Im Frühjahr 2023 schlugen die Wellen hoch, als das Bundeskabinett den Entwurf für das neue „Gebäudeenergiegesetz“ (GEG) beschloss. Ein Grundgedanke des Gesetzes – beim Neueinbau von Heizungen bereits ab dem 1. Januar 2024 bei Austausch einer Heizung keine mit fossilen Brennstoffen betriebenen Systeme mehr zuzulassen – wurde in einer wütenden Kampagne bekämpft. Gegen „Habecks Heizungs-Hammer“¹ wetterten die Springer-Presse, Focus und die rechtsextreme „Junge Freiheit“, und unter den Parteien die AfD, die CDU/CSU und auch die Regierungspartei FDP. Nicht eine Sekunde wurde dort der Grund für den Gesetzgebungsplan erwähnt: die globale Klimakatastrophe, die wenige Wochen später bereits ein neues verheerendes Level erklimmen sollte.²


Am 19. Oktober wurde die GEG-Novelle endlich im Bundesgesetzblatt verkündet (ihr Inhalt wird auf Seite 32 vorgestellt). Und das Gesetz über die kommunale Wärmeplanung liegt seit dem 6. Oktober als Regierungsentwurf vor. Die meisten Regelungen sollen am 1. Januar 2024 in Kraft treten. Dem GEG-Entwurf vom Frühjahr sind inzwischen einige Zähne gezogen worden. Es ist sicherlich sinnvoll, von Kommunen zunächst eine rasche Wärmeplanung zu fordern, damit Hausbesitzer:innen wissen, ob sie in absehbarer Zeit an ein Nah- oder Fernwärmenetz angeschlossen werden können. Da die noch ausstehende kommunale Wärmeplanung aber in vielen Fällen zu zeitlichen Verzögerungen führt und bis dahin weiterhin neue Erdgas- oder Ölheizungen eingebaut werden dürfen, wird die Idee der Wärmewende ausgehebelt, oder doch mindestens bis zum Ende dieses Jahrzehnts vertagt. Zudem gilt Wärme auch dann als „erneuerbar“, wenn sie aus Erdgas gewonnen wird – sofern das dabei entstehende CO₂ im CCS-Verfahren aufgefangen und eingelagert wird. Das CCS-Verfahren („Carbon Capture and Storage”, das Auffangen und Endlagern von Kohlenstoff) ist sehr teuer, ineffizient und zudem mit Risiken der Freisetzung großer Mengen an CO₂ behaftet. Vielleicht das größte Problem dieser Technik liegt darin, dass sie als Rechtfertigung dafür dient, den Abschied vom klimaschädlichen fossilen Energiesystem weiter hinauszuzögern. Die Wärme-Gesetzgebung der Ampel-Regierung wird so jedenfalls nicht hinreichend und vor allem nicht rechtzeitig dazu beitragen können, die deutschen Klimaschutzpflichten zu erfüllen.

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Abb 1 — Anteil des Wärmeverbrauchs am Endenergieverbrauch. Grafik: Umweltbundesamt • 

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Abb 1b  — Anteil des Anwendungsbereichs am Endenergieverbrauch der privaten Haushalte. Grafik: Umweltbundesamt • 

Die FDP hatte auch hier, wie im Verkehrssektor, darauf gedrängt, die veralteten Techniken (Öl- und Gasbrenner) im Rahmen einer falsch verstandenen „Technologieoffenheit“ zu schützen – wohl wissend, dass diese mit erneuerbar synthetisierten Brennstoffen wohl kaum zu akzeptablen Preisen betrieben werden können. Dieser Aspekt des GEG könnte sich als Mogelpackung erweisen, wenn die versprochene Umstellung der Gasnetze auf Wasserstoff oder Power-to-Gas-Methan aus Kapazitäts- oder Kostengründen ausbleibt. Der Gedanke an Wasserstoff-Netze müsste sich, nebenbei gesagt, auch dem Problem stellen, dass Wasserstoff volumenbezogen nur ungefähr ein Drittel des Heizwertes von Methan bzw. Erdgas hat, so dass alle vorhandenen Endgeräte darauf umgestellt werden müssen – welcher Gasherd wäre schon “H₂-ready”? Die GEG-Prämisse, künftige Heizsysteme müssten zu 65 Prozent mit Erneuerbaren Energien betrieben werden, wäre so dann nicht einzuhalten, und wir hätten noch 2024 mit den Gasthermen in neue fossile Infrastruktur investiert.³


