von Endverbrauchern genutzt werden. Genauso muss allerdings auch mit einem hohen Strompreis in Zeiten hoher Nachfrage gerechnet werden. Die Weitergabe der Strompreisschwankungen fällt je nach Anbieter etwas unterschiedlich aus: Bei einigen wird der Börsenpreis eins zu eins weitergegeben, der Anbieter generiert seine Marge dann über einen erhöhten Grundpreis. Andere Anbieter haben einen geringen Grundpreis und erheben auf jede Kilowattstunde eine Arbeitsgebühr drauf. Während die bisher bekannten Festpreistarife also immer einen langjährigen Durchschnitt der an der Börse zu erwartenden Kosten darstellen, spiegeln dynamische Tarife die fluktuierenden Preise wider. Voraussetzung für die Nutzung dieser Tarife ist ein intelligentes Messsystem mit 1/4h-Messung der Stromlieferung.

2. Wie die Preise an der Strombörse entstehen

Wie so oft entsteht auch der Strompreis an der Börse durch Angebot und Nachfrage. In der Anfangszeit des Russland-Überfalls auf die Ukraine und der darauf folgenden Gaskrise stiegen beispielsweise die Preise, weil Strom aus Gaskraftwerken teurer wurde. Wird in Zeiten geringer Nachfrage viel Strom eingespeist (z. B. an sonnigen Sommer-Wochenenden), sinkt der Strompreis und kann kurzzeitig auch negative Werte annehmen. Wird hingegen viel Strom benötigt und durch Dunkelheit oder Windstille wenig Strom erzeugt (z. B. an windarmen Winterabenden), steigt der Strompreis. Mehr Infos zur Strompreisbildung können im folgenden Artikel nachgelesen werden:

Energy Charts Börsenstrompreis KW 19 2025
Energy Charts Börsenstrompreis KW 3 2025

3. Für wen lohnen sich dynamische Tarife?

Ob sich ein dynamischer Stromtarif für Sie lohnt, hängt von mehreren Faktoren ab. Grundsätzlich gilt: Je mehr Verbrauch flexibel in Zeiten mit niedrigen Strompreisen verschoben werden kann, desto wirtschaftlicher wird ein solcher Stromtarif. Flexible und energieintensive Stromverbraucher wie Elektroauto und Wärmepumpe können dabei einen erheblichen Unterschied machen. Ein paar Beispiele:

Beispiel 1: Ein sparsames, berufstätiges Ehepaar nutzt einen dynamischen Stromtarif, um Waschmaschine und Spülmaschine in stromgünstigen Zeiten laufen zu lassen. Schon das gezielte Starten von Wasch- und Spülmaschine in günstigen Stunden (ca. 150 kWh/Jahr) spart mit minimalem Aufwand Geld.
Ersparnis: rund 20 € jährlich (bei Ø 22 ct/kWh statt 35 ct/kWh).

Beispiel 2: Eine Familie steuert ihre Wärmepumpe so, dass diese hauptsächlich nachts und in der Mittagszeit Strom bezieht. Durch die gezielte Steuerung einer Wärmepumpe in günstige Zeiten (nachts/mittags) lassen sich rund 40 % des Verbrauchs optimieren (~1.800 kWh von 4500 kWh).
Ersparnis: ca. 250 € jährlich (bei Ø 21 ct/kWh statt 35 ct/kWh). 

Beispiel 3: Eine Familie nutzt Wärmepumpe und E-Auto kombiniert mit einem Energiemanagementsystem, das die Geräte jeweils zu den günstigsten Zeiten betreibt. Wird die Wärmepumpe mit einem E-Auto kombiniert und über ein Energiemanagementsystem (EMS) gesteuert, können fast 4.000 kWh vollautomatisch in die günstigsten Börsenstunden verlagert werden.
Ersparnis: rund 600 € jährlich (bei Ø 20 ct/kWh statt 35 ct/kWh).

4. Zusammenspiel: PV, Speicher und dynamische Tarife

Wer eine Solaranlage besitzt, kann bereits viel Geld sparen, indem der Stromverbrauch im Haus gezielt in die Tageszeit mit viel Sonnenstrom gelegt wird. Die Nutzung des eigenen Solarstroms ist in der Regel weiterhin günstiger, als ein Strombezug aus dem Netz, selbst mit dynamischen Tarifen. Wer also einen großen Teil seines Strombedarf bereits mit der Solaranlage deckt, hat beim (geringen) Reststrombedarf durch dynamische Stromtarife ein geringeres Einsparpotenzial bei den Stromkosten.

