Ohne Hände keine Wende!

Der Fachkräftemangel als Bremsklotz der Energiewende.


Erneuerbare Energien erleben einen Boom, doch aufgrund des Fachkräftemangels können die stark nachgefragten Photovoltaikanlagen und Wärmepumpen nicht in dem erforderlichen Umfang installiert werden. Ohne Hände keine Wende (OHKW) ist ein Zusammenschluss aus Start-ups, Herstellern, Energie­versorgern und Bildungs­trägern. Das Ziel: Mehr Fachkräfte für die Energiewende.

 

Im Jahr 2022 wurden 2,5 Millionen Photovoltaikanlagen und etwa 245.000 Wärmepumpen installiert. Bis 2030 sollen 215 GW Photovoltaikleistung erzeugt und 6 Millionen Wärmepumpen installiert werden. Um diesen Bedarf zu decken, fehlen jedoch rund eine halbe Million Arbeitskräfte – viele davon für Hilfstätigkeiten.

Bereits jetzt zeigt sich, dass wir über den traditionellen dualen Ausbildungsweg nicht ausreichend Handwerker:innen qualifizieren können, um unsere Klimaziele zu erreichen. Hierbei steht das Handwerk vor ähnlichen Herausforderungen wie viele andere Branchen: Der demografische Wandel erschwert die Nachwuchsgewinnung. Zusätzlich kämpft das Handwerk seit Jahrzehnten mit geringer Wertschätzung und einem Imageproblem. Die Marktnachfrage wird daher vermehrt durch Quereinsteiger:innen und den Einsatz von Hilfskräften abgedeckt.

Um die Ausbauziele zu erreichen, fehlen rund eine halbe Million Arbeitskräfte — viele davon für Hilfstätigkeiten.

Amber Riedl

Diese Entwicklung ist nicht nur unaufhaltsam, sondern auch förderlich. Sie führt zu einer gesteigerten Produktivität in der Installation, die durch eine gezielte Arbeitsteilung realisiert wird. Ein Gutachten von Thermondo im Auftrag der Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND) bestätigt dies eindrücklich. Durch eine verstärkte Arbeitsteilung in Kombination mit Standardisierung und Digitalisierung könnte die Produktivität bei der Installation von Wärmepumpen um das Zehnfache gesteigert werden.¹ Dabei impliziert dies nicht, dass einzelne Fachkräfte mehr Arbeitsaufwand leisten müssen, sondern vielmehr, dass die Gesamtanzahl der installierten Wärmepumpen durch die gemeinsame Unterstützung der Fachkräfte erhöht werden kann. Diese Erkenntnis ist von zentraler Bedeutung, da die begrenzte Ressource für einen erfolgreichen Ausbau qualifizierte Gesell:innen und Meister:innen sind. Personen ohne eine passende Ausbildung oder mit einem beruflichen Hintergrund in einem verwandten Bereich müssen jedoch gezielt auf ihren neuen Tätigkeitsbereich vorbereitet werden.

 

Modular zum Berufsabschluss mit Teilqualifikationen

 

Da der demografische Wandel mittelfristig dazu führen wird, dass auch die vorhandenen Fachkräfte immer weniger werden, ist es entscheidend, Quereinsteiger:innen und Helfer:innen nicht nur anzulernen, sondern zielgerichtet zu qualifizieren. Ein vielversprechender Ansatz dafür ist die Teilqualifikation (TQ). Menschen über 25 Jahren können durch TQ-Module schrittweise zum Berufsabschluss geführt werden. So kann beispielsweise eine Montagehelfer:in, die anfangs DC-Arbeiten ausführt, perspektivisch auch AC-Arbeiten übernehmen und einen Berufsabschluss als Elektriker:in erlangen.²


Der Ansatz einer stufenweisen Qualifikation ist nicht gänzlich neu. Verschiedene Akteure wie enpal betreiben bereits eine Akademie, die Menschen in wenigen Wochen praxisnah auf das Einsatzfeld vorbereitet.³ Teilqualifikationen gehen noch einen Schritt weiter, indem sie in Richtung beruflicher Qualifikation ausbilden und damit vermeiden, dass Qualifizierte in Sackgassen landen. Viele Angebote des privaten Bildungsmarkts führen bisher nicht zur Externenprüfung der Handwerkskammer, sondern qualifizieren lediglich für einen begrenzten Einsatzbereich und bieten keine gesicherten Aufstiegschancen. Die vergebenen Zertifikate genießen oft nur begrenzte Anerkennung und können bei einem Arbeitgeberwechsel an Wert verlieren.