Übrigens wären 65 Prozent vor 20 Jahren vielleicht eine elegante Übergangsformel gewesen. Inzwischen ist das als Zielvorgabe für die mittlere Zukunft einfach zu wenig. Zu groß ist der Anteil, den die Wärmeversorgung am Gesamtenergiebedarf in Deutschland hat: Mehr als die Hälfte des gesamten Endenergieverbrauchs entfallen auf diesen Sektor.⁴ Eine Energiewende, die den Wärmesektor mit Samthandschuhen anpackt, muss heute scheitern.


Aber es stimmt, dass das emissionsfreie Wärmesystem der Zukunft nicht am Reißbrett entworfen und dann den Menschen aufgedrückt werden kann. Deshalb beleuchten wir in unserem Schwerpunkt eine Reihe von spannenden Detailfragen zur Wärmewende. Zum Beispiel darüber, dass Hausbesitzer:innen sich nur dann sicher für eine neue Heiztechnik entscheiden können, wenn sie über die kommunale Wärmenetz-Planung informiert sind, welche wiederum von den konkreten Gegebenheiten vor Ort abhängt. Je nach Haus kann auch die direkte Stromnutzung mit Infrarot-Heizkörpern Sinn ergeben: Die Frage „Rohr oder Kabel“ will gut erwogen sein. Die Rolle, welche die Geothermie oder die Solarthermie spielen kann, ist von Region zu Region unterschiedlich zu beantworten. Letztere auch im Hinblick auf neue technische Entwicklungen wie die PVT-Module, die von derselben Dachfläche aus dem einfallenden Sonnenlicht Strom und Wärme gewinnen können und die als gute Ergänzung zu Wärmepumpen gelten. Ob die Wartung dieser Komplettsysteme handhabbar ist und die PV weiterhin einen guten Ertrag liefert, wird die Praxis zeigen müssen. Im Gebäudebereich stellt sich zudem die Frage der Dämmung: Wenn die Wärmepumpe in einem gut gedämmten Haus eingebaut wird, kann sie kleiner dimensioniert werden. Welche Reihenfolge ist dann sinnvoll? Hierzu haben wir eine Blickwinkel-Debatte in den vorliegenden Solarbrief aufgenommen.

Eine Energiewende, die den Wärmesektor mit Samthandschuhen anpackt, muss heute scheitern.

Darin wird die Frage aufgeworfen, ob im Winter überhaupt genug erneuerbarer Strom vorhanden sein kann, um all die groß dimensionierten Wärmepumpen für ungedämmte Häuser zu bedienen. Wir haben dazu einmal überschlägig gerechnet: Der gesamte Bedarf deutscher Haushalte an Raumwärme und Warmwasser betrug (im Jahr 2021) 562,8 TWh. In dem hypothetischen Fall, dass man diesen Bedarf komplett über Wärmepumpen mit der bescheidenen Leistungszahl 3 decken würde, benötigte man hierfür 187,6 TWh elektrische Energie. Davon würden im heizintensivsten Monat Januar 16,1%, also 30,2 TWh benötigt. Das sind etwa 58% zusätzlicher Strombedarf, verglichen mit dem Gesamtstromverbrauch im Januar 2023, der 51,7 TWh betrug.