Anders sieht es bei der Nutzung eines Speichers aus. Ist der Speicher eher groß dimensioniert, kann dieser dazu beitragen, längere Zeiträume hoher Strompreise zu überbrücken. Gleichzeitig können Speicher technisch gesehen auch dazu dienen, günstigen Netzstrom zwischenzuspeichern. Allerdings muss der Netzstrom ggf. vom vergüteten Solarstrom abgegrenzt werden, was zu mess- und steuerrechtlich kompliziert werden kann. Ob das Vorhalten zusätzlicher Speicherkapazität deshalb wirtschaftlich ist, sollte genau geprüft werden.

5. Worauf sollte ich bei der Wahl eines dynamischen Tarifs achten?

Falls Sie sich für die Nutzung eines dynamischen Stromtarifs interessieren, empfehlen wir auf folgende Aspekte zu achten:
 

  • Vergleichen Sie die Grundgebühren und Arbeitsgebühren der verschiedenen Anbieter, die den späteren Gesamtpreis bestimmen. Manche Anbieter schlagen auf den reinen Börsenstrompreis teilweise zwischen 19 bis 26 Cent pro Kilowattstunde auf.
  • Achten Sie auf kurze Kündigungsfristen. Sollten Sie merken, dass der dynamische Stromtarif für Ihr Verbrauchsverhalten nicht passend ist, sollten Sie schnell wechseln. Kündigungsfristen von einem Monat sind realistisch. Bedenken Sie jedoch, dass der Wechsel zu Ihrem vorherigen Anbieter zu einer Anpassung der Preise führen kann.
  • Achten Sie auf „echte“ dynamische Tarife. Aufgrund der fehlenden Messtechnik bieten einzelne Anbieter auch Tarife „ohne intelligentes Messsystem“ an. Diese stellen jedoch nur gemittelte Monatswerte dar und bieten wenig Einsparpotenzial.
  • Die Kosten für das intelligente Messsystem bei Letztverbrauchern mit jährlichem Strombedarf bis zu 6000 kWh dürfen maximal 30 €/Jahr betragen. Sie sind durch die Preisobergrenzfegel des Messstellenbetriebsgesetz gedeckelt. Mehr Infos: https://www.sfv.de/messstellenbetreiber

Vorsicht bei Vergleichsportalen

Einige dynamische Stromtarife lassen sich auch in gängigen Vergleichsportalen finden. Doch hier ist Vorsicht geboten: Im Vergleich zu den herkömmlichen Festpreisangeboten kann der Preis für einen dynamischen Stromtarif auf Grund seiner Börsenabhängigkeit nicht pauschal vorausgesagt werden. Es handelt sich also um Momentaufnahmen oder Mittelwerte der Preise, die sich jeden Monat ändern werden. Vergleichsportale können dazu dienen, Anbieter dynamischer Tarife zu finden. Den Preisvergleich sollten Sie jedoch anhand der Grund- und Arbeitsgebühren selbst durchführen.

Einzelne Anbieter bieten inzwischen explizit den Vergleich dynamischer Stromtarife an, der auch die Stromproduktion einer Solaranlage oder den Verbrauch eines Elektro-Autos oder der Wärmepumpe mit einbezieht. Einer dieser Vergleichsanbieter kann beispielsweise unter www.smartstromcheck.de gefunden werden. Viele dieser Vergleichsportale finanzieren sich durch Provisionen. Es kann sein, dass nicht alle Tarife verglichen und abgebildet werden.

6. Dynamische Stromtarife nur mit fortschreitender Digitalisierung

Ein Schlüsselelement für diese neuen Modelle ist ein intelligentes Messsystem (Smart Meter), das schrittweise ab 2025 in vielen Haushalten Pflicht wird. Bei der Umsetzung des gesetzlich geregelten “Smart Meter Rollouts” hinken viele Netzbetreiber ihren Pflichten jedoch noch hinterher, sodass interessierten Kund:innen die Teilnahme an dynamischen Stromtarifen vorerst erschwert wird. Eine Möglichkeit bietet die Beauftragung von wettbewerblichen Messstellenbetreibern, welche die Zähler zu eigenen Konditionen installieren und betreiben. Einige Anbieter dynamischer Stromtarife bieten deshalb auch den wettbewerblichen Messstellenbetrieb direkt mit an. Dies sollte beim Abwägen der Kosten jedoch genau betrachtet werden. Weitere Informationen zum Messstellenbetrieb finden Sie im entsprechenden Wiki-Beitrag.