Im Gegensatz zu Zertifikatskursen leiten sich Teilqualifikationen von der offiziellen Ausbildungsordnung ab und orientieren sich somit an einem Berufsabschluss. Dadurch sind sie zusätzlich förderfähig im Rahmen von Bildungsgutscheinen und für Kandidaten sowie Betriebe kostenfrei. Je nach Betriebsgröße werden sogar die Lohnkosten der Beschäftigten gefördert – in Kleinstbetrieben sogar vollständig. Die Hauptherausforderung liegt daher nicht in den finanziellen Mitteln, sondern in der Standardisierung von Teilqualifikationen, um die einzelnen Module an verschiedenen Orten durchführen zu können, sowie dem Aufbau der erforderlichen Kapazitäten. Aktuell fehlen noch ausreichend Trainer:innen und die nötige Ausstattung der Schulungszentren im Bereich Photovoltaik und Wärmepumpe. 

 


Ohne Hände keine Wende - die Stimmen der Branche vereint 

 

Nach dem letzten Boom sieht sich die Solar- und Wärmepumpenbranche erneut der Herausforderung gegenüber, ihre Installationskapazitäten innerhalb kürzester Zeit zu skalieren, ohne dabei die Installationsqualität zu vernachlässigen. Eine Aufgabe, die für einen einzelnen Akteur zu groß ist. In der Brancheninitiative "Ohne Hände keine Wende," kurz OHKW, haben sich bereits über 20 Partner aus der Branche zusammengeschlossen, um gemeinsam den Mangel an Arbeits- und Fachkräften anzugehen. 


Die Initiative wurde Anfang 2023 in der Allianz für Transformation des Bundeskanzleramtes ins Leben gerufen und dient als gemeinsames Sprachrohr von Start-ups, Herstellern und Energieversorgern gegenüber Politik und Bildungsmarkt. In enger Abstimmung mit dem Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) und dem Bundesverband Wärmepumpe (BWP) setzt sich OHKW für das Anwerben und Qualifizieren von Quereinsteiger:innen und Helfer:innen ein. 


Das Ziel der Initiative ist es, nicht nur den Erfolg der Energiewende sicherzustellen, sondern auch eine gerechte Wende im Sinne von "Just Transition"4 zu ermöglichen. Neben der Arbeit in politischen Gremien agiert OHKW als Umsetzungsplattform und setzt sich praktisch für die Erreichung dieser Ziele ein: 

 


1. Branchenstandard für Teilqualifikationen 

 

In Kooperation mit der Bertelsmann Stiftung und der Initiative MYTQ (My Teilqualifizierung) des Bundesverbands der Träger beruflicher Bildung (Bildungsverband) wurde in den vergangenen Monaten ein gefördertes Quereinsteigerprogramm für die Berufe "Elektroniker:in Energie- und Gebäudetechnik" sowie "Anlagenmechaniker:in SHK" entwickelt. Dieses Programm beruht auf Teilqualifikationen und hat das Ziel, mittels eines Branchenstandards eine unkontrollierte Vielzahl an Zertifikatskursen zu verhindern. Die ersten Kohorten sollen noch im Jahr 2023 starten, und der flächendeckende Rollout ist für 2024 geplant. 

 

2. Vermittlungsplattform als zentrale Anlaufstelle 

 

Die OHKW-Plattform soll zukünftig als zentrale Anlaufstelle für alle dienen, die in die Energiewende einsteigen wollen. Aufklärung über Einstiegsmöglichkeiten und Berufswege sowie ein Matching von passenden Qualifizierungsangeboten und Arbeitgeber:innen soll Menschen die (Berufs-)Orientierung erleichtern. Darüber hinaus dient die Plattform zur Aggregation von Schulungsorten und Schulungskräften für das Quereinsteigerprogramm.

 

3. Imagekampagne für das EE-Handwerk 

 

Durch eine gemeinsame Imagekampagne möchten wir mehr Menschen über die vielfältigen Karrieremöglichkeiten in der Energiewende informieren. Dabei sollen gezielt neue Narrative und Zielgruppen bespielt werden. Denn seien wir ehrlich: Niemand startet eine Karriere im Handwerk, um nachher allein heroisch auf dem Dach zu stehen. Wir alle streben nach einer angenehmen Arbeitsatmosphäre mit kollegialem Umfeld und einer sinnstiftenden Tätigkeit, die sowohl unseren Lebensunterhalt sichert als auch vielversprechende Zukunftsperspektiven bietet.

OHKW