In unseren Szenario-Annahmen für eine vollständige Energiewende gehen wir beim SFV aber von einer Verdreifachung des Strombedarfs bei Umstellung von Verkehrs- und Wärmesektor auf Elektrizität aus. Die immensen Ausbaupotenziale für Sonnen- und Windenergie und die Möglichkeiten für saisonale Strom- und Wärmespeicherung lassen es als wahrscheinlich erscheinen, dass der theoretisch errechnete Bedarf gedeckt werden kann. Weder Dämmen noch Heizungsneubau müssen also auf den je anderen Partner warten, wir alle können und sollten sofort im Rahmen unserer Möglichkeiten loslegen.


Für einen Verein wie den SFV, der sich traditionell hauptsächlich mit der Stromwende beschäftigt, ist das Thema Wärmewende von besonderem Reiz, weil sich bei der Gebäudeheizung die Frage der Sektorkopplung stellt. Solarenergie auf dem Dach kann in unterschiedlichen Weisen dienlich für eine dekarbonisierte Wärmeversorgung sein, vor allem in Kombination mit Wärmepumpen. Und Solarthermie in der Fläche kann eine der Quellen für kommunale Wärmenetze darstellen.

In unserem Schwerpunkt prüfen wir die gängigen Vorurteile gegenüber der  Wärmewende. Im Zuge der Kampagne gegen das Gebäudeenergiegesetz in der ersten Jahreshälfte 2023 wurden viele falsche Behauptungen in Umlauf gebracht, die Menschen zu dem selbstschädigenden Verhalten veranlasst haben, noch schnell neue Öl- und Gasheizungen zu ordern, während der Absatz von Wärmepumpen um mehr als 70% einbrach.5 Es wäre bedauerlich, wenn dieser Trend sich fortsetzen würde.


Wir versuchen in unserem Themenschwerpunkt verschiedene Aspekte der Thematik zu beleuchten: Welche Best-Practice-Beispiele gibt es für die kommunale Wärmeplanung? Wie steht es um den Wärmepumpen-Hochlauf, nicht zuletzt auch bei Mehrfamilienhäusern im Bestand? Welche Wärmequellen sollten Wärmepumpen nutzen: das Erdreich, die Luft, oder – Abwasserkanäle? Was bewirkt die PVT-Technik? Welche Rolle kommt der industriellen Prozesswärme zu? Für alle diese Fragen haben wir wieder ausgewiesene Expert:innen für Gastbeiträge gewinnen können. Wir möchten an dieser Stelle darauf hinweisen, dass viele Beiträge vom Planungshorizont der Bundesregierung ausgehen, welche die Treibhausgas-Neutralität erst für 2045 anstrebt. Es muss betont werden, dass diese Zielvorgabe auch und gerade im Wärmesektor unzureichend (und dennoch mit den regierungsseitig vorgesehenen Maßnahmen wohl nicht zu erreichen) ist.


Die Klimakrise macht den schnellen und vollständigen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen im Wärmebereich zu einer zwingenden Notwendigkeit. Sie ist aber nicht das einzige Argument für die Wärmewende. Für die fossile Wärmeversorgung gilt auch sonst dasselbe wie für die fossile Stromproduktion: Sie macht uns wegen der Importnotwendigkeit abhängig von fragwürdigen globalen Playern – sei es ein kriegslüsterner russischer Präsident, seien es autokratische Emire, sei es vielleicht ein erneuter US-Präsident Trump. Und nicht nur politisch, sondern auch technisch gesprochen werden die fossilen Brennstoffe volatil: Konventionelle Fördermethoden werden zunehmend ersetzt durch Fracking und dergleichen – die konventionell ausbeutungsfähigen Bestände nähern sich ihrer Erschöpfung. Es ist einerseits noch viel mehr Erdgas, Erdöl und Kohle in der Erde, als unser Klima verkraften kann. Andererseits führen nur die monströsen staatlichen Subventionierungen dieser Energiequellen dazu, dass sie überhaupt noch am Markt bestehen können. 2022 summierten sich diese Subventionen global auf 7000 Milliarden Dollar.6 Stellen Sie sich vor, was mit diesen astronomischen Summen alles bewegt werden könnte – von der Energiepolitik bis zur Bekämpfung der globalen Armut!