7. Ausblick: Maximale Flexibilität mit PV, Speicher und dynamischen Tarifen

Wer über eine PV-Anlage mit Speicher verfügt, mag mit dem Gedanken spielen, den erzeugten Strom im Rahmen der “Direktvermarktung” ebenfalls an der Börse zu handeln und so höhere Gewinne zu erwirtschaften. In Kombination mit einem dynamischen Stromtarif und digital gesteuerten Verbrauchern im Haushalt kann die Ein- und Ausspeisung von Strom anhand der schwankenden Tarife sogar netzdienlich angepasst werden. Aber Vorsicht: Wer seine Solaranlage außerhalb der festen Einspeisevergütung an der Börse direkt vermarkten möchte, benötigt einen Direktvermarkter mit einer Zulassung zum Börsenhandel. Dieser verlangt zusätzliche Gebühren, sodass sich die Direktvermarktung für die meisten kleineren Anlagen oft nicht lohnt. 

Durch den Betrieb eines großen Speichers kann sowohl die Ein- als auch Ausspeisung des Stroms in Zeiten niedriger bzw. hoher Strompreise verschoben werden. Durch gesetzliche Neuerungen soll bald auch das Zwischenspeichern von Netzstrom im Speicher ermöglicht werden, ohne den Anspruch auf die Marktprämie zu verlieren (eine neu eingeführte, sogenannte “Pauschaloption”). Diese Neuerung muss allerdings noch von der Bundesnetzagentur im Detail geklärt werden.

Neuerungen durch das Solarspitzengesetz (02/2025)

Mit dem Solarspitzengesetz wurde eine Pauschaloption zum Ein- und Ausspeichern von Solarstrom eingeführt, welche das Rückspeisen von zwischengespeicherten Solarstrom ins Netz vereinfachen soll. Bisher waren die Rückspeisung technisch nur mit aufwändigen Kaskadenmessungen möglich, sodass viele Betreiber den Speicher nur für den Eigenverbrauch verwendeten. Die Pauschaloption ermöglicht die pauschale Rückspeisung von bis zu 500 Kilowattstunden pro Kalenderjahr je Kilowatt installierter Leistung, sofern
1. Es sich um reinen Solarstrom handelt
2. Solaranlage und Speicher vom selben Betreiber betrieben wird
3. Die Solaranlage nicht größer als 30 kWp ist

Achtung: Das Zwischenspeichern von “grauen” Netzstrom kann weiterhin zum Verlust der Einspeisevergütung führen.

In Zukunft wird die “smarte Vernetzung” von Erzeugern, Verbrauchern und dynamischen Tarifen vermutlich an Bedeutung zunehmen. Heute ist das Potenzial jedoch noch begrenzt: Auflagen und Gebühren für die Direktvermarktung von Solarstrom sind hoch, die Zahl der Anbieter ist begrenzt. Nicht alle Anbieter von Energiemanagementsystemen ermöglichen auch die Verknüpfung von dynamischen Stromtarifen, wie wir im Wiki-Beitrag “Energiemanagementsysteme” darstellen. Schlussendlich wird die Flexibilisierung durch die mangelnde Verfügbarkeit intelligenter Messsysteme sowie durch bürokratische Hemmnisse gebremst.

Weitere Infos zum Nachlesen
 

8. Fazit

Ob der Wechsel zu einem dynamischen Stromtarif für Sie lohnend ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Wichtig ist, dass Sie die Möglichkeit haben, einen Teil Ihres Stromverbrauchs zeitlich zu verschieben, um die Gefahr von hohem Strombezug in Zeiten hoher Preise zu reduzieren. Wer die technischen Voraussetzungen zur Optimierung seines Strombezugs hat, kann mit dynamischen Stromtarifen Geld sparen und gleichzeitig das Stromnetz entlasten. Wie groß der jeweilige finanzielle Vorteil ist, hängt jedoch stark von der zeitlich zu verschiebenden Strommenge sowie der richtigen Wahl des Anbieters ab. Grundvoraussetzung für die Nutzung dynamischer Stromtarife ist und bleibt das Vorhandensein eines intelligenten Messsystems.

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